Mit seinem Sieg in Adelboden schreibt Daniel Yule Sportgeschichte: Er ist der erste Schweizer, der drei Weltcup-Slaloms gewinnen kann. Das hat ihm vor wenigen Jahren noch kaum jemand zugetraut.
«Als die Zeit im Ziel grün aufleuchtete, war das schon unglaublich», sagt Daniel Yule nach seinem Triumph am Chuenisbergli. Der Walliser, bereits im ersten Lauf der Schnellste, fuhr den Sieg im Adelboden-Slalom nach Hause. Trotz Fehler im Mittelabschnitt, die ihn beinahe den Sieg gekostet hätten. «Am Start sagte ich mir noch: ‹Wenn du jetzt einen Scheiss machst, gib einfach weiter Gas, damit du erhobenen Hauptes weggehen kannst›», so Yule nach seinem Triumph gegenüber «SRF».
Der 26-Jährige rettete schliesslich einen Vorsprung von 23 Hundertstelsekunden auf Henrik Kristoffersen über die Ziellinie und holte für die Schweiz den ersten Slalom-Podestplatz in Adelboden seit Marc Berthod im Jahr 2007. Der Romand schreibt gleich mehrfach Geschichte: Er wird mit diesem Sieg auch zum ersten Schweizer, der drei Weltcup-Slaloms gewinnen kann. Den Zweiten holte er sich erst vor wenigen Tagen in Madonna di Campiglio, wo er 2018 schon seinen ersten Sieg feiern konnte.
Yule sagt, er hätte sich das in jungen Jahren niemals zu träumen gewagt. Denn er war kein aussergewöhnliches Talent, dem man eine grosse Karriere prophezeite. «Als ich Daniel erstmals auf Ski gesehen habe, war ich mir ziemlich sicher, dass der im Weltcup nie eine echte Chance haben wird», gibt sein heutiger Coach Matteo Joris zu. Auch seine erste Trainerin erinnert sich bei «SRF»: «Ich habe in ihm damals keinen Champion wie Pirmin Zurbriggen gesehen.»
Einsatz für Klimaschutz und Angriff auf FIS-Präsident
Und auch die Eltern hatten keine allzu grossen Hoffnungen. Womöglich, weil der Skisport in ihrer Heimat überhaupt keine Rolle spielt. Denn Yules Vater Andre ist Engländer, die Mutter kommt aus Schottland. Sohn Daniel hat erst seit zwölf Jahren den Schweizer Pass. «Mein Vater wollte, dass ich mich vor allem auf die Schule konzentriere, da er glaubte, dass ich mein Geld nicht mit den Beinen, sondern mit dem Kopf verdienen müsse», erinnert sich der Adelboden-Sieger im «Sportpanorama».
Vielleicht auch deshalb ist Daniel Yule ein Ski-Star, der mehrgleisig fährt. Während er sich Stück für Stück zu einem der besten Slalom-Fahrer hocharbeitete, absolvierte er ein Wirtschaftsstudium. Vor einem Jahr gründete er eine Skischule in China. Yule ist einer, der über den Tellerrand hinausblickt. So macht er auch immer wieder auf den Klimawandel aufmerksam. 2019 gab er bekannt, dass er die Hälfte seiner Preisgelder der beiden Rennen in Kranjska Gora und Soldeu einer Organisation, die sich für den Klimaschutz einsetzt, spenden werde.
Er hatte auch den Mut, FIS-Präsident Gian Franco Kasper für dessen umstrittene Aussagen zum Klimawandel zu kritisieren: «Es ist ein Beleg dafür, wie weit sich Herr Kasper von unserem Sport entfernt hat», sagte Yule, der seit Juni 2019 als Athletensprecher der FIS amtet, vor einigen Monaten. «Wenn er uns auch nur einmal beim Schnee-Training im Sommer besuchen würde, dann würde auch er erkennen, wie stark unsere Gletscher zurückgehen und wie stark die Zukunft des Skisports deshalb gefährdet ist.»
«Ich weiss, dass ich kein Vorbild bin»
Als Skifahrer, der das ganze Jahr um den Globus fliegt, ist Yule aber auch nicht wirklich ein Vorbild, was den Klimaschutz anbelangt. Das weiss der Walliser aber auch. «Ich bezeichne mich auch nicht als Vorbild», sagt er. «Aber ich habe diese Plattform in der Öffentlichkeit und wenn ich so auf die Sachen aufmerksam machen kann, ist das für mich schon ein Erfolg.»
Am 20. Januar 2012 gab Yule in Kitzbühel sein Weltcup-Debüt. Damals glaubte noch niemand – nicht einmal er selbst – an einen Höhenflug, wie Yule ihn derzeit erlebt. Mit seinem unbändigen Willen und grosser Leidenschaft hat er es geschafft, über mögliches fehlendes Talent hinwegzutäuschen und einer der besten Slalom-Fahrer der Welt zu werden – vielleicht sogar der Beste, den dieses Land je gesehen hat.
Am nächsten Sonntag kann der 26-Jährige dieser These noch mehr Gewicht geben. Denn in Wengen bietet sich Yule die Chance auf den dritten Slalom-Sieg in Serie. Sollte der Schweizer tatsächlich wieder gewinnen und den Hattrick schaffen, würde sein Kapitel in den Schweizer Geschichtsbüchern um ein paar Sätze reicher werden.