Reaktionen Reaktionen: «Wir sind auf einem ganz schlimmen Weg» – «Diese Hetze ist nicht hinnehmbar»

René Weder

29.2.2020

Die Beleidigungen gegen Dietmar Hopp sorgen über die Stadiongrenzen hinaus für Kopfschütteln. Von Spielern, Trainern und Funktionären erhält der 79-Jährige viel Zuspruch.

Dietmar Hopp und Karl-Heinz Rummenigge standen Schulter an Schulter am Spielfeldrand im strömenden Regen. Der Mäzen der TSG 1899 Hoffenheim und der Vorstandschef des FC Bayern – seit Jahren gute Freunde – beobachteten sichtlich ergriffen die bemerkenswerte Aktion ihrer Mannschaften. Nach wiederholten Hass-Plakaten gegen Mäzen Hopp liessen beide Teams die Uhr fast eine Viertelstunde lang nur noch herunterlaufen – das da schon feststehende 6:0 (4:0) der Bayern spielte keine Rolle mehr. «Das ist ein schwarzer Samstag», sagt Rummenigge wenig später.



«So wie die Spieler das gemacht haben, das ist ein absolutes Zeichen», erklärt der Bayern-Boss weiter. «Ich schäme mich zutiefst für diese Chaoten. Spätestens heute ist der Moment gekommen, wo die gesamte Bundesliga gegen diese Chaoten vorgehen muss. Wir müssen alle zusammenstehen. Wir haben viel zu lange die Augen zugemacht, was in den Kurven passiert. Das ist das hässliche Gesicht des Fussballs.» Rummenigge äussert zudem, dass der Block, in dem die diffamierenden Plakate zu sehen waren, gefilmt worden sei.

Streich: «Diese Hetze ist nicht hinnehmbar»

Freiburgs Trainer Christian Streich reagiert ebenfalls bestürzt und setzt einen grösseren Kontext. «Was in diesem Land in den letzten zehn Monaten passiert ist, in puncto Hetze, in puncto Anschläge auf Politiker, auf jüdische Einrichtungen und jüngst auf eine türkische Shisha-Bar, ist extrem gefährlich», so der Trainer nach dem 0:1 seines Teams beim BVB. «Diese Hetze gegen Menschen ist nicht hinnehmbar.»

«Die Menschen lieben Fussball in diesem Land, er hat eine wichtige Funktion», sagt Streich. «Wenn es so weitergeht, stehe ich dahinter, dass ein Spiel einfach beendet wird und man nach Hause geht. Man darf auf keinen Fall darüber hinwegsehen.»

Der Freiburger Trainer warnt: «Wir sind auf einem ganz schlimmen Weg. Und wenn du siehst, wie das instrumentalisiert wird von einer Partei in diesem Land, muss ich sagen, wehret den Anfängen.» Im vorausgegangenen Spiel der Hoffenheimer in Gladbach hatte es bereits ein Fadenkreuz-Plakat gegen Hopp gegeben. «Das ist absolut nicht tolerierbar. Da kommen wieder einige Verrückte auf die Idee, irgendwann zu sagen, dann schreiten wir mal zur Tat. Das ist genau die Problematik, die wir haben», so Streich.

Beierlorzer: «Den Block absperren, rein, raus – Ende

Mit deutlichen Worten fordert Mainz-Trainer Achim Beierlorzer harte Strafen für die Täter: «Ich kann gar nicht nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die Plakate schreiben, um andere Menschen, die viel für die Gesellschaft und den Sport machen, zu diffamieren. Das werde ich im Leben nicht verstehen», so Beierlorzer. Der 52-Jährige erwartet von den zuständigen Behörden, solche Vorkommnisse scharf zu ahnden. «Man sollte diese Menschen aus dem Block ziehen. Den Block absperren, rein, raus – Ende. Nie mehr Stadion plus alles, was gerichtlich geht», redet sich Beierlorzer in Rage.

Flick: «Jeder von diesen Chaoten hat wahrscheinlich jemanden in der Familie, der von Dietmar Hopp schon einmal profitiert hat»

Bayern-Trainer Hansi Flick hofft nach dem Skandal-Spiel auf eine Wende in der Debatte um Dietmar Hopp. «Was heute passiert ist – so geht es einfach nicht weiter», sagt Flick bei der Pressekonferenz nach dem Spiel. Man habe schon vor der Begegnung versucht, gemeinsam mit den Fanbeauftragten gegen solche Aktionen zu wirken, führt Flick aus und klagt: «Man hat da keinen Zugriff.» Irgendwie würden diese Personen immer wieder solche Hass-Plakate ins Stadion schmuggeln können: «Diese Leute sollen zuhause bleiben.» Die Bayern waren nach eigenen Angaben vorgewarnt worden, dass so etwas passieren könnte.

Zudem verwies der frühere Hoffenheimer Trainer und Geschäftsführer Flick, der Hopp schon sehr lange kennt, auf das soziale Engagement des Milliardärs, der zum Beispiel in die Krebsforschung investiert. «Jeder von diesen Chaoten hat wahrscheinlich jemanden in der Familie, der von Dietmar Hopp schon einmal profitiert hat.» 

Zorc: «Nicht mehr zu tolerieren»

«Bislang hat es die Bundesliga nicht in den Griff bekommen. Ich glaube, wir haben jetzt einen Punkt erreicht, der so nicht mehr zu tolerieren ist», meint BVB-Sportdirektor Michael Zorc und fügt mit Blick sein Spiel an: «Solche Schmähgesänge gegen eine Person sind unsäglich. Deshalb hat der Schiedsrichter richtig reagiert.»

«Klares Signal an «selbsternannte Herrscher über die Fussball-Kultur»

«Alle Beteiligten – Spieler, Schiedsrichterteam und die Verantwortlichen von Bayern München und der TSG Hoffenheim sowie sehr, sehr viele Stadion-Besucher – haben in dieser Situation vorbildlich gehandelt und damit ein klares Signal an einige selbsternannte Herrscher über die Fussball-Kultur gesetzt, derartige Entgleisungen nicht mehr zu dulden», lässt sich Liga-Präsident Christian Seifert zitieren. «Jegliche Art von Hass darf keinen Platz haben. Dies muss der Anspruch des gesamten deutschen Profifussballs sein.»

Dann aber bitte auch hinsichtlich rassistischer Auswüchse rund um den Fussball in Deutschland (und Europa), die in den letzten Wochen immer sicht- und hörbarer wurden. Ansagen in dieser Deutlichkeit blieb man diesbezüglich bisher schuldig.


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