Daniel Ricciardo wurde einst als künftiger Formel-1-Champion gehandelt. Der Australier spekuliert im letzten Sommer mit einem Wechsel zu einem Topteam und landet stattdessen bei Renault.
Rückblende. Vor gut einem Jahr steht Daniel Ricciardo im Fürstentum Monaco auf dem Siegerpodest. Die Frohnatur aus Perth gönnt sich einen kräftigen Schluck Champagner aus seinem Schuh – eine australische Tradition, die sich «Shoey» nennt. Er freut sich über den 7. Grand-Prix-Sieg seiner Karriere, den zweiten im sechsten Saisonrennen. Seine Aussichten sind gut. Hinter den beiden Dominatoren Lewis Hamilton und Sebastian Vettel belegt Ricciardo in der Fahrer-Wertung den 3. Rang. Sowohl Valtteri Bottas im Mercedes und Kimi Räikkönen im Ferrari wie auch seinen Teamkollegen Max Verstappen hält er in Schach.
Ricciardo macht sich berechtigte Hoffnungen auf den nächsten Karriere-Schritt. Gerüchte über einen Wechsel zu Mercedes oder Ferrari dementiert er nicht, warum auch, im Vertragspoker mit seinem Arbeitgeber Red Bull schaden solche Spekulationen nicht. Dem 29-Jährigen missfällt offensichtlich, dass er bei den Bullen lohntechnisch deutlich hinter seinem acht Jahre jüngeren Teamkollegen Max Verstappen anstehen muss. Das sollte sich seiner Ansicht nach ändern.
Im August dann die grosse Überraschung. Ricciardo kündigt an, Red Bull nach fünf Jahren zum Ende der Saison zu verlassen. Er wechselt zu Renault. Seine Hoffnungen auf ein Cockpit bei Mercedes oder Ferrari hatten sich zerschlagen. Bei den Silberpfeilen hielt man trotz durchzogener Saison an Bottas fest, die Roten aus Maranello setzen auf Charles Leclerc und damit auf einen jungen Fahrer aus der eigenen Talentschmiede.
Es sei einer seiner schwierigsten Entscheide gewesen, die er in seiner bisherigen Karriere zu treffen hatte, wurde Ricciardo damals in einem Communiqué von Renault zitiert. «Aber ich dachte, dass es Zeit war für eine neue Herausforderung.» Die Saison 2018 beendet er als WM-Sechster deutlich hinter Räikkönen, Verstappen und Bottas.
Drei Ausfälle in vier Rennen
Bei seinem neuen Arbeitgeber wird der Australier bislang mehr gefordert, als ihm lieb ist. Der Start in die neue Saison verlief jedenfalls nicht nach Wunsch. Ein 7. Rang beim GP von China war bislang das höchste der Gefühle. In den anderen drei Rennen sah Ricciardo die Zielflagge nicht. Auch sein Teamkollege Nico Hülkenberg, der es ebenfalls nur einmal in die Punkteränge geschafft hat, schied zweimal aus.
Die Standhaftigkeit des Autos lässt derzeit zu wünschen übrig. So belegt Renault in der Konstrukteurs-WM lediglich den 7. Rang, hinter McLaren, Racing Point und Alfa Romeo. Dabei war das Team mit grossen Ambitionen in die Saison gestartet.
Klar, die Abstände im Mittelfeld sind derzeit gering. Zu Platz 4 fehlen Renault bei 17 verbleibenden Saisonrennen nur sechs Punkte. Doch die Franzosen haben höhere Ansprüche an sich selbst. Mittelfristig will sich die Equipe hinter den Topteams Mercedes, Ferrari und Red Bull als viertstärkste Kraft etablieren und wieder Podestplätze einfahren.
Noch klappt es mit dem neuen Auto aber nicht wunschgemäss. Wie viele anderen Teams kämpft auch Renault zu Beginn der neuen Saison mit zahlreichen Problemen. Um eine Trendwende einzuleiten, hilft sicher auch, dass Ricciardo als Frohnatur bekannt ist und die Truppe trotz schwierigem Start bei Laune halten dürfte.
Hoffnungen machen dem Team vor dem Europa-Auftakt in Barcelona auch neue Updates. Ein modifizierter Front- und Heckflügel soll die Aerodynamik des Renault R.S. 19 steigern. Auch die Mechanik wurde optimiert, um die Balance des Autos zu verbessern.
Wunderdinge sind von den Neuerungen aber wohl keine zu erwarten, auch weil die anderen Teams fleissig nachgerüstet haben. Ricciardo geht ausserdem auf dem Circuit de Catalunya in Montmeló, wo vor Saisonbeginn während zwei Wochen fleissig getestet worden ist, mit einem Handicap an den Start. Nach einer von ihm verschuldeten Kollision mit Daniil Kwjat vor zwei Wochen in Baku wird er in der Startaufstellung um drei Plätze zurückversetzt.
Es dürfte also noch eine ganze Weile dauern, bis sich Ricciardo auch im Rennanzug von Renault einen Schluck Champagner aus seinem Schuh gönnen kann.