Im September wechselt der 28-jährige Russe Anton Miranchuk von Lokomotive Moskau ins Wallis. Mit blue Sport spricht Sion-Boss Christian Constantin über die speziellen Verhandlungen und erklärt, warum die Verpflichtung nicht mit jener Mario Balotellis zu vergleichen ist.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Sion hat kurz vor Ablauf der Transferperiode den russischen Nationalspieler Anton Miranchuk verpflichtet.
- Sion-Boss Christian Constantin erklärt gegenüber blue Sport, weshalb sie im Gegensatz zu anderen Vereinen nicht davor zurückschreckten, einen russischen Spieler zu verpflichten.
- Auch erklärt CC, weshalb man den Transfer von Miranchuk auf keinen Fall mit jenem von Mario Balotelli vergleichen könne.
- Bei seinem Debüt wusste Miranchuk letzte Woche noch nicht zu überzeugen, das weiss er auch selbst. Er sei noch nicht bei 100 Prozent und er müsse die Mitspieler noch besser kennenlernen. Die ersten Eindrücke seien aber sehr gut.
Am 24. Februar 2022 begann Russland seinen grossflächigen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die gesamte Ukraine. Die Frontlinie ist seit Herbst 2022 nahezu unverändert. Grosse Teile der Ukraine sind von russischen Truppen besetzt. Ein Ende des Krieges ist nicht absehbar. Das hat auch Auswirkungen auf die Sportwelt.
So sind etwa Teams aus Russland von europäischen Wettbewerben wie beispielsweise der Champions League ausgeschlossen. Auch die Nationalmannschaft wurde ausgebremst und kann nur noch Testspiele bestreiten, wobei die Auswahl der Gegner dabei stark eingeschränkt ist.
Spieler aus Russland: Sion tut, was andere nicht tun
Auch sind viele Vereine nicht bereit, mit russischen Teams zu verhandeln, selbst wenn sie das dürften. Im Sommer wollte der russische Erstligist Kuban Krasnodar YB-Star Meschack Elia verpflichten und wäre dem Vernehmen nach bereit gewesen, acht Millionen Euro hinzublättern. Sehr viel Geld für Schweizer Verhältnisse. YB blockte aber ab. Sportchef Steve von Bergen begründete gegenüber der «Berner Zeitung»: «Wir haben nicht die Absicht, Spieler nach Russland zu verkaufen.»
YB hat sich aus freien Stücken dazu entschieden, denn Spieler aus Russland dürfen hierzulande verpflichtet werden. Und so vermeldet Sion am 9. September den Transfer von Anton Miranchuk, einem 28-jährigen Nationalspieler Russlands, der mit seinen Qualitäten zweifelsohne eine Bereicherung für die Walliser Offensive sein dürfte. Dennoch ist es ein Transfer mit Gschmäckle.
Christian Constantin spielt die Neutralität der Schweiz aus
Die Frage, ob sie einen Spieler aus Russland verpflichten dürfen, hätten sie sich auch gestellt, gibt Constantin zu und erklärt, weshalb sie sich dafür entschieden hätten, es dennoch zu tun: «Ich finde, aufgrund dessen, dass wir ein neutrales Land sind, können wir das machen.»
Geholt hat man Miranchuk logischerweise seiner Qualitäten wegen. «Als er in seinen besten Jahren war, wurde er durch die Covid-Pandemie ausgebremst, jetzt durch den Krieg in der Ukraine. Damit hat er drei bis vier Jahre verloren. Jetzt war der perfekte Moment für einen Wechsel weg aus Moskau.»
Natürlich konnte nicht einfach eine Delegation von Sion nach Moskau reisen, um den Spieler zu beobachten und Gespräche zu führen. Doch heutzutage gibt es ohnehin andere Wege. «Ich habe das via Videocall gemacht», sagt CC. Dass es mit dem Transfer dann aber überhaupt geklappt habe, sei sicher auch Anton Mitryushkin zu verdanken.
Anton Mitryushkin und Anton Miranchuk kennen sich aus vergangenen Tagen bei der Junioren-Nationalmannschaft und für kurze Zeit waren sie zuletzt bei Lokomotive Moskau Teamkollegen. Mitryushkin stand von Februar 2016 bis Juli 2020 76 Mal bei Sion zwischen den Pfosten. «Miranchuk hatte also einige Referenzen. Am Ende gab es nur noch die Option Ajax Amsterdam oder Sion. Wir hatten befürchtet, dass er sich für Ajax entscheiden könnte, weil das ein so grosser Verein ist. Aber er hat sich für uns entschieden. Vielleicht auch wegen der Politik», mutmasst Constantin.
Sion war es wichtig klarzustellen, dass kein Geld zu Lokomotive Moskau geflossen ist. Sie hätten auch nur direkt mit dem Spieler verhandelt. Zwar wäre Sion in der Lage gewesen, das Geld aufzubringen, doch das sei nicht nötig gewesen. Ins Detail geht Constantin allerdings nicht.
Vergleiche mit dem Balotelli-Transfer sind fehl am Platz
Manch ein Fan dürfte sich gewundert haben, dass Sion trotz des guten Saisonstarts einen Spieler des Formats Miranchuk verpflichtet, hatte es doch nach dem Balotelli-Missverständnis geheissen, dass man keine grossen Namen mehr ins Wallis locken will. CC sagt dazu: «Wir haben nie gesagt, dass die Welt nach Balotelli stehen bleibt und wir keine guten Spieler mehr verpflichten werden. Man sollte es auch nicht übertreiben mit dem, was gesagt wurde.»
Balotelli habe einfach «Balotelli-Sachen» gemacht. Oder anders ausgedrückt: «Anstatt eine Riesen-Karriere zu machen, was er mit seinen Anlagen hätte schaffen müssen, hat er nur 10 Prozent seines Potentials abgerufen.» Deshalb seien Vergleiche mit Miranchuk völlig fehl am Platz. «Hier haben wir einen Spieler, der immer noch in der Nationalmannschaft spielt» und der schon in der Champions League aufgelaufen sei (13 Spiele, 4 Tore).
Es sei zwar nett gewesen, sich mit Balotelli zu unterhalten, aber es sei auch kompliziert gewesen. «Balotelli und Miranchuk sind komplett zwei andere Geschichten», stellt der 67-Jährige klar.
Der Leistungsausweis von Anton Miranchuk
Anton Miranchuk debütierte 2017 im Nationalteam und war an der Heim-WM 2018 im Kader Russlands, kam dort allerdings nicht zum Einsatz. Seit dem Angriffskrieg bestreitet Russland nur noch Testspiele und dort hat der 28-Jährige ordentlich geskort. Gegen Iran, Irak, Kuba und Serbien war er Torschütze, gegen Weissrussland Assistgeber.
In der vergangenen Saison war er bei Lokomotive Moskau im offensiven Mittelfeld gesetzt. Die Liga beendete der Traditionsverein im 4. Rang, wobei Miranchuk sechs Tore erzielte und fünf weitere vorbereitete. In neun Pokalspielen kamen noch je zwei Tore und Assists hinzu. Der Mann ist also sicherlich noch kein Auslaufmodell und wurde auch deshalb in manchen Medien als «Königstransfer» angepriesen.
Am Sonntag debütierte Miranchuk gegen Lugano in der Super League, blieb dabei aber bis zu seiner Auswechslung in der 60. Minute blass. Allerdings ist bei der Nullnummer kein Spieler über sich hinausgewachsen. Nach dem Spiel meinte der 28-Jährige, dass er noch etwas Zeit brauche. «Ich bin noch nicht bei 100 Prozent und muss mich im Team erst noch einfinden, bis die Chemie passt.» Es gefalle ihm aber sehr gut in Sion und er freue sich schon auf die nächsten Spiele.
Die Chance es besser zu machen als beim ersten Auftritt, kommt bereits am Sonntag, dann gastiert Sion auswärts beim FCZ. Anpfiff ist um 14.15 Uhr, die Partie siehst du live auf blue Sport.
So 29.09. 13:55 - 16:30 ∙ blue Sport Live ∙ FC Zürich - FC Sion
Event ist beendet