Die Intensität ist zu viel für Carlos Alcaraz, der Jungstar verliert den French-Open-Halbfinal gegen Novak Djokovic nach heftigen Krämpfen. Dieser kämpft am Sonntag gegen Casper Ruud um seinen 23. Grand-Slam-Titel und den alleinigen Rekord.
Noch nie hatte Carlos Alcaraz, US-Open-Champion und aktuelle Nummer 1 der Welt, an einem Grand-Slam-Turnier gegen Novak Djokovic gespielt. Seit Freitagnachmittag weiss der gerade eben 20-jährig gewordene Spanier, wie sich das anfühlt. Brutal. So hart, dass er schon nach zwei Sätzen heftige Krämpfe bekam und am Ende in vier Sätzen chancenlos war.
Die Zukunft dürfte Alcaraz gehören, die Gegenwart aber noch immer Djokovic. Nur einen Satz lang, im zweiten, hielt das heiss ersehnte Generationen-Duell, was man sich davon versprochen hatte. Fast eineinviertel Stunden dauerte dieser, Alcaraz gewann ihn 7:5 – doch er verbrauchte dabei so viel Energie, dass die Partie wenig später praktisch vorbei war. «Zu Beginn des dritten kriegte ich Krämpfe am ganzen Körper», erklärte der Spanier nach der Partie. «Nicht nur im Arm, in den Beinen, überall.»
Der Djokovic-Effekt
Bis zum Ende der 3:6, 7:5, 1:6, 1:6-Niederlage gewann er nur noch ein Game. Zunächst konnte sich Alcaraz kaum noch bewegen und gab sein Aufschlagspiel zum 1:2 im dritten Satz sogar freiwillig ab, um sich auch ohne Seitenwechsel behandeln lassen zu können. Im vierten Satz ging es leicht besser. Aufgeben war für den Iberer aber keine Option. «Ich hätte mich vor mir selber geschämt», betonte er.
Am US Open hatte er auf dem Weg zum ersten Grand-Slam-Sieg und zur jüngsten Nummer 1 der Geschichte drei Fünfsätzer in sechs Tagen gewonnen. Was war nun anders, der Gegner Novak Djokovic? «Wahrscheinlich», meinte Alcaraz mit einem gequälten Lächeln. «Er ist eine Legende dieses Sports. Jeder, der sagt, er sei gegen ihn nicht nervös, lügt.» Er sei von Anfang an angespannt und verkrampft gewesen. Die Krämpfe erklärte er sich denn auch mit der Intensität der Ballwechsel gegen Djokovic. «Aber ich werde daraus lernen.»
Dessen ist sich auch der Serbe sicher. «Er ist noch so jung, er wird hier noch viele Male gewinnen», zeigte sich der 16 Jahre ältere Djokovic, der seinen 45. Grand-Slam-Halbfinal bestritt, überzeugt. Er gab auch zu, am Ende des zweiten Satzes selber nicht mehr taufrisch gewesen zu sein. Angesichts der offenkundigen Probleme des Gegners brachte er den Sieg aber problemlos ins Trockene.
Die Djokovic-Rekorde
Nun spielt Djokovic am Sonntag (15.00 Uhr) – wie so oft – für die Geschichte. Mit dem 23. Grand-Slam-Titel würde er Rafael Nadal um einen Sieg distanzieren und alleiniger Rekordhalter, dazu Alcaraz wieder als Nummer 1 ablösen. Auf dem Papier ist er gegen Casper Ruud klarer Favorit, auch wenn dieser im Halbfinal sehr überzeugend auftrat und den Deutschen Alexander Zverev (ATP 27) mit 6:3, 6:4, 6:0 geradezu deklassierte.
In vier Partien hat Djokovic gegen die Weltnummer 4 aus Norwegen noch keinen Satz abgegeben. Der Skandinavier, je zweifacher Turniersieger in Genf und Gstaad, ist grundsolide, taktisch sehr clever, hat aber keinen Schlag, mit dem er die Besten wirklich in Verlegenheit bringen kann. Ausserdem ist die Aufgabe geradezu übermenschlich.
Im letzten Jahr blieb Ruud im Final gegen Rafael Nadal bei dessen 14. Titel in Roland Garros chancenlos, nun ist Djokovic kaum der einfachere Gegner. «Ich hätte nicht unbedingt gedacht, dass ich wieder in den Final komme», bekannte der Norweger. «Ich werde versuchen, locker zu bleiben und es zu geniessen.»