Heimspiel Reif: «Könnte Klubs geben, die aus Abstiegsangst den Abbruch erzwingen wollen»

Luca Betschart

18.5.2020

Marcel Reif zu Gast im Teleclub Fussball-Talkt Heimspiel.
Marcel Reif zu Gast im Teleclub Fussball-Talkt Heimspiel.
Bild: Teleclub

Die Wiederaufnahme der Bundesliga hat geklappt. Doch trotz aller guten Vorzeichen drohe immer noch ein Fiasko, erläutert Marcel Reif. Nico Elevedi zeigt sich weit optimistischer, was die Fortsetzung der Saison anbelangt.

«Es ist nicht das gleiche wie mit Zuschauern. Aber wenn man so lange nichts hat, freut man sich auch auf solche Anlässe. Mir machte es extrem Spass», so das Fazit von Jeff Saibene, Studiogast im Teleclub Fussball-Talk Heimspiel, nach dem ersten Restart in der Bundesliga.



Auch Marcel Reif hat es gut getan, dass der Ball wieder rollt. «Ein Fan hat gesagt: 'Fussball ohne Zuschauer, dass ist wie Suppe ohne Salz – aber besser als verhungern'», erzählt er.  Seine Schlussfolgerung: «Das muss man den Menschen jetzt geben. Sonst verliert die Politik den Rückhalt in der Bevölkerung.» Der 70-jährige Teleclub-Kommentator hegt nur eine Hoffnung: «Wenn es eine Möglichkeit gibt, etwas zu lockern – und die DFL hat ein super Konzept hingelegt –, dann musst du das auch tun.»

Auch die Ultras haben laut Reif ihren Teil dazu beigetragen: «Mit das wichtigste Zeichen waren die Ultras, die es ganz leicht gehabt hätten, sich mit 30 oder 40 Leuten vor dem Stadion zu versammeln und Spiele an den Rand des Abbruchs zu bringen. Die Verantwortung, die die Ultras jetzt gezeigt haben, das ist grandios. Nur so kann der Fussball dem Vertrauensvorschuss, den er gekriegt hat, gerecht werden.»

«Die Disziplin von allen Beteiligten im Stadion ist eine unheimlich gute Signalwirkung für das Publikum», findet Rolf Fringer. Man treibe zwar Sport, aber man verhalte sich dabei seriös. «Das war ein super Beispiel», hält er fest.

Elvedi: «Wir waren noch nicht auf 100 Prozent»

Mit Nico Elvedi kam auch einer der Spieler zu Wort. Der Gladbach-Verteidiger feierte mit seinem Team gegen Frankfurt einen souveränen 3:1-Erfolg. Die Stimmung sei aber in der Garderobe «immer noch ziemlich zurückhaltend» gewesen, erzählt er. «Klar freuten wir uns über die drei Punkte, aber grosse Umarmungen gab es leider nicht in der Kabine», so der 23-Jährige.



«Wir waren noch nicht auf 100 Prozent. Wir hatten eine relativ lange Pause, in der wir keinen Ernstkampf hatten. Nach 90 Minuten war ich dann schon recht müde. Aber die Fitness wird von Spiel zu Spiel zurückkommen», meint Elvedi.

Der Natispieler zeigt sich zuversichtlich, dass Saison fertig gespielt wird. «Ich glaube, jede Mannschaft hat die Vorsichtsmassnahmen gut eingehalten. Wenn das weiterhin so bleibt, dann mach ich mir keine Sorgen, dass die Saison nicht fertig gespielt wird.»

Konzept steht auf dünnem Eis – Dynamo Dresden als Opfer?

Dass die Deutsche Fussball Liga (DFL) als erste Top-Liga in Europa grünes Licht gab, hat aber einen kleinen Schönheitsfehler. Mit Dynamo Dresden aus der 2. Bundesliga befindet sich eine ganze Mannschaft in Quarantäne. Das Konzept stehe auf dünnem Eis, sind sich die Experten einig. «Das Risiko kann nicht ausgeschlossen werden. Wer das behauptet, ist ein Scharlatan. Du kannst nur sagen: Wir tun alles dafür, aber die totale Sicherheit gibt es nicht. In Dresden konnten sie es nicht mehr nachverfolgen. In Köln waren die Fälle klarer einzugrenzen», so Reif. Er hält fest: «Wenn es Fälle gibt, kann es sein, dass man mit dem Latein am Ende ist und das ganze Konstrukt nicht bis zum Ende funktioniert.»

Dresden darf sich nun auf einen dicht gedrängten Spielplan gefasst machen, was natürlich den Wettbewerb verzerrt. Fringer fordert, man müsse eine gewisse Toleranz und Solidarität mit der Situation des Traditionsklubs haben, sonst muss man aufhören.»

Saibene sieht das kritischer: «Wenn Dresden aus der Quarantäne kommt, haben sie noch vier Tage Zeit bis zum nächsten Spiel. Bis dahin können sie nur individuell trainieren. Das geht eigentlich nicht. Dresden ist Letzter, da wird es riesige Polemik geben, wenn die ein paar Spiele verlieren.» 

Der Luxemburger, welcher zuletzt Ingolstadt trainierte, hält fest: «Eigentlich ist das als Trainer weder tragbar noch machbar. Ich bin gespannt, wie das rauskommt. Das hat dann auch nichts mehr mit Solidarität zu tun, da geht es um die Existenz.»

Je nach Tabellensituation spielt man lieber zu Ende oder nicht. Saibene: «Ich habe das jetzt auch erlebt in der dritten Liga in Deutschland. Die, die ganz oben stehen, wollen einfach nicht mehr spielen. Die, die ganz hinten stehen, wollen auch nicht mehr spielen. Alle anderen, die noch gewisse Ziele haben, wollen alle spielen. Da schaut auch jeder ein wenig auf sich.»

Könnten Vereine ohne Interesse auf ein Weiterspielen gar einen Saisonabbruch provozieren?

Wenn abgebrochen werde, dann müsse man alles annullieren. «Man kann nicht eine Mannschaft absteigen lassen, die nicht gegen jeden gespielt hat. Das ist nicht fair», erläutert Saibene.

«Was, wenn jemand in seiner misslichen Lage absichtlich positive Fälle provoziert?», fragt Reif und meint, dies sei tatsächlich ein von der DFL diskutiertes Szenario. «Der Saisonabbruch ist die Rettung und damit wäre es eine Rettung – so pervers und zynisch das klingt», stellt Reif klar.

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Heimspiel Spezial – der Teleclub Fussball-Talk vom 17. Mai 2020

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