Nachdem Domenico Tedesco bei Schalke gestern noch das Training leitete, wurde er kurz darauf abgesägt. Der Revierklub versinkt wieder im Chaos.
Domenico Tedesco war schwer gezeichnet nach der 0:7-Niederlage gegen Manchester City im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League. Der 33-jährige Deutsch-Italiener, welcher mit seiner offenen Art bei den Schalker Fans beliebt war, gestand im Platzinterview: «Mir geht es sehr schlecht».
Spätestens ab diesem Moment war Tedesco angezählt. Teleclub-Experte Marcel Reif sprach gar von einer «Blamage für den deutschen Fussball». Dabei war er mit grossem Kredit in diese Saison gestartet. Der zweitjüngste Trainer der Liga führte Schalke in der vergangenen Saison auf den hervorragenden zweiten Platz. Stolze 63 Punkte erreichten die Gelsenkirchener, ganze acht mehr als das drittplatzierte Hoffenheim. Notabene mit einem eher biederen Spielermaterial, das dafür umso solidarischer auftrat. Während die resultatorientierte Spielweise in mondänen Städten für Nasenrümpfen sorgen würde, waren die S04-Fans stolz, endlich wieder eine kämpferische Truppe malochen zu sehen.
Zu grosse Ansprüche?
Doch in dieser Spielzeit war irgendwie der Wurm drin. Die Abgänge wogen offenbar zu schwer: Mit Leon Goretzka verliess der Spielmacher den Klub Richtung München. Shooting-Star Amine Harit (Rookie der Saison) fiel mehr durch seine Undiszipliniertheiten denn durch geniale Aktionen auf. Das grösste Talent Thilo Kehrer wurde für 37 Millionen Euro an PSG abgegeben. Die Neuzugänge enttäuschten dagegen durchs Band: Sebastian Rudy sollte der neue Leader werden, der Nationalspieler landete auf der Ersatzbank. Omar Mascarell sollte Agressivität reinbringen, auch der ehemalige Frankfurter spielte praktisch nie. Salif Sané, bei Hannover noch der mit Abstand beste Spieler, verlor nach durchzogenen Leistungen seinen Stammplatz. Stürmer Mark Uth konnte seine feine Technik selten zeigen und wirkte im statischen Spiel des Öfteren wie ein Fremdkörper.
Während der Saison machte Tedesco mit der Degradierung von Stammtorhüter Ralf Fährmann eine weitere (unnötige) Baustelle auf, immerhin sein Kapitän. Für Naldo gab es ebenfalls keinen Platz mehr, der torgefährliche Brasilianer flüchtete nach Monaco. Der 36-Jährige war vielleicht sportlich nicht mehr ganz so wichtig wie zuvor, trotzdem fehlen seine Leaderqualitäten. Kein Wunder, war er doch als «Papa» der Mannschaft stets eine wichtige Bezugsperson.
Trotzdem hielt der Klub lange an Tedesco fest. Der sympathische Jung-Cheftrainer sollte schliesslich das neue Gesicht des Klubs werden. Spätestens seit er mit Schalke nach einem 0:4-Rückstand in Dortmund noch ein 4:4 holte, galt er als Heilsbringer. Tempi passati. Sportchef Heidel, der in zweieinhalb Jahren 150 Millione Euro verpulverte, demissionierte mehr oder weniger freiwillig. Und gestern zog der neue starke Mann bei Schalke bei Tedesco den Stecker. «Wir dürften nicht verkennen, dass die Entwicklung in dieser Saison unter dem Strich negativ ist», so Schneider.
Häme für Schalke – kann Stevens aufräumen?
Nun soll «Jahrhundert-Trainer» Huub Stevens, gemeinsam mit Assistent Mike Büskens, den Verein stabilisieren und die Negativserie (fünf Pleiten in Folge) stoppen. Am Samstag trifft der aktuelle Tabellen-14. auf RB Leipzig. Nur vier Punkte trennen S04 vom Relegationsplatz. Der 65-Jährige Holländer soll mit seiner brummigen Art dem Team gleich wieder Disziplin einimpfen. Mit Stevens wird wieder eine «nostalgische» Lösung gewählt. Er war bereits zweimal Trainer bei den Königsblauen, als Höhepunkt holte der Holländer 1996 den Uefa-Cup. Ob die heutige Spielergeneration mit einem Trainer zurechtkommt, den man als «Knurrer von Kerkrade» bezeichnet, darf zumindest bezweifelt werden. Dass bei Schalke einiges schiefläuft, zeigt das Tedesco gestern früh – lange nach der Verwaltungsratssitzung – noch das Training leitete.
Auch die stolzen Fans mussten sich demütigen lassen. Rund 100 Anhänger mussten für den Rückflug aus Manchester den offiziellen Mannschafts-Airbus vom Erzrivalen Borussia Dortmund benutzen. Auch wenn der Eurowings-Pressesprecher dem «Westfälischen Anzeiger» verischerte, der pikante Einsatz des Fliegers sei «purer Zufall» gewesen, war dies ein weiterer Tiefschlag für die Gelsenkirchener. Als hätte Schalke nicht schon genug Probleme.k