Die Nachricht vom Herzinfarkt von Iker Casillas löst in der Fussballwelt grosse Sorge aus. Der Weltmeister von 2010 hatte Glück, dass die Ärzte schnell vor Ort waren. Ist ein Herzinfarkt bei einem Spitzensportler normal?
Iker Casillas hält im Krankenhausbett seinen linken Daumen hoch und lächelt. Schon wenige Stunden nach einem Infarkt mitten im Training und eines Herzkatheters mit Stent-Implantation war die Torwart-Ikone des FC Porto wieder guten Mutes. Doch der 37 Jahre alte Spanier weiss: Er hatte Glück im Unglück. Es hätte viel schlimmer kommen können, wie Clubarzt Nélson Puga einräumte.
Es sei positiv gewesen, dass das Problem am Mittwoch beim Training des portugiesischen Topteams aufgetreten sei, da man sehr schnell habe handeln können. Casillas werde keine Folgen davontragen, versichert der Arzt. Die Zukunft des Weltmeisters von 2010, vor allem die sportliche, ist nach dem grossen Schreck aber völlig ungewiss.
«Alles unter Kontrolle hier. Ein grosser Schreck, aber die Kräfte sind intakt», twitterte Casillas aus dem CUF-Krankenhaus in Porto, in dem er noch mindestens bis Samstag werde bleiben müssen, wie portugiesische Medien am Donnerstag unter Berufung auf die behandelnden Ärzte berichteten. Durch die Einpflanzung eines sogenannten Stents soll das verengte Gefässsystem offen gehalten werden, wie erfahrene Ärzte im portugiesischen Fernsehen erklärten. Anschliessend werde der frühere Keeper von Real Madrid eine mindestens dreimonatige Erholungstherapie beginnen müssen.
Und danach? Einige sind davon überzeugt, dass die Karriere des Mannes aus dem Madrider Vorort Móstoles beendet ist. «Mit einem Stent kann man nicht Fussball spielen, ein Torwart schon gar nicht», sagte der frühere Basketball-Profi und Arzt der spanischen Nationalmannschaft, Juan Antonio Corbalán, im spanischen TV. Demnach wäre Casillas Auftritt am vorigen Freitag beim 2:2 gegen Rio Ave der letzte einer langen und ungewöhnlich erfolgreichen Karriere gewesen. Puga will sich hingegen nicht festlegen, und andere Ärzte meinten, es werde auch davon abhängen, wie sich Casillas psychisch erholt.
Wie kann ein Leistungssportler einen Herzinfarkt erleiden?
Wie ist es möglich, fragen sich nun viele, dass ein relativ junger Mann, der Hochleistungssport betreibt, gesund lebt, bestens betreut wird und ständigen medizinischen Kontrollen unterzogen wird, einen Infarkt erleidet? «Normal ist das nicht», wurde der angesehene portugiesische Herzspezialist Carlos Rabaçal am Donnerstag von der Zeitung «Público» zitiert. Möglicherweise lägen Erbursachen vor.
In Portugal wurden Erinnerungen an 2004 wach, als der ungarische Benfica-Profi Miklos Feher, erst 24 Jahre alt, auf dem Platz von Vitoria Guimaraes zusammenbrach und wenig später im Krankenhaus starb. Wenige Monate zuvor war der kamerunische Nationalspieler Marc-Vivien Foe (28) während eines Spiels im Confed Cup in Frankreich kollabiert und anschliessend im Krankenhaus den Folgen des Infarkts erlegen.
In den vergangenen Jahren gab es weitere Fälle, die nicht alle tödlich endeten. Liverpool-Torwart Doni beendete aber zum Beispiel 2013 seine Karriere vorzeitig. Erst im März wurde Nationalspieler Sami Khedira nach Herzrhythmusstörungen erfolgreich operiert.
Grosse Anteilnahme aus der Fussballwelt
Auf die Nachricht des Casillas-Infarkts folgte eine Welle der Solidarität. Nach dem 3:0 seines FC Barcelona im Champions-League-
Halbfinal-Hinspiel gegen Liverpool war Lionel Messi mit den Gedanken bei seinem früheren Rivalen: «Ich will die Gelegenheit nutzen, um Iker eine Umarmung zu senden und ihm eine sehr schnelle Genesung wünschen», postete der Argentinier auf Instagram.
Real-Madrid-Kapitän Sergio Ramos twitterte drei betende Hände an die Adresse von Casillas. Viele aktuelle und ehemalige Profis, Clubs und Institutionen, hunderte Fans und Sportler anderer Disziplinen, wie Tennis-Star Rafael Nadal sowie der spanische Regierungschef Pedro Sánchez versuchten, den Torwart aufzumuntern. «Das Tor wartet auf Dich», schrieb die Sportzeitung «A Bola», und «Record» titelte: «Força Campeao!»
Auch Real Madrid schickte seinem «ewigen» und «geliebten» Kapitän in einer Mitteilung die besten Wünsche und «allen Mut der Welt». Casillas habe dem Team in seiner Karriere immer wieder gezeigt, wie man «die unglaublichsten Herausforderungen meistert» und dass es «nicht in unsere Lebensphilosophie passt aufzugeben».
Die Königlichen werden in Spanien von Medien und den eigenen Fans immer noch kritisiert, weil sie das Vereinsidol im Sommer 2015 nach 725 Einsätzen in 16 Jahren sowie 18 Titeln (darunter drei Mal die Champions League und fünf Mal LaLiga) ablösefrei und ohne Abschiedsspiel zum FC Porto hatte ziehen lassen. Zuvor hatte sich «San Iker», der «Heilige Iker» zunächst mit Trainer José Mourinho überworfen und durfte anschliessend auch unter «Mou»-Nachfolger Carlo Ancelotti fast immer nur die Ersatzbank drücken.
Der Mann der Journalistin und TV-Moderatorin Sara Carbonero und Vater zweier Söhne, der fünf Mal in Serie zum Welttorhüter gekürt und mit «La Roja» zwei Mal Europameister wurde, hatte jüngst seinen Vertrag bei den «Drachen» vorzeitig bis 2020 verlängert. Mit dem Club aus dem Norden Portugals hatte Casillas in der vorigen Saison sowohl die Liga als auch den portugiesischen Super-Cup gewonnen.