Urs Näpflin steht seit neun Jahren als OK-Präsident den Lauberhornrennen in Wengen vor. Der 63-Jährige rechnet wegen des Wetters mit einer schwierigen Rennwoche im Berner Oberland.
Urs Näpflin spricht im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über die klimatischen Herausforderungen, die alljährlich wiederkehrende Ungewissheit im Vorfeld des Grossanlasses, das verbesserte Verhältnis zu Swiss-Ski und den unmittelbar bevorstehenden Rücktritt des dreifachen Lauberhorn-Siegers Beat Feuz.
Zugleich verrät der Wengener Näpflin, der seit langem in Zimmerwald im bernischen Mittelland lebt, zu welchem Zeitpunkt er selber spätestens von seinem Posten zurücktreten wird.
Urs Näpflin, Wengen ist auf fast 1300 Meter über Meer gelegen und war über Weihnachten und Neujahr fast gänzlich grün. Wie weh tun Ihnen solche Bilder?
Wir sind uns hier einiges gewohnt. Wir hatten auch früher immer wieder Wärmeeinbrüche mit Regentagen. Ich erinnere mich an eine Austragung vor fünfzehn Jahren, als uns zwei Tage Regen fast 20 Zentimeter Schnee weggefressen haben.
Aber ...
... neu für uns ist, dass es eine solch langanhaltende Periode mit so extremen Temperaturen und so viel Regen gibt. Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals so lange so warm war. Und es ist leider auch für diese Woche nicht mit einer deutlichen Abkühlung zu rechnen. Von dem her muss ich klar sagen: Dies alles ist nicht schön anzuschauen. Die ganze Entwicklung um das Klima wird uns zunehmend beschäftigen.
Die Touristen mussten in den letzten Tagen, um nach Wengen ins Dorf zu gelangen, an mehreren Stellen die Ski ausziehen. Wie sieht es denn auf der Rennpiste aus?
Erstaunlich gut. Wir konnten im Dezember an zehn Tagen bei idealen Temperaturen und wenig Luftfeuchtigkeit perfekt beschneien. Nur deshalb sind wir jetzt bezüglich Schnee in einer solch komfortablen Lage und war die diesjährige Austragung nicht infrage gestellt.
Mehr Sorgen als die Schneesituation muss Ihnen aber die Wetterlage bereiten.
Es sieht nach sehr unbeständigem Wetter aus, es kann auf beide Seiten kippen. Wichtig ist zuerst einmal, dass wir eines der drei Trainings durchbringen. Ab dann befinden wir uns im Rennmodus und wir schauen von Tag zu Tag.
Sie sind vor neun Jahren als neuer OK-Präsident mit dem Anspruch angetreten, mit den Lauberhornrennen ein Klassiker, aber keineswegs ein Dinosaurier sein zu wollen. Wie gut ist Ihnen das gelungen?
Es geht ja nicht nur um mich. Ich stehe als Präsident einem sehr guten und homogenen OK vor, dessen Mitglieder in ihrem jeweiligen Fachbereich eine hohe Kompetenz aufweisen. Alle Entscheide werden untereinander gut vorbesprochen. Wir wollen den Sport im Zentrum behalten. Es ist ein Klassiker mit einer grossen Geschichte, die zu diesem Anlass gehört und für ihn wichtig ist. Trotzdem können wir natürlich nicht einfach stehenbleiben.
Sie sprachen zum Beispiel nach Ihrem Antritt davon, die finanzielle Abstützung zu vergrössern.
Das ist uns gelungen. Zugegeben nach einigen Diskussionen mit Swiss-Ski. Aber mittlerweile ist alles bereinigt und erledigt. Wir sind nun so aufgestellt, dass wir auch mal ein schwieriges Jahr überleben könnten.
Und sonst?
Zum Anlass gehören neben dem Sport auch das Rahmenprogramm und gewisse Arrangements für Sponsoren und VIP. Die Entwicklung in diesem Bereich ist uns wirklich sehr gut gelungen. Zudem: Auf der und um die Strecke hat die Sicherheit für die Fahrer, Helfer und Zuschauer höchste Priorität. Es darf keine Situationen geben, in welchen jemand – sei es aus Gründen der Tradition oder weil man mehr Spektakel möchte – gefährdet wird.
In Ihrer Zeit als OK-Präsident haben Sie von der perfekten Rennwoche bis zur kompletten Absage schon alles erlebt. Wie gehen Sie mit dieser Ungewissheit für einen fast Neun-Millionen-Anlass um?
Sie gehört halt einfach dazu. Vom orkanartigen Wind, der Anfang Woche das VIP-Zelt zerlegt (2018), über eineinhalb Meter Neuschnee in der Rennwoche und abgesagter Abfahrt (2017), bis hin zu letztem Jahr, als wir bei stahlblauem Himmel vier Rennen hatten und bei jedem stand mindestens ein Schweizer auf dem Podest – wir sind uns gewohnt, dass kein Jahr wie das andere ist und dass uns immer wieder neue Herausforderungen bevorstehen.
Wie gross ist der Rückhalt, den Sie als Organisator von Seiten Swiss-Ski und FIS erhalten?
Mit Swiss-Ski haben wir uns am Ende aussergerichtlich geeinigt. Es waren gewisse Eingeständnisse nötig, doch es wurde eine gute Lösung erreicht und wir arbeiten einvernehmlich zusammen. Im Bereich Marketing ist unser Ertrag gestiegen. Ich kann wirklich sagen: Das Verhältnis zwischen Swiss-Ski und uns ist sehr gut.
Und mit der FIS nach dem Wechsel an der Spitze von Gian Franco Kasper zu Johan Eliasch?
Wie die Situation beim Weltverband im Detail aussieht, kann ich nicht beurteilen, da wir nicht gross involviert sind.
FIS-Präsident Eliasch hat sehr viele Ideen, so strebt er – um eine zu nennen – die zentrale Vermarktung an.
Die Rechte in diesem Bereich liegen nicht bei uns, sondern bei Swiss-Ski. Also ist es eine Geschichte zwischen diesen zwei Parteien. Aber klar, dass Eliasch das quasi im Alleingang anstrebt, ohne dass er die grossen Verbände miteinbezieht, macht es schwierig. Statt der Brechstange bräuchte es vielmehr ein Miteinander.
Zum Abschluss ein Blick nach vorne: Was erhoffen Sie sich von der diesjährigen Austragung der Lauberhornrennen?
Dass wir hoffentlich drei Rennen haben.
Beat Feuz hat seinen Rücktritt angekündigt, er bestreitet nur noch die Rennen in Wengen und Kitzbühel. Haben Sie sich überlegt, wie man den dreifachen Lauberhorn-Sieger gebührend verabschieden könnte?
Wir haben uns etwas ausgedacht. Beat hat aber ausdrücklich gewünscht, dass es keine Abschieds-Tour sein soll und er sich nicht ausgiebig feiern lassen will. Er stellt den Sport in den Mittelpunkt, er fährt nochmals um den Lauberhorn-Sieg. Alles andere steht für ihn im Hintergrund.
Ein Berner Star wie er wäre doch ein guter Botschafter für die Lauberhornrennen.
Beat gehört zu den ganz Grossen, nicht nur am Lauberhorn, sondern in der ganzen Geschichte des Skirennsports. Wir werden den Kontakt mit ihm auch in Zukunft gerne pflegen – und wer weiss, vielleicht ergibt sich sogar eine gewisse Zusammenarbeit. Das könnte ich mir sehr gut vorstellen. Aber lassen wir ihn zunächst einmal seine Karriere beenden.
Wo sehen Sie die Lauberhorn-Rennen in sieben Jahren und bleiben Sie bis zum 100-Jahr-Jubiläum OK-Präsident?
Wenn ich gesund bleibe, dann ist das ›Hundertjährige’ natürlich mein Ziel. Ich wäre dannzumal 70 Jahre alt. Wir müssen deshalb parallel dafür besorgt sein, dass junge Leute ins OK eingebunden werden und auch Verantwortung übernehmen können. So, dass dann zu einem guten Zeitpunkt die Übergabe erfolgen kann und der Anlass weitergeht. Das ist mindestens so wichtig wie das eigentliche Jubiläum.
Und, gibt es diese Leute?
Ja. Es gibt sehr gute und junge Leute, die einen Bezug zum Rennsport und auch zu Wengen haben, sogar hier aufgewachsen sind. Ich bin deshalb motiviert und sehr zuversichtlich, mein Amt in gute Hände übergeben zu können. Die 100. Lauberhornrennen wären aber definitiv auch meine letzten als OK-Präsident.