Bode Miller mag endgültig nicht mehr. Der 40-jährige Amerikaner hat seinen Rücktritt erklärt.
Der Entscheid überrascht nicht gross, zumal Miller als Skirennfahrer längst von der Bildfläche verschwunden ist. Im Weltcup war er letztmals vor dreieinhalb Jahren angetreten; Mitte März 2014 beim Finale in Lenzerheide schied er im Slalom aus.
Ein knappes Jahr später kehrte er an der WM in Beaver Creek noch einmal auf die Rennpiste zurück - ohne zuvor in jenem Winter einen Ernstkampf bestritten zu haben. Die sportliche Derniere endete schmerzhaft und mit einer Verletzung. Miller stürzte im Super-G und zog sich am rechten Unterschenkel eine tiefe Fleischwunde zu. Eine genauere Untersuchung förderte schliesslich eine durchtrennte Muskelsehne zutage.
Spekulationen zuhauf
Spekulationen über den Rücktritt Millers hatte es zuvor schon gegeben, das bittere Ende vor heimischem Publikum befeuerte die Mutmassungen zusätzlich. Miller selber stellte damals den Abschied als Skirennfahrer in den Raum - auch deshalb, weil er sich mit seinem damaligen Ausrüster Head überworfen hatte. "Ich tendiere ziemlich stark in die Richtung, nicht mehr auf die Piste zurückzukehren", sagte er damals. "Ich gehöre nicht zu den Leuten, die einen grossen Abgang oder eine Parade brauchen. Ich werde einfach nicht mehr da sein."
Mit seinem Ansinnen, mit Ski einer anderen Marke anzutreten, stiess Miller bei den Chefs der Vorarlberger Firma Head auf taube Ohren. Sie verwiesen auf den bis 2017 gültigen Vertrag. Millers Absicht war, auf Ski der Marke "Bomber" anzutreten, dem Produkt einer Firma, die nicht einmal der Ausrüster-Vereinigung angehörte, mit der der Amerikaner aber als Teilhaber eng verbandelt war.
"Kein Verlangen mehr"
"Einfach nicht mehr da sein." Miller wählte in der Tat den Abgang durch die Hintertür. Seinen Rücktritt verkündete er im Zuge eines in den sozialen Netzwerken verbreiteten Gesprächs. Den Entschluss habe er schon vor Monaten gefasst, geändert daran habe sich seither nichts. Für den Familienvater hat das Private längst Vorrang. "Wenn ich an meine vier Kinder und mein aktuelles Leben denke, fühle ich keinerlei Motivation. Das Verlangen, als Rennfahrer alles nochmals auf mich zu nehmen, habe ich nicht mehr." Bedauern stellt er ohnehin nicht fest bei sich. "Ich hatte eine so lange Karriere. Ich denke nicht, dass ich etwas vermissen werde."
Miller zieht nicht nur nach einer langen, sondern auch einer höchst erfolgreichen Karriere den Schlussstrich. Er hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Im Weltcup entschied er zweimal, 2005 und 2008, die Gesamtwertung für sich und feierte er 33 Rennsiege. Er gehört ausserdem mit Pirmin Zurbriggen, Marc Girardelli, Günther Mader und Kjetil André Aamodt zum erlesenen Zirkel jener Fahrer, die in allen fünf Disziplinen gewonnen haben. 2010 wurde Miller Olympiasieger in der Super-Kombination, zudem holte er fünf weitere Olympia-Medaillen. Zu seinem Palmares gehören auch vier WM-Titel in vier Disziplinen (Kombination und Riesenslalom 2003 in St. Moritz sowie Super-G und Abfahrt 2005 in Bormio).
Querdenker, Freigeist
Miller geht nicht nur als exzellenter Skifahrer in die Annalen ein. Er, in der Nähe von Franconia, einer Stadt im US-Staat New Hampshire in einem Holzhaus ohne Wasser- und Stromanschluss im Wald am Rande der Zivilisation aufgewachsen, war auch Querdenker und Freigeist. Anders eben als seine Konkurrenten.
Seine abenteuerlich anmutende Kindheit prägte ihn. Miller war unberechenbar. Lieber schwamm er gegen den Strom, als sich in ein Schema pressen zu lassen. Er nahm sich Freiheiten, die sich nicht nur auf seine Arbeit auf der Piste reduzierten und ihn zwischenzeitlich zum Fahrer mit Privatteam machten. Er schreckte auch nicht davor zurück, seine Meinung gradlinig kund zu tun - auch wenn er dafür nicht selten von allen Seiten heftigste Kritiken zu hören bekam. Damals etwa, als er für die Freigabe von Dopingsubstanzen plädierte oder sich mit den Verantwortlichen des Internationalen Skiverbandes FIS anlegte, wenn er mit Veränderungen im Reglement nicht einverstanden war.
Typisch Miller, dass er nach offizialisiertem Rücktritt seine Bilanz nicht auf Siege und Pokale reduziert. "Natürlich habe ich viele Fehler und stupide Dinge gemacht. Gesamthaft betrachtet, habe ich aber alles so gemacht, wie ich es wollte. Das, denke ich, war meine grösste Leistung."
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