Wendy Holdener schaltet am Tag nach dem missglückten Auftritt im Team-Wettkampf Gang um Gang höher – und sieht sich im WM-Parallelrennen in Méribel erst im Final durch Maria Therese Tviberg bezwungen.
Stolz war das Wort, das Wendy Holdener am Mittwoch nach dem Gewinn ihrer zweiten Silbermedaille in Méribel immer wieder erwähnte. Sie sei stolz, «wie ich mich gegenüber dem Vortag dermassen steigern konnte». Denn es hätten viele nicht gedacht, «dass ich heute so weit kommen und eine weitere Medaille (nach derjenigen in der Kombination zum WM-Auftakt – Red.) gewinnen kann», deshalb sei sie umso mehr «stolz» auf sich, sagte die 29-Jährige.
Wie also war diese Steigerung möglich, Wendy Holdener? Am Ursprung stand, so erzählte es die Schwyzerin nach ihrem Silber-Coup, dass sie am Dienstagnachmittag per Zufall und eher ungewollt die SRF-Kommentare zu ihrer Fahrt beim Viertelfinal-Ausscheiden gegen Kanada mitgekriegt habe. Da habe sie sich entschlossen, es im Einzelrennen besser zu machen. In der abendlichen Video-Analyse mit ihrem Trainer musste sie dann selber gleich nochmals feststellen, «dass ich die Tore zu stark angedriftet habe. Ich wusste, dass ich das irgendwie ändern musste, wenn ich vorne mitfahren wollte.»
Jeden Lauf am Handy geschaut
Und wie Holdener vorne mitfuhr, und dabei unter anderen auch die deutlich höher eingestufte Schwedin Sara Hector im Viertelfinal souverän ausschaltete. Spätestens da begann die Schweizerin zu merken, «wie gut es läuft». Mit jedem gewonnenen Lauf gewann sie mehr an Selbstvertrauen, stapfte sie mit schnellen und entschlossenen Schritten von der Piste zum 50 m entfernten Bügellift, der sie zurück zum Start brachte.
Auf dem Weg hinauf zückte sie jeweils ihr Handy und sah sich – dieses Mal bewusst – auf SRF jeden Lauf kurz an. «Dabei sah ich, wo ich anders fahren muss. Dann habe ich mir immer für den nächsten Lauf ein Ziel vorgenommen, und das auch umgesetzt.» Vor dem finalen Lauf sagte sie sich: «Wendy, geh für Gold.» Dass es nicht ganz gereicht habe, könne sie gut akzeptieren, so Holdener: «Maria (Tviberg) war besser. Meine Freude ist auch über Silber enorm gross.»
Noch am Dienstagabend, nach dem intensiven Tag mit dem Team-Wettkampf und der einige Stunden später stattfindenden Qualifikation für das Einzel-Parallelrennen, war sich Holdener allerdings nicht sicher, «ob es wirklich gut ist, so viele Rennen zu bestreiten. Der Tag war streng, und ich sehr müde.» Deshalb tauchten gar kurz Gedanken auf, dass der samstägliche Slalom – ihre Paradedisziplin, die ihr klar «wichtiger als das Parallelrennen» sei – unter den vielen Einsätzen leiden könnte. Doch nun stelle sich «trotz Mammutprogramm» vielleicht gar das Gegenteil ein, hofft Holdener. Nämlich, dass «mir die Medaille sogar mehr Energie für die verbleibenden Rennen verleiht».
Die schnellen Schwünge mitnehmen
Schon am Donnerstag geht es für die Innerschweizer Vielfahrerin weiter mit dem Riesenslalom. In dieser Disziplin lieferte Holdener in diesem Winter vergleichsweise bescheidene Resultate ab, kam sie in sechs Rennen nicht über einen zehnten Platz als Bestresultat hinaus. Ein Verzicht auf das Rennen war für die nun sechsfache WM-Medaillengewinnerin aber kein Thema, sie wolle vielmehr die im Parallelrennen gezeigten «schnellen Schwünge» mitnehmen.
Verzichten werde sie aber auf die obligate Medaillenfeier nach der Siegerehrung, so Holdener. «Für einmal kann ich die Medaille nicht feiern, das müssen andere Leute für mich übernehmen. Ich muss früh ins Bett, bei einem solchen Programm ist genügend Schlaf sehr wichtig. Den Rest hole ich dann später einmal nach.» Als perfekter Tag, um das Feiern nachzuholen, böte sich der Samstag an, falls die zweifache Saisonsiegerin Holdener auch im Slalom wie gewohnt liefert.