Degradierung in Lyon Shaqiri droht das Nati-Aus

Von Tobias Benz

2.12.2021

Stirnrunzeln beim «Zauberwürfel» – auch in Lyon ist Shaqiri nur noch zweite Garde.
Stirnrunzeln beim «Zauberwürfel» – auch in Lyon ist Shaqiri nur noch zweite Garde.
Bild: Getty

Xherdan Shaqiri und die Ersatzbank: Für Schweizer Fussballfans ein viel zu vertrautes Bild. Nach drei Monaten ist es auch in Lyon Realität. Der Nati-Star muss sogar um seinen Platz in der Nati fürchten. Ein Kommentar.

Von Tobias Benz

2.12.2021

Dreifachwechsel bei Olympique Lyon in der 67. Minute. Nur Sekunden nach dem 1:1-Ausgleich gegen Reims geht Lyon-Trainer Peter Bosz am späten Mittwochabend volles Risiko und schickt gleich drei neue Akteure aufs Feld. Xherdan Shaqiri gehört nicht dazu. Der Schweizer bleibt auf der Ersatzbank zurück, und das ändert sich auch in der Schlussphase nicht. Obwohl Lyon weiterhin einen Treffer braucht, um den so wichtigen Dreier einzustreichen, schmort der «Alpen-Messi» auf einem Sitzkissen am Spielfeldrand. Bis zum Schlusspfiff.

Die Quittung gibt’s in der dritten Nachspielminute, als Hugo Ekitike zum 1:2 für Reims einschiebt. Interessanterweise lässt Bosz bis zum Ende zwei Wechselmöglichkeiten ungenutzt. Shaqiri scheint in den Plänen des Lyon-Trainers keine Rolle mehr zu spielen.

Trainingsfaulheit – ist da doch mehr dran?

Noch darf der 30-Jährige natürlich nicht komplett abgeschrieben werden, aber einen so rasanten Abstieg in die Zweitrangigkeit beim französischen Erstligisten hätten nach dem grossen Transfer im Sommer nicht einmal seine grössten Kritiker an die Wand gemalt. Wie konnte es also dazu kommen?

Ein erstes Mal stutzig macht eine Meldung kurz nach seinem Wechsel Ende August. «Es hätte keinen Sinn gemacht, jetzt mit ihm zu spielen», sagt Nati-Trainer Murat Yakin damals. Shaqiri hat Trainingsrückstand und wird vor den WM-Quali-Spielen gegen Italien und Nordirland prompt nach Hause geschickt.

Wie kann es sein, dass ein Spieler, der während dreier Jahre bei Liverpool Teil der vielleicht fittesten Mannschaft Europas war, zwei ganze Monate nach den EM-Strapazen der Schweizer Nati einen Trainingsrückstand aufweist? Gerade zu einer Zeit, in der er einen neuen Arbeitgeber sucht und dementsprechend doch eigentlich extra motiviert sein müsste.

Stimmen über Trainingsfaulheit werden wieder lauter. Kritik, die den Angreifer während seiner Karriere schon länger begleitet. Vielleicht doch nicht nur heisse Luft? Shaqiri selbst versichert das Gegenteil: «In Absprache mit Murat Yakin und meinem Verein haben wir entschieden, dass ich nach Lyon zurückkehre, um mich für die nächsten Aufgaben im Verein und auch in der Nati vorzubereiten.»

Xherdan Shaqiri scheint im Training nicht ausschliesslich Pluspunkte zu sammeln.
Xherdan Shaqiri scheint im Training nicht ausschliesslich Pluspunkte zu sammeln.
Bild: Keystone

In Frankreich nimmt Kritik an Shaqiri zu

Das gelingt nicht. In der Folge kommt er bei Lyon zwar regelmässig zum Einsatz, kann dem Spiel aber nicht seinen Stempel aufdrücken. Anfang November warnt die französische «L’Équipe»: «Xherdan Shaqiri hat Schwierigkeiten, sich auf seiner Position als Rechtsaussen in das Spiel von Lyon zu integrieren. Es häufen sich die enttäuschenden Leistungen.»

Bang!

Der buchstabierte Schlag ins Gesicht ist nicht realitätsfern. Shaqiri hat zu dem Zeitpunkt erst zwei Scorerpunkte auf dem Konto. Ein Tor gegen Abstiegskandidat Troyes und einen Assist gegen Strasbourg. Nicht viel für 653 Minuten Einsatzzeit.

In der Folge kommt Shaqiri nur noch am 4. November beim 3:0-Sieg über Sparta Prag in der Europa League zum Einsatz. Danach steht er keine Minute mehr auf dem Platz. Schuld daran sind nebst fehlenden Leistungen aber auch noch andere Faktoren.

Lyon – Sparta Prag 3:0

Lyon – Sparta Prag 3:0

Xherdan Shaqiri und Olympique Lyon bezwingen Sparta Prag zu Hause mit 3:0 und sichern sich so das Weiterkommen in der Europa League. Shaqiri kommt für einmal als Zehner zu Einsatz, bleibt aber ohne Torerfolg.

04.11.2021

Le numéro dix

Als Erstes wäre da Bosz’ 4-2-3-1-System. Auf Shaqiris Parade-Position, hinter den Spitzen, kommt fast ausnahmslos Lyons Star-Spieler Houssem Aouar zum Zug. Der Franzose hat bei Klub-Boss Jean-Michel Aulas einen Stein im Brett. Der heiss begehrte französische Nationalspieler hält dem Verein trotz etlicher Angebote seit Jahren die Treue. Sein Platz im Team gilt als unumstritten.

Shaqiri kommt lediglich bei eben genanntem Spiel gegen Prag auf der 10 zum Einsatz. Zwar zeigt der Schweizer eine starke Partie und führt Lyon zu einem 3:0-Erfolg, die nackten Zahlen liefert er aber auch im zentral offensiven Mittelfeld nicht ab.

Im Schatten von Lyon-Juwel Houssem Aouar: Xherdan Shaqiri (hinten).
Im Schatten von Lyon-Juwel Houssem Aouar: Xherdan Shaqiri (hinten).
Bild: Getty

Hinzu kommt, dass ihm auf dem rechten Flügel Shootingstar Lucas Paqueta mittlerweile den Rang abläuft. Mit zehn Scorerpunkten zählt der Brasilianer zu den gefährlichsten Waffen in Bosz’ Arsenal.

Der Zahn der Zeit

Zu guter Letzt darf nicht vergessen werden, dass Lyon unter Präsident Aulas zwar gerne mit PSG um den Meistertitel mitspielen würde, in Tat und Wahrheit aber längst in die Position eines Ausbildungsvereins gerückt ist.

Über die letzten fünf Jahre verkauften «Les Gones» Spieler für die Gesamtsumme von 465 Millionen Euro. Das sind Topwerte unter den europäischen Spitzenklubs. Um dieses Geschäftsmodell erfolgreich fortzusetzen, muss Bosz in erster Linie seinen jungen Spielern eine Plattform bieten.

Mit 30 Jahren und einem stetig sinkenden Marktwert von aktuell noch rund zehn Millionen Euro gehört Shaqiri längst nicht mehr in diese Kategorie. Paqueta (24), Aouar (23), Cherki (18) oder Dembélé (25) sind die Spieler, bei denen Aulas in Zukunft auf eine saftige Ablösesumme hofft. Sie nicht aufzustellen, könnte Bosz den Kopf kosten.

Yakins kompromisslose WM-Drohung

Nichtsdestotrotz erhielt Shaqiri zu Beginn der Saison seine Chance. Sei es nun aufgrund von Trainigsfaulheit, falscher Position oder schlicht Pech: Die Chance blieb ungenutzt. Nun droht die Karriere des Schweizers auf internationalem Topniveau im Eiltempo zu Ende zu gehen. Zumal mögliche Abnehmer nach diesen Leistungen im kommenden Sommer kaum Schlange stehen werden.

Aktuell droht für den «Zauberwürfel» sogar die WM 2022 in Katar in weite Ferne zu rücken. Schliesslich betonte Murat Yakin bereits mehrfach, dass ihm regelmässige Einsatzzeit besonders wichtig sei. «Ich bin Fan vom Leistungsprinzip. Das gilt für alle Spieler», so die drohenden Worte des Nati-Trainers.

Heimspiel vom 18. November: Mit Nati-Coach Murat Yakin

Heimspiel vom 18. November: Mit Nati-Coach Murat Yakin

Murat Yakin ist zu Gast im Heimspiel. Wie tickt der Chef der Schweizer Nationalmannschaft? Was sind seine Stärken, wo hat er Schwächen? Über diese und andere Fragen talkt Stefan Eggli mit Murat Yakin, Rolf Fringer und Fredy Bickel.

18.11.2021