Der FC Winterthur ist vor dem Heimspiel gegen die Grasshoppers am Samstag Letzter in der Super League. Sportchef Oliver Kaiser erklärt, weshalb die Lage nicht so delikat ist, wie es scheint.
Zuletzt setzte es für den FC Winterthur fünf Niederlagen in Folge ab, der Klub steht am Tabellenende. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?
Oliver Kaiser: Wir wussten von Anfang an, dass die Saison sehr schwierig wird. Das dachten wir auch vor der vergangenen Saison, wobei die Liga-Konstellation leicht anders war und am Ende in gewissen Momenten auch viel zu unseren Gunsten gelaufen ist. Wir hatten eine super Vorbereitung, dann fielen Nishan Burkart und andere Spieler kurz vor dem Meisterschaftsstart aus. Verletzungstechnisch hatten wir etwas Mühe in den letzten Wochen, teilweise waren vier U21-Spieler im Aufgebot. Mittlerweile hat sich die Kadersituation dahingehend verändert, dass wir leider den einen oder anderen Spieler nicht ins Match-Aufgebot nehmen können. Wir hatten einen sehr schwierigen Start, haben uns in den letzten Wochen aber dennoch verbessert und sind jetzt sehr zuversichtlich, bald Tritt zu finden.
Wie nehmen Sie die Stimmung in der Mannschaft wahr?
Die Stimmung ist gut, und das ist auch wichtig. Genau deshalb schauen wir immer darauf, dass die Spieler charakterlich zusammenpassen und als Team funktionieren. Das merkt man jetzt auch: Die Jungs ziehen an einem Strang und halten zusammen. Es herrscht eine sehr gute Dynamik. Auch das gibt mir und allen im Klub Zuversicht – auch wenn wir im Moment enttäuscht sind.
Ein Problem, vielleicht das grösste, war bislang das Toreschiessen. Zugleich stehen den fünf erzielten Treffern in acht Ligaspielen 16 Gegentore gegenüber. Woran hapert es vor allem?
Oft kommt in so einer Situation vieles zusammen, und das Toreschiessen ist nun mal das Schwierigste. Mit den Abgängen von unter anderen Sayfallah Ltaief, Samuel Ballet, Aldin Turkes und Adrian Gantenbein haben wir unglaublich viele Skorerpunkte aus der letzten Saison verloren. Zudem stand Nishan Burkart in dieser Saison noch nicht auf dem Platz. Das ist ein beträchtlicher Teil der Skorerpunkte der letzten Saison. Wir können keine fertigen Super-League-Spieler verpflichten, daher muss man den neuen Spielern auch etwas Zeit einräumen, sich an die Gegebenheiten dieser Liga anzupassen und an den Spielen zu wachsen. Angesichts der Kadersituation bekamen wir bislang die Balance zwischen Defensive und Offensive noch nicht hin. Die Auftritte in den letzten beiden Spielen stimmen uns da sehr optimistisch, auch wenn das 1:4 gegen YB auf dem Papier nicht danach aussieht.
Auch dank der Verpflichtung von Labinot Bajrami, der in seinen ersten zwei Spielen zweimal getroffen hat?
Natürlich. Labinot hat grosses Potenzial und ist ein typischer Neuner. Man muss aber aufpassen. Der Junge ist erst 19 Jahre alt, da dürfen wir nicht die Erwartung haben, dass er Woche für Woche funktioniert. Weiter passt Labinot auch als Typ sehr gut in unser Team, und wenn wir als ganzes Team funktionieren, kann Labinot, wie alle anderen Spieler, seine individuelle Qualität noch besser zur Geltung bringen.
In den letzten sieben Ligaspielen verzeichnete Winterthur drei Platzverweise – ein Zufall?
Ich will nicht gross auf Schiedsrichter-Entscheide eingehen, auch wenn man den einen oder anderen beim Betrachten vergleichbarer Aktionen in anderen Spielen kritisch hinterfragen kann. Wir müssen uns an der eigenen Nase nehmen. Die Aktionen der Platzverweise dürfen im Einzelnen betrachtet so nicht passieren, das ist klar.
Zusammen mit den Punkten der bislang Verletzten sind es 72 Skorerpunkte, die dem Team aus der letzten Saison fehlen. Wie schwer wiegen die Abgänge von Adrian Gantenbein, Sayfallah Ltaief und Marvin Keller?
In der Regel verlassen jene Spieler den Klub, die erfolgreich waren. Entsprechend ist klar, dass die Abgänge schwer wiegen. Aber noch einmal: Wir wissen, wer wir sind, wo wir hingehören und was wir können. Wir sind als Team unterwegs und versuchen, die Verluste gemeinsam zu kompensieren. Das tun wir, und darauf liegt der Fokus.
Sie sind seit 2017 Sportchef beim FC Winterthur. Haben Sie schon einmal eine ähnliche Situation erlebt wie jetzt?
In dem Jahr, in dem ich Sportchef wurde. Da waren wir in der Challenge League Zweitletzter, und Wohlen zog sich zurück (Saison 2017/18 – die Red.). Auf die darauffolgende Saison vollzogen wir dann einen Umbruch. Seit dem Aufstieg geht es für uns in erster Linie um den Klassenerhalt, in der ersten Super-League-Saison erreichten wir diesen erst am letzten Spieltag.
Was ist der Plan, um aus der etwas delikaten Situation herauszukommen?
So delikat ist die Situation nicht. Klar, wir sind Letzter und holten einige Spiele keine Punkte. In Hektik zu verfallen, würde aber keinen Sinn machen. Das Kader sieht jetzt schon wieder ganz anders aus, und es sind noch 30 Spiele zu absolvieren. Wer uns im Training zuschaut, sieht, dass sich die Trainingsqualität mit der zunehmenden Qualität in der Breite stark verbessert hat. Die bessere Personalsituation, auch dank einigen späten Transfers und dem damit verbundenen Konkurrenzkampf, gibt dem Trainer zusätzliche Optionen und die Möglichkeit zu reagieren. Das ist wichtig.
Wurdet Ihr nach der guten Vorbereitung mit lauter Siegen und den letzten vier Testspielen ohne Gegentor überrascht vom schlechten Saisonstart?
Überhaupt nicht. Einerseits waren es unterklassige Gegner, andererseits wussten wir seit dem Tag, an dem wir letzte Saison mit der Qualifikation für die Meisterrunde den Ligaerhalt sicherten, dass uns keine einfache Saison bevorsteht.
Am Samstag geht es gegen die Grasshoppers, die mit vier Punkten mehr auf Platz 8 liegen – ein Schlüsselspiel?
Keineswegs. GC ist eines von 30 Spielen, die noch anstehen. Klar, wir wollen einen Sieg, auch weil ein solcher Selbstvertrauen gibt. Darum ist jedes Spiel für uns wichtig, nicht nur der GC-Match.
Sa 05.10. 20:10 - 23:10 ∙ blue Sport Live ∙ FC Winterthur - Grasshopper Club Zürich
Event ist beendet