Der Grand Prix von Monaco ist seit jeher ein Unikum. W. Williams als Sieger des ersten internationalen Autorennens im Fürstentum heute vor 91 Jahren ist eine der Besonderheiten.
Diskussionen wird es in diesem Jahr nicht geben. Die Debatten über Sinn und Unsinn des Grand Prix von Monaco werden ausbleiben. Auch der Klassiker im Kleinstaat an der Côte d'Azur muss vor dem Coronavirus kapitulieren. Die heurige Ausgabe, ursprünglich auf den zweitletzten Sonntag im Mai terminiert, ist abgesagt.
Kaum eine Sportveranstaltung polarisiert wie der Grosse Preis von Monaco. Die Bandbreite der Meinungen erstreckt sich vom saisonalen Highlight im Formel-1-Kalender bis hin zum letzten, nicht mehr zeitgemässen Monument der Unvernunft. Die Diskussionen reichen viel weiter zurück als ins Gründungsjahr der Formel-1-Weltmeisterschaft, 1950. Damals, Mitte der Zwanzigerjahre, hatten sich allerdings nicht Puristen und Sicherheitsfanatiker gezankt. Es hatte noch keine Streitereien über die Raserei auf engstem Raum gegeben. Die Fahrt im Zentimeter-Abstand den Leitplanken entlang war noch nicht im Zentrum gestanden. Die fehlenden Auslaufzonen waren noch nicht thematisiert worden.
Antony Noghès als Initiant des ersten internationalen Autorennens in Monte Carlo war mit seinem Ansinnen beim Internationalen Automobilverband auf Widerstand gestossen. Noghès war in Monte Carlo hauptberuflich für die Verwaltung des Monopols für die Beschaffung, die Produktion und den Vertrieb von Tabak verantwortlich. Die dem Elitären zugewandten Herren des Dachverbandes, der 1904 gegründeten Association Internationale des Automobile Clubs Reconnus AIACR, der Vorläuferin der heutigen FIA, wollten den Winzling mit gut 200 Hektaren Fläche nicht als eigenständige Automobil-Nation akzeptieren. Der kleine Ortsverein taugte nicht als Nationaler Automobilclub. Zudem stand Monaco zu sehr im Ruch eines Ortes des ausschweifenden Lebens.
Das Umdenken im Weltverband
Am Sonntag, 14. April 1929, war es dann aber doch so weit. Noghès hatte für sein Projekt grünes Licht erhalten. Der Premiere stand nichts mehr im Weg. Der Wandel in der Grand-Prix-Szene, den mehrere Automobil-Hersteller mit ihrem Rückzug ausgelöst hatten, liess die Chefs des AIACR umdenken. Es war nicht in ihrem Sinn, dass ihre Veranstaltungen zu einem Hort von Privatfahrern wurden. Das mondäne Monte Carlo kam ihnen da gerade recht. Vorurteile wurden fallengelassen. Das Reich der Grimaldis, dieser Flecken des Überflusses und des schönen Scheins, sollte dem Automobilrennsport zu neuem Glanz verhelfen.
16 Fahrer nahmen Aufstellung, nach dem Verzicht auf ein Qualifying aufgereiht in der ausgelosten Reihenfolge. Der Glücklichste bei der Vergabe der Startplätze war der Franzose Philippe Etancelin. Die Geschichte des Rennens schrieb aber William Charles Frederick Grover, ein Franzose, der unter dem Pseudonym W. Williams antrat, um seine sportlichen Aktivitäten vor seiner Familie geheimzuhalten.
Der von Platz 5 losgefahrene W. Williams machte sich die Vorteile des Bugatti zunutze. Das Auto des Typs 35 B, dessen Acht-Zylinder-Motor stattliche 140 PS leistete, war den Modellen der Konkurrenz dank Leichtbau überlegen. Firmengründer Ettore Bugatti hatte die Gewichtsoptimierung neben der Leistung als zweiten wichtigen Aspekt in die Konstruktion des Wagens einfliessen lassen. Karosserie, Räder sowie Motor- und Getriebegehäuse waren aus Aluminium gefertigt. Die dank Speichenrädern ausreichende Kühlung der Trommelbremsen und die in der Mitte hohle Vorderachse, die das Handlung des Auto spürbar verbesserte, waren weitere technische Finessen am 35 B.
W. Williams übernahm schnell einmal die Führung. Die Spitzenposition büsste er nach 49 der 100 Runden wegen eines Boxenstopps zwar ein, holte sie sich trotz der damals schon kaum vorhandenen Überholmöglichkeiten aber zurück und gewann nach 318 Kilometern vor seinem rumänischen Markenkollegen Georges Bouriano und dem Deutschen Rudolf Caracciola im Mercedes SSK. Grover drehte mit zwei Minuten und 15 Sekunden auch die schnellste Runde. Die Durchschnittsgeschwindigkeit von 84,8 Stundenkilometern war für die damalige Zeit ein aussergewöhnlicher Wert.
Der Spion Grover
Grover kam im Januar 1903 in der Nähe von Paris zur Welt. Nach zeitweiligem Umzug nach England und Monte Carlo kehrte er in die französische Hauptstadt zurück, setzte sich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs und nach der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht aber erneut nach England ab. Im Vereinigten Königreich wurde er dank seiner Zweisprachigkeit in eine Spezialeinheit berufen, in der er am Aufbau einer Spionagezelle in Paris mitwirkte.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte Grover nicht mehr. Im August 1943 wurde er vom deutschen Sicherheitsdienst festgenommen. Die Verhaftung kam einem Todesurteil gleich. Über Berlin wurde er ins nördlich der Stadt gelegene Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt, wo er 18. März 1945 im Alter von 42 Jahren hingerichtet wurde.