Flucht nach Spanien Kriegt Haris Seferovic nach dem tiefen Fall noch einmal die Kurve?

Von Patrick Lämmle

1.2.2023

An der WM in Katar ist Haris Seferovic ein unglücklicher Teilzeitarbeiter.
An der WM in Katar ist Haris Seferovic ein unglücklicher Teilzeitarbeiter.
Getty

Haris Seferovic wurde im Sommer nach seinem Leih-Wechsel zu Galatasaray Istanbul wie ein Heilsbringer empfangen, es folgte jedoch der tiefe Fall in die Bedeutungslosigkeit. Nun nimmt er in Spanien einen neuen Anlauf.

Von Patrick Lämmle

Die Karriere von Haris Seferovic ist auch die Geschichte eines Stehaufmännchens. 2010 als U17-Weltmeister gefeiert, tingelt er schon bald durch die Welt, spielt in Italien, Spanien und Deutschland, ehe er 2017 zu Benfica Lissabon wechselt. In Portugal surft er nach einem Jahr Eingewöhnungszeit bildlich gesprochen die höchsten Wellen seiner Karriere. Zuletzt aber verkümmert der 92-fache Nati-Stürmer in der Türkei wie ein gestrandeter Wal. Die Rettung kommt aus Spanien, Seferovic wechselt am Dienstag auf den letzten Drücker zu Celta Vigo. Die Heilungschancen sind intakt, das zeigt der Blick in den Rückspiegel.

Die beste Saison seiner Karriere

In der Saison 2018/19 wird Seferovic in Portugal zum Spieler der Saison gewählt, später auch zum Schweizer Fussballer des Jahres. Mit seinen 23 erzielten Toren hat der Torschützenkönig massgeblichen Anteil daran, dass Benfica Lissabon den Meistertitel holt. Kein anderer Spieler mit Schweizer Pass hat zuvor in der höchsten Spielklasse einer ausländischen Liga mehr Treffer in einer Saison erzielt. Nicht Blaise Nkufo (Twente Enschede, 22 Tore), nicht Stéphane Chapuisat (Dortmund, 20 Tore) und auch nicht Alex Frei (Stade Rennes, 20 Tore). Erst letzte Saison hat Michi Frey die Marke mit 24 Toren für Royal Antwerpen überboten.

In der Saison 2018/19 schiesst Haris Seferovic Benfica zum Titel in der Meisterschaft.
In der Saison 2018/19 schiesst Haris Seferovic Benfica zum Titel in der Meisterschaft.
Bild: Keystone

In der Saison 2018/19 läuft Seferovic auch in der Nati heiss und ist mit fünf Treffern der beste Torschütze in der höchsten Spielklasse der damals neu eingeführten Nations League. Und auch privat passt alles zusammen. Im Frühling heiratete er seine Amina, im September erwartete das Paar erstmals Nachwuchs. Voller Glück hinterlässt Amina ihrem Haris damals in den sozialen Medien eine Nachricht: «Was für eine Saison hast du gespielt. Nach all dem Auf und Ab in deiner Karriere hast du all dies so etwas von verdient. Du bist das beste Beispiel dafür, dass es sich in schwierigen Zeiten lohnt, zu kämpfen.»

Absturz, Wiederauferstehung, Absturz

Doch schon in der Folgesaison sollte ihm das Toreschiessen nicht mehr so leicht fallen. In der Liga erzielt er in 30 Spielen nur noch 5 Tore, in wettbewerbsübergreifend 45 Partien sind es deren 9. In der Saison darauf geht es aber wieder steil nach oben. Mit 22 Treffern krönt er sich beinahe ein zweites Mal zum Torschützenkönig in Portugal, einzig Pedro Gonçalves von Erzfeind Sporting Lissabon steht ihm mit 23 Toren vor der Sonne.

Wieder oben angekommen, folgt in der Saison 2021/22 ein neuerlicher Absturz. Zu Beginn der Saison, ein paar Wochen zuvor dank seines Doppelpacks im EM-Achtelfinal gegen Frankreich als einer der Helden gefeiert, muss er aufgrund einer hartnäckigen Wadenverletzung mehrere Wochen pausieren. Ende November gibt er sein Comeback, doch schon im Januar folgt der nächste Rückschlag. Ein Muskel reisst und setzt ihn bis Ende März ausser Gefecht. Wieder genesen, kommt er in der Liga bis Ende Saison nur noch zu drei Teileinsätzen.

In seiner Abwesenheit läuft der sieben Jahre jüngere Teamkollege Darwin Nunez heiss, wird mit 26 Treffern Torschützenkönig und erzielt auch in der Champions League 6 Tore. Zwar verkaufte Benfica den Shootingstar für kolportierte 80 Millionen Euro an Liverpool, doch für Seferovic scheint man trotzdem keine Verwendung mehr zu haben.

In der Türkei gestrandet

Und so wird Seferovic im Sommer 2022 an Galatasaray Istanbul ausgeliehen. Bei seiner Ankunft wird er empfangen wie ein Superstar. Kaum da, erzielt er bei seinem Debüt in einem Testspiel fünf Minuten nach seiner Einwechslung auch prompt den Siegtreffer. «Ich freue mich sehr, dass wir gewonnen haben. Als Stürmer macht es mir natürlich grossen Spass, Tore zu schiessen. Danke an die Galatasaray-Fans. Sie haben mich sehr gut aufgenommen. Ich hoffe, ich kann sie auch glücklich machen», sagt er nach dem geglückten Einstand. Ahnungslos, dass er bald darauf mit hohem Tempo in eine Sackgasse rasen sollte.

Nach vier Liga-Spielen ohne Treffer verliert er im letzten Jahr seinen Stammplatz und spielte seit September 2022 nie mehr länger als 14 Minuten, oft kam er gar nicht mehr zum Einsatz. Auch weil Galatasaray nachjustiert und mit Mauro Icardi Seferovic einen hochdekorierten Stürmer vor die Nase setzt. Mit nur wenig Spielpraxis kommt Seferovic auch an der Winter-WM in Katar nur zu drei Teileinsätzen. Dabei bleibt er so blass, dass nichts mehr an den Glanz vergangener Tage erinnert.

So erstaunt es auch nicht, dass er in den Wochen nach der WM in seinem Klub keine Rolle mehr spielt – gerade mal vier Minuten hat Seferovic seither gespielt. Dass der 30-Jährige nun, er steht noch bis Sommer 2024 bei Benfica unter Vertrag, abermals ausgeliehen wird, überrascht nicht. Am letztmöglichen Tag vor Schliessung des Transferfensters wird Seferovic bis Ende Saison an Celta Vigo verliehen.

Findet Seferovic zu alter Stärke?

Sein neuer Arbeitgeber befindet sich in einer misslichen Lage, ist im 16. Rang klassiert und hat gerade mal einen Punkt Vorsprung auf den ersten von drei Abstiegsplätzen. In 19 Spielen hat Celta Vigo gerade mal 18 Tore erzielt. Es ist also klar, was man sich von Seferovic erhofft: Tore. So wie er sie bei Benfica in zwei von vier Spielzeiten reihenweise erzielte.

Für Seferovic ist Celta schon der 10. Klub, für den er als Profi auflaufen wird. Und der Wechsel in die Region Galicien ist auch eine Art Rückkehr, spielte er doch in der Saison 2013/14 für Real Sociedad. Wettbewerbsübergreifend lief er 40 Mal für den damals in der Champions League vertretenen Verein auf, erzielte dabei aber nur vier Treffer und bereitete zwei vor. Eine solche Ausbeute würde Celta Vigo kaum weiterhelfen.

Doch wenn man Seferovics Karriere betrachtet, dann stellt man fest, dass er es immer wieder geschafft hat, nach Tiefschlägen aufzustehen und zu neuen Höhenflügen anzusetzen. Auch dieses Mal? Am 22. Februar wird Seferovic 31. Viel Zeit, seiner Karriere noch einmal neuen Schwung zu verleihen, bleibt da womöglich nicht. Aber wenn es einer packen kann, dann Seferovic. Wie sagte seine Frau, inzwischen zweifache Mama, so schön: «Du bist das beste Beispiel dafür, dass es sich in schwierigen Zeiten lohnt, zu kämpfen.»

Celta Vigo spielt am Samstag auswärts gegen Betis Sevilla (blue Sport überträgt die Partie ab 20:45 Uhr live).

LaLiga – Spiele und Tabelle