Marco Büchels Saison-Prognose «Er hat das Zeug, um aus dem Schatten von Odermatt zu treten»

Von Sandro Zappella und Manuel Rupp, Sölden

28.10.2023

Marco Büchel: «Keine Mannschaft kann der Schweiz das Wasser reichen»

Marco Büchel: «Keine Mannschaft kann der Schweiz das Wasser reichen»

Marco Büchel fuhr fast zwanzig Jahre an der Weltspitze mit im Ski-Zirkus. Der Liechtensteiner gab vor dem Saisonstart in Sölden ein exklusives Interview für blue Sport.

27.10.2023

Marco Büchel fuhr fast zwanzig Jahre an der Weltspitze mit im Ski-Zirkus. Der Liechtensteiner gab vor dem Saisonstart in Sölden ein exklusives Interview für blue Sport.

Von Sandro Zappella und Manuel Rupp, Sölden

28.10.2023

Marco Büchel, wird die Schweiz den Nationencup wieder dominieren können in der neuen Saison?

Absolut, ja. Ich sehe momentan weltweit keine Mannschaft, die in der Breite, also Männer wie Frauen in allen Disziplinen die Qualität haben wie die Schweizer Mannschaft. Dazu haben wir einen Superstar – Marco Odermatt. Seine Punkte hat man letztes Jahr nicht einmal gebraucht, um den Nationencup zu gewinnen. Darum glaube ich, dass es keine Mannschaft gibt, die der Schweiz das Wasser reichen kann.

Wer siehst du neben Marco Odermatt als den grössten Schweizer Trumpf?

Loïc Meillard – er ist für mich der grösste Trumpf. Er hat das Zeug, um aus dem Schatten von Odermatt zu treten. Viele Leute behaupten, er sei ein Rohdiamant. Er ist viel weiter als ein Rohdiamant. Er hat das Zeug, um in drei Disziplinen auf das Podest zu fahren. Auf ihn schaue ich ganz explizit diesen Winter.

Würdest du sagen, dass Meillard gar derjenige ist, der Marco Odermatt am ehesten herausfordern kann im Gesamtweltcup?

Ich wurde die letzten Tage schon öfter gefragt, wer kann es? Ist es wieder Kilde? Ist es wieder Kristoffersen? Odermatt macht in drei Disziplinen viele Punkte, sprich fährt aufs Podest. Das ist das, was gefordert ist. Kilde hat zwei Disziplinen, plus im Riesenslalom macht er ein paar Punkte. Kristoffersen hat zwei Disziplinen und macht vielleicht noch im Super-G irgendwo mal einen Punkt, aber das reicht nicht. Odermatt hat die Qualität, in drei Disziplinen die grossen Punkte zu machen. Und das hat Meillard auch. Ich bin aber noch gespannt auf Marco Schwarz – er hat insgesamt sogar vier Disziplinen. Schwarz macht zwar in den schnellen Disziplinen nicht die grossen Punkte, aber das kann noch werden – und dann wird es interessant.

Gewinner unter sich: Marco Odermatt (rechts) und Loïc Meillard
Gewinner unter sich: Marco Odermatt (rechts) und Loïc Meillard
KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Ist das nicht der grosse Vorteil von Marco Odermatt, dass er mit dem Slalom die Disziplinen nicht fährt, welche am ausgeglichensten ist?

Ja, das kann man schon so sagen. Für mich sind die Rollen eigentlich verteilt. Die drei Disziplinen Riesenslalom, Super-G und Abfahrt, die sind verwandt, die gehören zusammen. Slalom ist etwas anderes und diesbezüglich bewundere ich übrigens Loïc Meillard ganz extrem, weil er hat den Slalom plus Riesenslalom und Super-G, die irgendwie zusammengehören. Meillard hat eine Chamäleon-Fähigkeit, wo er schnell wechseln kann zwischen grundlegend unterschiedlichen Disziplinen – das ist enorm stark.

Das Pendant von Marco Odermatt bei den Frauen ist Mikaela Shiffrin. Siehst du dort eine andere Frau, die sie im Gesamtweltcup herausfordern könnte?

Kürzlich wurde ich gefragt, mit wie vielen Punkten Vorsprung sie den Gesamtweltcup gewinnt. Die Frage ist gar nicht, ob sie ihn gewinnt. Sie hat im Gegensatz zu der Männerseite vier Disziplinen, wo sie grosse Punkte einfahren kann. Also vom Slalom bis zur Abfahrt. Und da gibt es niemanden, der ihr auf dem Papier das Wasser reichen kann. Vlhova fährt vielleicht auch vier Disziplinen, punktet aber nicht so gross wie sie. Aus Schweizer Sicht schaue ich eher auf den Disziplinen-Weltcup – da haben wir ein paar Eisen im Feuer. Mit Wendy (Holdener) im Slalom, Lara (Gut-behrami) im Super-G, mit Corinne (Suter) in der Abfahrt. Das sind Kugeln, die locker in die Schweiz gehen können.

Siehst du irgendwelche junge ausländische Fahrer, die in der nächsten Saison den grossen Durchbruch schaffen könnten?

Ich erwähne bei den Männern in letzter Zeit ziemlich oft einen Namen – Alexander Steen Olsen. Der Norweger hat letztes Winter mit einem Sieg im Palisades Tahoe sein Potenzial das erste Mal aufgezeigt, als er nach der Disqualifikation von AJ Ginnis den Sieg erbte. Bei der Frauen muss man Lara Colturi beobachten, wie sie nach dem Kreuzbandriss drauf ist, aber sie ist schon das überfliegende Talent. 

Der junge Norweger Alexander Steen Olsen fbegeistert Büchel.
Der junge Norweger Alexander Steen Olsen fbegeistert Büchel.
KEYSTONE/AP/John Locher

Es wurde in letzter Zeit wieder oft über den frühen Saisonstart gesprochen, sprich der Beginn im Oktober sei zu früh. Was denkst du dazu?

Die Diskussion haben wir schon vor 20 Jahren geführt. Früher wollte ich den Saisonstart schlicht aus egoistischen Gründen in den November legen – ich war Riesenslalomfahrer und fand, im November wäre ich besser bereit, weil ich noch zwei bis drei zusätzliche Wochen brauche. Heutzutage verstehe ich, dass man die Industrie auch berücksichtigen muss, weil sie nachher mehr Produkte verkaufen kann. Die Frage ist halt, wenn im Flachland irgendwo noch in kurzen Hose Rasen gemäht wird, wie stark das erste Weltcup-Rennen noch verfängt. Ich persönlich finde, Anfang November wäre der ideale Zeitpunkt, der allen gerecht wird.

Aber den Ski-Kalender länger zu machen ist ja auch schwierig, weil man dann einfach Frühlingsschnee hat – im April hat es vielleicht fast nur noch Matsch ...

In Theorie klingt das schön, wenn man hinten raus das Ganze verlängert. In der Praxis geht das nicht, die Einschaltquote ist ab Mitte Februar vorbei, sprich es geht stark abwärts. Das bedeutet auch, dass die Sponsoren nicht mehr viel Interesse haben. Das Interessante ist: Im Dezember will man Ski fahren. Und dann will man im Frühling aufs Velo oder Golf spielen. Das ist der natürliche Zyklus. Die Weltcuprennen im März sind schön, die Athleten finden es cool, Schnee hat es mehr als im November und Dezember, aber das Interesse ist nicht mehr da. Es ist marktorientiert, dass man die Rennsaison im November bis Mitte März dehnt – das reicht dann auch.

Vielleicht muss man eine Teamkombi machen –  mit Ski und Golf ...

Da gibt es schon Wettkämpfe. Ski und Velo wäre natürlich auch möglich. Da gibt es genug Sportler im Ski alpin, die golfen oder Velo fahren oder beides. Also von dem her wäre eine Kombination noch spannend.

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