Vor 17 Jahren beendet ein gewisser George Bastl völlig überraschend die überragende Rasenkarriere des siebenfachen Wimbledon-Champions Pete Sampras. Aber auch Boris Becker oder Lleyton Hewitt mussten sich einst von krassen Aussenseitern in die Knie zwingen lassen.
Ab 1993 sahnt Pete Sampras in Wimbledon in acht Jahren sieben Trophäen ab und tritt 2001 nicht nur als Titelverteidiger, sondern auch als amtierender Rekordsieger auf dem heiligen Rasen an. Der Amerikaner marschiert auch in diesem Jahr bis ins Achtelfinale, bevor seine Zeit als Rasenkönig abläuft – und gewissermassen von zwei Schweizern innert zwei Jahren und völlig unerwartet beendet wird: Roger Federer und George Bastl. Mit ihren Exploits stehen die beiden Schweizer aber nicht allein – «Bluewin» blickt auf die grössten Überraschungssiege in Wimbledon bei den Männern zurück.
Achtelfinal
Federer – Sampras
Ein «No-Name» ist der 19-jährige aufstrebende Schweizer zwar nicht mehr, dennoch rechnet vor dem Achtelfinal-Duell gegen Pete Sampras niemand mit einem Sieg Federers. Der Amerikaner ist zu dieser Zeit der unumstrittene Rasenkönig, hat in Wimbledon seit 31 Partien oder fünf Jahren nicht mehr verloren und sieben der letzten acht Austragungen gewonnen. Doch Federer schafft das Unmögliche, auch wenn er selbst bereits vor der Partie an einen Sieg glaubt: «Ich weiss, dass ich das Potenzial habe, ihn zu schlagen», sagt er zuvor.
In einem dramatischen Fünfsatz-Match behält Federer in extremis die Oberhand, gewinnt 7:6, 5:7, 6:4, 6:7, 7:5 und beendet die Dominanz seines Idols Pete Sampras. Im Viertelfinal gegen Tim Henman ist dann aber Endstation – Federer verliert in vier Sätzen und scheidet aus.
Zweite Runde
Bastl – Sampras
Nach der Niederlage gegen Federer im Vorjahr wird die Partie zwischen Sampras und der Weltnummer 145, George Bastl, bloss auf Court 2 angesetzt – was dem siebenfachen Wimbledon-Champion gar nicht passt. Court 2 gilt wegen der zahlreichen Favoritenstürze auch als «Friedhof der Stars» – auch an diesem Tag. Der als Lucky Looser ins Hauptfeld gerutschte Bastl spielt «Pistol Pete» in den ersten beiden Sätzen an die Wand und gewinnt diese diskussionslos 6:3, 6:2.
Dann scheint der haushohe Favorite den Tritt zu finden, holt sich die Sätze drei und vier und hat im entscheidenden Umgang Breakball. Doch dann schlägt der damals 27-jährige Schweizer nochmals zurück und beendet die Rasenkarriere des bis dahin wohl erfolgreichsten Spielers der Tennisgeschichte. Das Resultat: 6:3, 6:2, 4:6, 3:6, 6:4. In der dritten Runde ist David Nalbandian dann eine Nummer zu gross. Der Argentinier schickt Bastl, der im gesamten Spiel nur sechs Games gewinnt, in drei Sätzen nach Hause.
Erste Runde
Doohan – Becker
Als Topfavorit reist der 19-jährige Boris Becker in diesem Jahr nach Wimbledon, wo der Teenager bereits zweimal triumphierte. In der zweiten Runde wartet der unbekannte Australier Peter Doohan auf den Deutschen – ein Duell, dass es kurz zuvor bereits beim Vorbereitungsturnier in Queens gab und klar an Becker ging.
Doch die damalige Weltnummer 70 spielt an diesem Tag gross auf und zwingt den Titelverteidiger (auf Court 2) mit 7:6, 4:6, 6:2, 6:4 tatsächlich in die Knie. Becker zeigt sich nach der sensationellen Niederlage ziemlich gefasst: «Ich habe keinen Krieg verloren, niemand ist gestorben. Ich habe nur ein Tennismatch verloren, mehr nicht.»
Erste Runde
Karlovic – Hewitt
Als der Australier als Titelverteidiger am ersten Wimbledon-Tag 2003 traditionell den Centre Court eröffnet, rechnet alles mit einem lockeren Auftaktsieg Lleyton Hewitts gegen die Nummer 203 der Welt: Ivo Karlovic. Der Kroate ist bis dahin ein völlig unbeschriebenes Blatt und bestreitet sein erstes Grand-Slam-Spiel überhaupt.
Das ist ihm zu Beginn auch anzumerken – er verliert den ersten Satz in 19 Minuten mit 1:6. Dann aber nimmt der über zwei Meter grosse Karlovic das Heft in die Hand und hämmert Hewitt unter anderem dank 18 Assen in vier Sätzen aus dem Turnier. Der Kroate gewinnt 1:6, 7:6, 6:3, 6:4.
Erste Runde
Darcis – Nadal
Der frischgebackene French-Open-Sieger peilt 2013 den dritten Sieg in Wimbledon und seinen 13. Titel an einem Major überhaupt an. Doch der Belgier Steve Darcis mach dem Spanier bereits in der ersten Runde einen dicken Strich durch die Rechnung. Mit einem sensationellen, aber deutlichen Dreisatzsieg (7:6, 7:6, 6:4) fügt er Nadal die ersten Auftaktniederlage an einem Grand Slam überhaupt zu und feiert den bis heute grössten Erfolg seiner Karriere.
Zweite Runde
Stachowski – Federer
Als siebenfacher Wimbledon-Champion und Sieger des Vorjahres reist Roger Federer 2013 nach Wimbledon und ist gegen den Ukrainer in der zweiten Runde haushoher Favorit. Doch an diesem Tag findet der Schweizer auf seiner Lieblingsunterlage keine Lösungen gegen den mutig und offensiv aufspielenden Stachowski. Der Ukrainer stürmt 96 Mal ans Netz und schliesst oft erfolgreich ab. Federer sagt nach dem Spiel: «Ich bin sehr frustriert, dass ich kein Mittel gegen sein Spiel gefunden habe.»
Nach vier umkämpften Sätzen beendet der 33-Jährige Federers unglaubliche Serie von 36 erreichten Grand-Slam-Viertelfinals ohne Unterbruch und gewinnt 6:7, 7:6, 7:5, 7:6 – um eine Runde später gegen Jürgen Melzer den Kürzeren zu ziehen.
Zweite Runde
Brown – Nadal
Der Deutsch-Jamaikaner Dustin Brown wartet noch immer auf den ersten ATP-Titel im Einzel. Er schafft es während seiner Karriere nie unter die besten 60 der Weltrangliste. Auf Rasen, seiner Lieblingsunterlage, hat sich Brown aber viel Respekt verschafft – insbesondere in Wimbledon 2015. In der zweiten Runde eliminiert er Rafael Nadal in vier Sätzen 7:5, 3:6, 6:4, 6:4 und schickteden zweimaligen Turniergewinner früh nach Hause.
Ganz so aus dem Nichts kam Browns Triumph aber nicht. Ein Jahr zuvor gelang ihm im westfälischen Halle das gleiche Kunststück, womit er in der Head-to-Head-Bilanz gegen Nadal bis zum heutige Tag mit 2:0 in Front liegt. Für Rafael Nadal dagegen bedeutet die frühe Pleite gegen den Deutschen bereits die vierte vorzeitige Niederlage in Wimbledon in Folge – und zwar immer gegen Spieler, die nicht zu den besten 90 der Weltrangliste gehörten.