Ski alpin Lindsey Vonn: «Wenn alle Top-Athleten verletzt sind, ist der Sport kaputt»

lbe

28.1.2021

Sieht für den Skisport mehrere Herausforderungen: Lindsey Vonn.
Sieht für den Skisport mehrere Herausforderungen: Lindsey Vonn.
Bild: Keystone

Im einem Interview spricht Lindsey Vonn über die zukünftigen Herausforderungen des alpinen Skisports. Die Amerikanerin sieht in mehrerer Hinsicht Handlungsbedarf – und appelliert an die FIS.

Wie sie in einem «Zoom»-Interview mit «Der Standard» betont, macht sich die zurückgetretene Lindsey Vonn Sorgen um die Zukunft des alpinen Skisports. Zwar habe der Skizirkus während der Corona-Pandemie im Vergleich zu anderen Sportarten noch Glück im Unglück: «Für mich zählt das Skifahren zu den sichersten Sportarten während der Pandemie, weil es im Freien ist», sagt sie. Und dennoch sieht die Amerikanerin gleich mehrere zukünftige Herausforderungen.

Die erste betrifft die Vermarktung des Skisports. «Es fehlen grosse Stars, zumindest bei den Männern. Hirscher, Svindal und Miller sind weg. Es gibt viele unterschiedliche Sieger. Der Skisport muss besser vermarket werden», erklärt Vonn und bemängelt auch die fehlende Ansprache der Jugend: «Ich vermisse Innovation und den Austausch mit Fans. In den USA gibt es deshalb weniger Leute, die den Sport ausüben.» Auch das Interesse, den Weltcup zu verfolgen, sei überschaubar.

Vonn: «Selbst ich konnte mir die Karriere kaum leisten»

Problematisch sieht Vonn zudem die steigenden Kosten zur Betreibung dieser Sportart. «Meine Eltern sind beide Rechtsanwälte, und selbst ich konnte mir die Karriere kaum leisten. Der Trend zeigt, dass Nachwuchsläufer auf eine Ausbildung an einer Ski-Akademie verzichten. Stattdessen beschäftigen sie Individualtrainer. Viele Kinder betreiben denselben Aufwand, werden aber vom finanziellen Nachteil erdrückt», bemängelt die 36-Jährige. Ganz ähnliche Bedenken äusserte dieser Tage auch Felix Neureuter.



Das bringe schlussendlich weniger Leute zum Skisport. Mit der «Lindsey Vonn Foundation» will sie dieser Entwicklung entgegenwirken: «Es gibt Programme, die Kinder von Schulen auf die Berge bringen und Ausrüstung zur Verfügung stellen.»

Als weitere Schwierigkeit komme hinzu, dass die Austragung von Weltcup-Skirennen ebenfalls stets aufwendiger werde. Auch diesbezüglich hat Vonn bereits eine Idee: «Man könnte die Anzahl der Weltcuporte reduzieren, um Kosten zu senken. Und Frauen sollten unbedingt öfter gemeinsam mit Männern fahren. Dann steigen auch die Zuschauerzahlen», ist sie überzeugt.

Mehr Verletzungen als Folge der schlechten Vorbereitung

Gestiegen sind in der laufenden Weltcup-Saison auch die Verletzungen, für Vonn allerdings nicht überraschend. «Das war vorhersehbar. Die Saisonvorbereitung war eingeschränkt, Trainingscamps in Südamerika und Neuseeland wurden abgesagt. Sich ausschliesslich auf Gletschern auf eine Kitzbühel-Abfahrt vorzubereiten, birgt Gefahren», sagt sie.

Vonn weiss, wovon sie spricht. Bereits mit 34 Jahren muss sie ihre erfolgreiche Karriere wegen körperlicher Probleme beenden. «Ich bin mental auch heute noch bereit, Rennen zu gewinnen. Der Körper spielt nicht mit, das ist enttäuschend. Ich hätte gerne Stenmarks Rekord von 86 Weltcupsiegen geknackt», bedauert die zweifache Weltmeisterin noch heute.

Zumal sie nach wie vor der Meinung ist, die schwere Knieverletzung bei der WM in Schladming 2013 wäre vermeidbar gewesen. «Das Rennen wurde weit in den Nachmittag hinein verschoben. Die Verhältnisse waren inakzeptabel», erinnert sie sich. Sie äussert zwar Verständnis, appelliert aber: «Der internationale Skiverband ist häufig im Zwiespalt, weil er Rennen durchbringen muss. Wenn aber alle Top-Athleten verletzt sind, ist der Sport kaputt. Die Sicherheit der Fahrer muss Priorität haben.»

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