Falsche Identität Stuttgart-Stürmer Silas wird Opfer von «Menschenhandel» – droht dem VfB eine Strafe?

Von Nils Bastek, dpa

8.6.2021 - 19:02

Bislang war Silas Katompa Mvumpa unter dem Namen «Silas Wamangituka» bekannt.
Bislang war Silas Katompa Mvumpa unter dem Namen «Silas Wamangituka» bekannt.
Keystone

Katompa Mvumpa statt Wamangituka: Lange Zeit spielt Angreifer Silas unter falschem Namen für den VfB Stuttgart. Auch sein Geburtsdatum stimmt offenbar nicht. Nun drohen Konsequenzen.

8.6.2021 - 19:02

Als mutmassliches Opfer der Machenschaften eines dubiosen Spielervermittlers sass Silas Wamangituka schüchtern und verängstigt vor den Verantwortlichen des VfB Stuttgart. «Wie ein Häufchen Elend» habe der Angreifer dort gehockt, erinnert sich Sportdirektor Sven Mislintat an das Gespräch mit dem Kongolesen Mitte Mai.

Silas schockte den Kaderplaner mit einer in dieser Form in der Bundesliga wohl einmaligen Geschichte: Der in der vergangenen Saison oft so begeisternde Stürmer hat bisher unter falscher Identität gespielt. Sein richtiger Name ist demnach Silas Katompa Mvumpa. Auch sein Geburtsdatum war nicht korrekt.



«Wenn man es mit der Überschrift Menschenhandel beschreibt, dann kommen wir dem Thema schon sehr nah», sagt Mislintat zu dem Sachverhalt, den der VfB am Dienstagmorgen öffentlich gemacht hat. Demnach habe Silas den Stuttgart-Bossen berichtet, dass sein ehemaliger Spielervermittler an der falschen Identität schuld sei.

Laut VfB-Angaben wurde Silas am 6. Oktober 1998 in Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo geboren und ist somit heute 22 und damit genau ein Jahr älter als ursprünglich angenommen. «Wir finden es beeindruckend, welchen Mut Silas aufbringt, das nun aufzuklären», sagt VfB-Vorstandschef Thomas Hitzlsperger.


«Habe in ständiger Angst gelebt.»

Silas Katompa Mvumpa über seine Gefühlslage in den letzten Jahren.


«Ich habe in den letzten Jahren in ständiger Angst gelebt und mir auch um meine Familie im Kongo grosse Sorgen gemacht. Es war ein schwerer Schritt für mich, meine Geschichte zu offenbaren», sagt Silas. Diese Geschichte beginnt laut dem VfB im Jahr 2017, als der damals 18-Jährige vom belgischen Klub RSC Anderlecht zu einem Probetraining eingeladen wird. Um von der Demokratischen Republik Kongo nach Belgien reisen zu können, erhält er ein zeitlich befristetes Visum. Nach drei Monaten will der RSC ihn wohl verpflichten, da sein Visum jedoch vor dem Ablauf steht, muss Silas zunächst zurück in die Heimat, um ein neues zu bekommen.

Hier schaltet sich der ehemalige Spielervermittler ein. Unter massivem Druck solle dieser Silas davon überzeugt haben, dass er nicht mehr nach Europa zurückkehren dürfe, wenn er Belgien einmal verlasse und in die Demokratische Republik Kongo reise. Also zieht Silas stattdessen zum Vermittler nach Paris und soll in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten sein. Er habe in dieser Zeit «augenscheinlich» weder auf sein Konto noch auf seine Papiere Zugriff gehabt. Schliesslich habe der Vermittler auch seine Identität geändert und neue Papiere verschafft.

Der VfB vermutet, dass dies zum einen passierte, um die Verbindung des Stürmers zu seinem Ausbildungsverein im Kongo zu unterbrechen, zum anderen habe sich dadurch Silas' Abhängigkeit vom Vermittler erhöht – da er von nun an erpressbar gewesen sei. «Das ist ein Thema, das eine Komponente hat, die es nicht geben darf im Fussball und in der Welt», sagt Mislintat. «Das ist für mich eine völlig neue Dimension, die mich erschreckt.» Die Schwaben, die den Stürmer 2019 für 8 Millionen Euro vom FC Paris verpflichteten, sehen ihren Spieler als Opfer und prüfen zudem rechtliche Schritte gegen seinen ehemaligen Spielervermittler.

Drohen dem VfB und Silas nun Strafen?

Der Kontrollausschuss des Deutschen Fussball-Bundes wurde vom VfB informiert und will «die Angelegenheit im Hinblick auf ein mögliches sportstrafrechtliches Fehlverhalten des Spielers überprüfen», wie der Ausschussvorsitzende Anton Nachreiner in einer DFB-Mitteilung ankündigt. Der DFB-Sportgerichtsvorsitzende Hans E. Lorenz verweist auf eine wirksam erteilte Spielerlaubnis durch die Deutsche Fussball Liga (DFL). «Davon abgesehen sind beim DFB-Sportgericht keine Einsprüche gegen Spielwertungen anhängig. Diese können wegen Fristablauf auch nicht mehr eingelegt werden», erklärt Lorenz. Heisst auch: Nachträglich werden die Stuttgarter, die als Aufsteiger mit 45 Zählern den Klassenerhalt schafften, keine Punkte verlieren.

«Wir haben sofort, nachdem Silas sich uns anvertraut hatte, alle aus unserer Sicht nötigen Massnahmen eingeleitet und die zuständigen Stellen eingeschaltet», sagt VfB-Chef Hitzlsperger. Konsequenzen für den Profi fürchten die Schwaben nicht, auch wenn die «Bild» von einer möglichen Geldstrafe für den Profi berichtet. Nach juristischer Bewertung des Sachverhalts gehe man davon aus, «dass Silas im Besitz einer gültigen Spielberechtigung war und weiter ist». Ausserdem rechnet der VfB damit, dass Silas zu gegebener Zeit eine neue, auf seinen richtigen Namen lautende Spielberechtigung bekommen werde.

Diese müsste von der DFL erteilt werden, die dafür allerdings zunächst gültige Dokumente von Silas benötigt. «Zur möglichen Erteilung einer neuen Spielerlaubnis für den Spieler unter seinem wahren Namen müssen die nach der Lizenzordnung Spieler (LOS) notwendigen Unterlagen, unter anderem ein behördlich erteilter, gültiger Aufenthaltstitel, eingereicht werden», sagt ein DFL-Sprecher zu «ntv.de».

Von Nils Bastek, dpa