Notfall-Video-Konferenz Liverpool und ManUnited drohen mit Liga-Austritt

tbz

14.10.2020

Liverpool-Besitzer John W. Henry (l.), FA-Vorsitzender Greg Clarke und ManUnited-Boss Avram Glazer streiten sich über die Zukunft des englischen Fussballs.
Liverpool-Besitzer John W. Henry (l.), FA-Vorsitzender Greg Clarke und ManUnited-Boss Avram Glazer streiten sich über die Zukunft des englischen Fussballs.
Bild: Getty

In England lodert derzeit ein Streit um grundlegende Änderungen der prestigeträchtigen Premier League. Gemäss dem englischen Fussballverband droht nun eine Abspaltung von Topklubs wie Liverpool oder Manchester United. Am Mittwoch findet eine Videokonferenz statt.

Am Sonntag veröffentlichte der englische «Telegraph» Teile eines 18-seitigen Dokuments mit Namen «Project Big Picture». Das geheime Vorhaben wurde von den Besitzern des FC Liverpool und Manchester United während dreier Jahre hinter verschlossenen Türen geplant und im Verlauf der letzten Woche den restlichen Mannschaften aus Englands höchster Liga vorgelegt.

Worum geht es?

  • Mit einer gigantischen Finanzspritze auf Kosten der Premier League sollen die unteren Ligen in England während Coronakrise und auch danach langfristig finanziert werden. Das Projekt sieht vor, dass umgehend 250 Millionen Pfund und künftig 25 Prozent der TV-Einnahmen der Premier League den unteren Ligen, dem Frauenfussball und dem englischen Verband zur Verfügung gestellt werden.
  • Im Gegenzug verlangen die Traditionsvereine, dass künftige Regeländerungen und Entscheide nur noch von den neun Mannschaften gefällt werden, die zu gegebenem Zeitpunkt am längsten in der höchsten englischen Spielklasse vertreten sind. Aktuell sind das der FC Liverpool, Manchester United, Manchester City, Chelsea, Arsenal, Tottenham, West Ham United, Everton und Southampton. Zusätzlich verlangen sie ein Veto-Recht bei der Ernennung des Premier-League-CEOs und bei Übernahmen von konkurrierenden Klubs durch Investoren. Der League Cup und der englische Supercup sollen zudem abgeschafft und die Premier League auf 18 Teams reduziert werden.

Premier-League-Teams diskutieren in Videokonferenz

Grundsätzlich stösst «Project Big Picture» in England auf viel Widerspruch. Die Premier League, etliche Klubs und sogar die britische Regierung lehnen den Vorstoss ab. Allerdings drohen in den unteren englischen Ligen derzeit aufgrund der Coronakrise unzählige Konkurse. Weder die Premier League noch die Regierung sind bereit, den Vereinen mit den geforderten 250 Millionen Pfund unter die Arme zu greifen, weshalb «Project Big Picture» für viele Vereine als letzter Ausweg angesehen wird.

Laut Informationen des englischen TV-Senders Sky findet am Mittwoch eine Notfall-Videokonferenz der 20 Premier-League-Vereine statt, in der sich die Verantwortlichen der Klubs über die aktuelle Situation austauschen. Entscheidend wird auch die Stimme des englischen Fussballverbands (FA) sein, deren Vorsitzender Greg Clarke bereits zu früherem Zeitpunkt in die Pläne involviert war. Der 62-Jährige zog sich aber aus den Verhandlungen zurück und beschrieb das Projekt nun als «eine Konzentration von Macht und Geld in den Händen von wenigen».

Gründung einer europäischen Super League?

Clarke warnte auch davor, die Topklubs, die hinter dem Vorstoss stehen, seien bereit, mit einem Austritt aus der Premier League zu drohen, sollte ihren Plänen nicht zugestimmt werden. Das bringt die Verantwortlichen der Liga in die Bredouille und lässt erneut Spekulationen über eine europäische Super League aufkommen, deren Pläne ja einst ebenfalls hinter verschlossenen Türen geschmiedetet wurden.

Nach den aktuellen Regeln benötigt «Project Big Picture» eine Zweidrittelmehrheit unter den 20 Premier-League-Klubs, sprich die Zustimmung von 14 Mannschaften. Zu einer Entscheidung wird es am Mittwoch wohl nicht kommen. Allerdings dürfte sich bei der Videokonferenz herausstellen, wie ernst es die Topklubs um Liverpool und Manchester United mit ihrem Vorstoss und ihrer Drohung tatsächlich meinen.

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