FC Barcelona «Més que un club» – das war einmal

Jan Arnet

23.1.2019

Bis auf Dani Alves (2. von links, unten) durchliefen alle Barça-Spieler, die am 25. November 2012 gegen Levante in der Startelf standen, die Jugendakademie La Masia.
Bis auf Dani Alves (2. von links, unten) durchliefen alle Barça-Spieler, die am 25. November 2012 gegen Levante in der Startelf standen, die Jugendakademie La Masia.
Bild: Getty

Der FC Barcelona holt Kevin-Prince Boateng und sorgt mit seiner Transferpolitik einmal mehr für Kopfschütteln. Was ist bloss aus dem Klub mit der vermeintlich besten Jugendabteilung geworden? Ein Kommentar.

Es war der 25. November 2012, als der FC Barcelona im Ligaspiel gegen Levante Geschichte schrieb. Mit einem Spielerwechsel. In der 14. Minute ersetzte Martin Montoya den verletzten Rechtsverteidiger Dani Alves – nun standen elf Barça-Spieler auf dem Platz, die es aus der eigenen Jugendakademie La Masia zu den Profis geschafft hatten. «Més que un club», «mehr als nur ein Klub» – Barcelonas Vereinsmotto leuchtete so stark wie nie zuvor. 



Der Macher dieses glorreichen Teams war allerdings schon gar nicht mehr da: Pep Guardiola, der einst selbst in La Masia ausgebildet wurde und in seiner Zeit als Trainer der Katalanen 14 von 19 möglichen Titeln holte. Er war es, der Spieler wie Sergio Busquets, Pedro und Thiago zu den Profis holte, nachdem sie in der B-Mannschaft für Furore gesorgt hatten. Sein Nachfolger, der mittlerweile verstorbene Tito Vilanova, verwirklichte schliesslich Guardiolas Traum einer kompletten Barça-Elf voller Eigengewächse.

Kevin-Prince Boateng wird mit Pauken und Trompeten als Neuzugang vorgestellt. Dabei läuft sein Leih-Vertrag in Barcelona gerade mal ein halbes Jahr (mit Kaufoption).
Kevin-Prince Boateng wird mit Pauken und Trompeten als Neuzugang vorgestellt. Dabei läuft sein Leih-Vertrag in Barcelona gerade mal ein halbes Jahr (mit Kaufoption).
Bild: Getty

Etwas mehr als sechs Jahre nach diesem historischen Tag sieht die Philosophie in Barcelona anders aus. Lieber holt man renommierte Stars aus aller Welt, statt auf die eigene Jugend zu setzen. Das spiegelt auch der neuste Transfer der Katalanen: Statt einem jungen Stürmer aus La Masia eine Chance zu geben, holt Barça Kevin-Prince Boateng. Einen 31-Jährigen, der in der Hinrunde bei Serie-A-Klub Sassuolo gerade mal vier Tore schoss – aber eben einen Namen hat.

Teure Stars statt talentierte Junioren

Nachdem La Masia vor einigen Jahren mit Lionel Messi den viellecht besten Spieler ausgebildet und mit Andres Iniesta, Xavi oder Carles Puyol weitere Spieler mit Weltklasse-Format hervorgebracht hatte, kauft der Klub heute die Hoffnungsträger für viel Geld. Philippe Coutinho kam vor einem Jahr für 130 Millionen Euro, fast gleich viel kostete ein halbes Jahr zuvor Ousmane Dembélé. Dass sie ihre hohen Preise wert sind, konnten die beiden bislang noch nicht beweisen.

Auch der Fall Malcom sorgt für Kopfschütteln. Im vergangenen Sommer schnappte Barça den brasilianischen Flügelstürmer der AS Roma vor der Nase weg, nun spielt er bei Trainer Ernesto Valverde überhaupt keine Rolle. In den 20 bisherigen Ligaspielen stand Malcom nur einmal in der Startelf. Im gleichen Transferfenster verkaufte der amtierende Meister Gerard Deulofeu an Watford und verlieh Munir El Haddadi nach Sevilla – zwei ehemalige Barça-Junioren. Hätten Deulofeu und Munir ihre Sache wirklich schlechter gemacht als Malcom?

Denis Suarez kam in dieser Saison in der Liga erst zu zwei Kurzeinsätzen.
Denis Suarez kam in dieser Saison in der Liga erst zu zwei Kurzeinsätzen.
Bild: Getty

Dazu kamen die Verpflichtung von Arturo Vidal und das Hin-und-Her mit Paulinho, der 2017 aus China geholt wurde und im Sommer bereits wieder seinen Abschied gab. Zwei in die Jahre gekommene zentrale Mittelfeldspieler erhalten mehr Chancen als junge Eigengewächse wie Sergi Samper, Denis Suarez oder Carles Aleñà, die hinten anstehen müssen. Werden diese Talente nicht bald mehr Einsatzzeiten erhalten, werden sie früher oder später anderswo ihre Zelte aufschlagen. 

In der aktuellen Barcelona-Stammelf stehen mit Leo Messi (31 Jahre), Gerard Piqué (31), Sergio Busquets (30), Jordi Alba (29) und Sergi Roberto (26) zwar immer noch fünf Spieler, die in La Masia ausgebildet wurden. Doch wie lange werden sie noch das Gerüst dieser Barça-Mannschaft sein? Wann werden auch sie durch internationale Stars ersetzt werden?

Wie fragwürdig die Transferpolitik des FC Barcelona auch sein mag – der Erfolg gibt den Katalanen bisher noch recht. In den vergangenen vier Jahren wurde Barça dreimal Meister und auch in dieser Spielzeit grüssen die Katalanen nach 20 Spieltagen von der Tabellenspitze. Zudem ist Barça auch heuer noch einer der Top-Favoriten auf den Champions-League-Titel. Aber: «Més que un club» – das war einmal.

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