Aus dem Homeoffice in Schindellegi erklärt Olympiasieger Simon Ammann seinen Entscheid, seine Skisprung-Karriere fortzusetzen. Die Motivation des 38-jährigen Toggenburgers ist ungebrochen.
Simon Ammann, wann haben Sie entschieden, dass Sie Ihre Karriere fortsetzen wollen?
Für mich war recht früh klar, dass die Skiflug-WM in Planica nicht mein Karrierenende sein kann. Ich wusste das schon vor der Nordland-Tournee. Ich musste mich mit der Frage auseinandersetzen, was mich wirklich antreibt. Es ist einfach so: Ich bin motiviert im Training, ich versuche, voll dran zu bleiben, und das hat nicht so richtig funktioniert. Aber die Energie, das weiterhin zu bestreiten, ist voll da. Dass ich weitermache, ist die Kombination aus einer grossen Zielsetzung und dem Vertrauen, dass ich zu guten Sprüngen fähig bin. Es ist sicher manchmal schwierig nachzuvollziehen, wie man das spürt, wenn man in diesen Ranglistenregionen (Ammann war in diesem Winter nie in den Top 15) kämpft. Im Skispringen macht ein klein wenig viel aus – und man fällt weit zurück. Diese Details sind aber zu lösen. Es braucht einfach Zeit, und diese Zeit will ich mir geben. Ich will in dem Projekt, in dem ich jetzt drin bin, nicht aufhören.
Nach Sotschi 2014 haben Sie immer um ein Jahr verlängert, jetzt gleich um zwei. Was ist die Überlegung dahinter?
Es sind verschiedene Sachen. Ich brauche ein grosses Ziel, für das ich jedes Limit ausreize. Und Olympia war das für mich immer. Zweitens haben wir Pyeongchang 2018 vehement die Materialfrage angepackt (Skiwechsel, neuer Schuh). Dieses Projekt will ich weiterführen. Und drittens war diese Planung Jahr für Jahr immer schwierig für mich. Ich habe nie richtig gespürt, wie ich das machen will. Jetzt habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dieses Projekt ist das richtige. Noch zwei Jahre, und dann ist für mich Schluss.
Vor einem Jahr sagten Sie, die guten Resultate am Saisonende hätten Sie motiviert zum Weitermachen. Diesmal ist das nicht so. Können Sie das erklären?
Es geht schon auch um die Sache mit dem Ski und dem Schuh. Dass es in diesem Winter schwierig war, war sicher auch eine Abstimmungssache. Wir hatten im letzten Herbst ja recht spät den Schuh umgebaut, so dass relativ wenig Zeit bis zum Winter blieb. Es ist halt vielfach so, dass solche Wechsel manchmal etwas zu viel sind. Ich habe trotzdem das Gefühl, dass wir die richtigen Sachen anwenden konnten und Fortschritte gemacht haben. Es dauert eine Weile, bis du weisst, was geht und was nicht. Ein Wechsel zurück zu Fischer-Ski ist sicher auch ein Thema. Wir wollten gleich nach dem Saisonende loslegen, was jetzt wegen der Schliessung der Anlagen nicht möglich war. Aber über den Sommer haben wir sicher genügend Zeit.
Wenn diese Saison richtig nach Wunsch gelaufen wäre, kann es sein, dass Sie dann zurückgetreten wären?
Der Anspruch war, wirklich vorne reinzuspringen. Ich spürte aber schon im Januar, dass es schwierig würde, aus dieser Phase rauszukommen, und wusste, dass das mit dem tollen Abschied in Planica wohl nichts werden würde. Ich kann deshalb keine Hypothese aufstellen, was gewesen wäre, wenn. Aber ich konnte mich schon vorher nicht so recht anfreunden mit der Kombination Skiflug-WM und Karrierenende. Da läuft immer so viel, ich konnte das nie so richtig verbinden mit meiner Karriereplanung. Ich sah früh, dass die Zeichen nicht so gut stehen.
Dennoch ist es ein mutiger Schritt weiterzumachen. Sind Sie so überzeugt, dass es gut kommt?
Zwei Sachen sind wichtig, um das letzte Prozent im Training rauszuholen: dass ich mit einem motivierendem Team arbeiten kann und das Projekt mit dem Schuh. Ich gebe dem eine grosse Chance. Ich habe grosses Vertrauen, dass sich das auszahlen wird. Ich hoffe auch, dass wir als Team davon profitieren können (in der kommenden Saison erhalten alle Schweizer Kaderspringer die Möglichkeit, mit dem von Ammann entwickelten Karbonschuh zu springen).