Hockey-TurnierDie Auferstehung der grossen roten Hockey-Maschine
SDA
14.2.2018 - 06:03
Es ist wie bei Harry Potter und dem bösen Lord Voldemort, dessen Name nicht genannt werden darf. Bei Olympia sind die Russen die Bösen: Russland, das Land, dessen Name nicht genannt werden darf.
Fünf Tage nach der Eröffnungsfeier in Pyeongchang eröffnet das «Team OAR», das «Team der Olympischen Athleten aus Russland», heute gegen die Slowakei das Eishockeyturnier der Männer.
Die Russen halten sich strikt an die Regeln. Das Beispiel lieferte am Montag Sergej Schirokow. 23 der 25 gemeldeten Russen spielen entweder für St. Petersburg (15) oder ZSKA Moskau (8), die mit Abstand stärksten Teams der Kontinental Hockey League. Als Schirokow auf die Rivalität zwischen den Akteuren aus St. Petersburg und Moskau angesprochen wurde, gab er sich alle Mühe, das Wort, das nicht genannt werden darf, zu vermeiden: «Hier spielen nicht SKA (St. Petersburg) oder ZSKA. Ihr wisst selber, wer hier spielt. Ich darf das Wort nicht sagen. Aber wir sind innerhalb des Teams eine grosse Familie und haben alle das gleiche Ziel – für uns selber wie für unser Land.»
Fasel nimmt Russen in Schutz
Die Russen dürfen vieles nicht. Der Verhaltenskodex des IOC beinhaltet sieben Punkte. Jegliche russische Kleidung ist verboten. Auch die sozialen Medien werden kontrolliert. Private Siegesfeiern mit russischen Fahnen darf es keine geben. Eine russische Flagge darf einzig im persönlichen Schlafzimmer aufgehängt werden.
René Fasel (68), der Schweizer Präsident des Internationalen Eishockeyverbandes und IOC-Mitglied seit 1995, interpretiert für sich die Regeln weniger streng. Ob im Dezember in Davos am Spengler Cup oder jetzt in Pyeongchang: Fasel nennt das Kind beim Namen. Er nahm innerhalb des IOC eine pro-russische Haltung ein, vermochte aber nicht zu verhindern, dass an Russland ein Exempel statuiert wurde. Fasel: «Dass man jetzt so tut, als ob tausend Athleten in den Dopingskandal involviert gewesen sind, ist masslose Übertreibung. Etwas mehr als 40 Athleten wurden nachträglich bestraft, wobei die Beweislage schwierig war. Alt Bundesrat Samuel Schmid, der den Fall für das IOC untersuchte, konnte nicht einmal mit dem Kronzeugen sprechen. Ich frage: 'Warum kann ein Team, das nachweislich nicht in den Betrug involviert gewesen ist, nicht unter dem Namen Russland antreten?'»
«Wir wollen die Goldmedaille holen»
Die russischen Eishockeyaner schlagen sich mit derartigen Gedanken nicht mehr herum. Sie fühlen sich wohl in der Favoritenrolle. Die KHL unterbrach den Meisterschaftsbetrieb fast zwei Wochen vor der Schweizer National League. Die Russen sind in Form und gut vorbereitet. Am Samstag deklassierten sie im letzten Testspiel Südkorea 8:1. Im Dezember hatten sie sich gegen die Koreaner noch schwer getan. «Wir sehen uns als rote Maschine», sagt Nikita Nesterow, «und wir spielen russisches Hockey».
«The big red machine» – die grosse rote russische Hockey-Maschine soll also auferstehen. So wurde einst die Nationalmannschaft der Sowjetunion bezeichnet, die bis zum Kollaps der UdSSR vor 27 Jahren an Winterspielen neun Medaillen in Serie gewann, davon sieben goldene. Als «Team GUS» (Gemeinschaft unabhängiger Staaten) gewann die ehemalige Sowjetunion 1992 noch einmal Gold. Seit Nagano 1998 und der Teilnahme der NHL-Profis holte Russland aber bloss noch zwei Medaillen: Silber 1998 und Bronze 2002.
«Wir wollen die Goldmedaille holen», sagt Assistenztrainer Harijs Witolinsch, der von 1992 bis 2006 in der Schweiz für Chur, Rapperswil-Jona, Thurgau, Ambri und Langnau spielte. «Aber die anderen wollen das auch. Und gegen die Russen werden alle doppelt motiviert sein. Vorerst ist wichtig, dass uns am Mittwoch gegen die Slowakei der Start ins Turnier gelingt.»