Wegbegleiter Federers Trainer: Wie sie ihn prägten, welche Erfolge sie mit ihm feierten

René Weder

8.1.2019

Roger Federer beim Interview mit CNN. Emotional wird der Grand-Slam-Rekordsieger nach der Frage, was sein tödlich verunglückter Trainer heute sagen würde, wenn er wüsste, wie erfolgreich Federer geworden ist (nach ca. zwei Minuten im Video).

Video: CNN

Das tränenreiche Interview mit Roger Federer bei «CNN» ging am Montag um die Welt. Der Baselbieter hatte im Lauf seiner Karriere viele Trainer, keiner schien ihn aber so zu prägen wie Peter Carter.

Er habe die Entscheidungen immer selber getroffen, sagt Federer im Interview mit «CNN» und bezieht sich damit auf die zahlreichen Trainerwechsel im Lauf seiner langen Karriere. Nicht immer hat die Öffentlichkeit verstanden, weshalb Federer eine erfolgreiche Zusammenarbeit beendete. Heute ist klar: Die Handlungen sind integraler Bestandteil seiner Erfolge. Nur dank frischem Wind und neuer Ideen konnte sich Federer immer wieder wandeln und sein Spiel anpassen. Dabei ging es nicht immer nur um sportliche Aspekte: Ein Jahrhundertsportler wie Federer braucht primär ein funktionierendes und inspirierendes Umfeld, um sich voll entfalten zu können. Leider brauchte es wohl auch einen Schicksalsschlag, wie der Tod von Peter Carter, der Federer zu dem Sportler machte, der er heute ist. Teleclub blickt auf die Trainerstationen seiner Karriere zurück.


Coach    

1989 bis 1994

Adolf «Seppli» Kacovský

Roger Federer hält mit drei Jahren sein erstes Tennis-Racket in der Hand. Seine Karriere, wenn man in diesem Alter überhaupt davon sprechen kann, verläuft zunächst ganz normal. Er spielt einfach gerne Tennis, ebenso Fussball. Das sportliche Talent zeigt sich früh. Mit acht Jahren tritt er dem Tennis Club Old Boys bei. Dort nimmt ihn sein erster Coach, Adolf Kacovský, auch «Seppli» genannt, unter seine Fittiche. Federer feiert schon bald seine ersten lokalen und nationalen Erfolge im Nachwuchs. Mutter Lynette Federer bezeichnet in einem Interview mit SRF das erste Coaching unter «Seppli» als «sehr wichtig» für den Karriereverlauf ihres Sohnes.


Coach   

1991 bis 1995 und 1997 bis 2000

Peter Carter

Als Federer zwölf Jahre alt ist, entscheidet er sich gegen den Fussball und für den Tennissport. Er wird zu dieser Zeit bereits von Peter Carter gecoacht, einem Australier aus Adelaide, der später eine Schweizerin heiraten und in der Heimat Federers sesshaft werden sollte. Carter, einst selbst Tennis-Profi (beste ATP-Klassierung 187), ist ebenfalls beim TC Old Boys tätig und prägt den Werdegang Federers menschlich wohl wie kein anderer Coach. Die «NZZ» schreibt nach Carters tödlichem Verkehrsunfall 2002: «Die Familie Federer verliert mit Peter Carter einen ihrer engsten Verbündeten (...) er war ein Mann der sanften Töne, ein starker Kontrast zum Typus jener Coaches, die das grelle Scheinwerferlicht suchen (...) Als Coach und Leitfigur für jüngere Probanden lebte der Verunfallte die menschliche Rolle der Freundschaft täglich vor, und dies auch weit abseits der Flugbälle am Netz.»

Der plötzliche Tod Carters hinterlässt bei Federer tiefe Wunden, deren Narben noch heute sichtbar sind. Er ist aber womöglich auch entscheidend an Federers erfolgreichem Werdegang: «Sein Tod war ein Weckruf für mich. Danach begann ich richtig zu trainieren. Peter wollte nicht, dass ich mein Talent verschwende», so der Schweizer im Interview mit «CNN».


Coach   

2000 bis 2003

Peter Lundgren

Mit Peter Lundgren schafft Federer den endgültigen Durchbuch an die Weltspitze. Der Schwede erkennt beim damals 18-Jährigen dessen enormes Potenzial. 2001, es ist Federers dritte Saison auf der ATP-Tour, setzt sich das Duo das Ziel, den ersten Turniersieg einzufahren und einen Platz in den Top 15 der Weltrangliste einzunehmen. Die Saison beginnt verheissungsvoll: Federer gewinnt mit Martina Hingis den Hopman Cup, später folgt der erste Turniersieg in Mailand.

Höhepunkt des Jahres ist aber zweifelsohne die Achtelfinal-Partie in Wimbledon gegen Pete Sampras, der zuvor auf dem «Heiligen Rasen» 31 Partien in Serie gewonnen hatte. Federer ringt den Amerikaner in fünf Sätzen nieder, verliert dann im Viertelfinal aber gegen Tim Henman. Spätestens jetzt ist klar: Hier wächst etwas ganz Besonderes heran. 2003 holt sich Federer dann den ersten von bisher insgesamt acht Wimbledon-Siegen. Die Öffentlichkeit staunt, als der 22-Jährige am Ende des Jahres die Trennung von Lundgren bekannt gibt. Federer macht Abnützungserscheinungen und den Wunsch nach neuen Impulsen für diesen Entscheid geltend.


Coach   

2005 bis 2007

Tony Roche

Nach rund zwei Jahren ohne Trainer übernimmt die australische Tennis-Legende Tony Roche (13 Grand-Slam-Titel im Doppel) das Amt als Federer-Coach. Zu diesem Zeitpunkt hat Federer bereits vier Grand-Slam-Turniere gewonnen. Federer dominiert unter Roche das Geschehen auf der Tour. Bis zur Trennung im Mai 2007 kommen sechs weitere Major-Siege dazu. Das anvisierte Ziel, unter Roche endlich auch in Roland Garros gewinnen zu können, wird aber verfehlt. Federer beendet die Roche-Jahre zwischen 2005 und 2007 jeweils als Nummer 1 der Welt. 


Coach   

2008

José Higueras

Was mit Roche nicht klappte, funktionierte auch mit Sandplatz-Spezialist José Higueras nicht: Federer verpasste auch 2008 den Titel in Paris. Und wie! Im Endspiel ist er gegen Rafael Nadal chancenlos und erleidet eine der empfindlichsten Niederlagen in seiner Karriere: Der Spanier schickt Federer mit 6:1, 6:3 und 6:0 vom Platz. Wenig später gewinnt Nadal auch in Wimbledon. In einem an Spannung kaum zu überbietenden Endspiel behält der Spanier nach fast fünf Stunden, fünf Sätzen, mehreren Regenunterbrüchen und bei Einbruch der Dunkelheit das bessere Ende für sich.

Die Begegnung geht als «Strokes of Genius» in die Geschichtsbücher ein. Federer vergiesst bittere Tränen, nachdem er zuvor das Turnier fünf Mal in Serie gewonnen hatte. Nicht zum ersten Mal werden Rufe nach seinem Rücktritt laut. Die Zusammenarbeit mit Higueras wird bis zu den US Open 2008 fortgesetzt. Federer gewinnt das Turnier in Flushing Meadows. Ab Herbst 2008 arbeitet er wieder ohne Trainer (Severin Lüthi steht Federer damals aber bereits zur Seite)  – 2009 holt er das Double French Open / Wimbledon und komplettiert damit den Karriere-Slam.


Coach   

2010 bis 2013

Paul Annacone

Im August 2010 beschäftigt Federer Paul Annacone als Trainer. Der US-Amerikaner hatte in früheren Jahren lange Zeit Federers Idol Pete Sampras betreut und mit diesem neun von insgesamt 14 Grand-Slam-Siegen eingeheimst. Unter Annacone erlebt Federer vergleichsweise «magere» Jahre. Nur 2012 in Wimbledon kann der Baselbieter einen ganz grossen Titel gewinnen. Immerhin setzt es auch noch zwei Siege bei der inoffiziellen Tennis-WM am Ende des Jahres ab (2010 und 2011). Nach Federers Ausscheiden beim Shanghai Masters 2013 wird die Zusammenarbeit beendet.


Coach   

2014 bis 2015

Stefan Edberg

Stefan Edberg ist Federers Kindheitsidol. Die Zusammenarbeit soll in erster Linie inspirierend wirken, fachlich kann dem Grand-Slam-Rekordsieger inzwischen ohnehin keiner mehr die Offenbarung liefern. Mit der Verpflichtung von Edberg liegt Federer im Trend. Auch zwei seiner stärksten Widersacher – Novak Djokovic und Andy Murray – setzen mit Boris Becker und Ivan Lendl auf ehemalige Grössen des Sports.

Federer schafft es in den Edberg-Jahren dreimal in ein Grand-Slam-Endspiel, kann dort aber nie gewinnen. Auch bei den World Tour Finals scheitert er gleich doppelt. Aber: Er gewinnt insgesamt elf Titel und erfindet sein Spiel neu, setzt zunehmend auf Serve-and-Volley. Spektakulär zu dieser Zeit ist auch der von Federer erfunde SABR ('Sneak Attack by Roger'). Es handelt sich dabei um einen Überraschungsangriff beim Service des Gegners, bei dem Federer extrem weit aufrückt und unmittelbar nach der T-Linie retourniert. 


Coach   

Seit 2007

Severin Lüthi

Severin Lüthi ist eine der grossen Konstanten in Roger Federers Karriere. Lüthi ist rund fünf Jahre Älter als sein Schützling und damit aus derselben Generation. Er ist nicht nur Trainer, sondern auch ein enger Freund der Familie. Lüthi gibt Federer zudem das, was er im hektischen Tour-Alltag und der permanenten Reiserei braucht: Konstanz, Vertrauen und ein gutes Gefühl. Die Zusammenarbeit fusst auf gegenseitigem Respekt, ohne klare Hierarchie.

Gewiss ist Lüthi kein Polterer, sondern ein ruhiger und besonnener Compagnon, der Federer in- und auswendig kennt. Seit Sommer 2007 begleitet er ihn auf der Tour. Bei vier Grand-Slam-Titeln Federers ist er alleiniger Coach. Lüthi, zunächst von vielen als «Mädchen für alles» belächelt, mausert sich im Lauf der Zeit zum unverzichtbaren Begleiter Federers. Auch seine eigene Karriere verläuft steil. 2002 stösst er zunächst als Assistenztrainer zur Schweizer Davis-Cup-Mannschaft. Seit 2005 ist er Team-Chef. 2014 gewinnt er mit Federer und Wawrinka den Davis Cup und schreibt Schweizer Sport-Geschichte.


Coach   

Seit 2016

Ivan Ljubicic

Ivan Ljubicic ist Federers erster Trainer, gegen den der Baselbieter selbst schon spielte. Insgesamt 16 Mal treffen die beiden Spieler zwischen 2000 und 2010 aufeinander – Federer verlässt den Court 13 Mal als Sieger. Der Kroate, der als Flüchtling im Balkankrieg eine spezielle Lebensgeschichte mitbringt, ist näher am aktuellen Tennis dran, als alle seine Vorgänger. Davon profitiert auch Federer – ganz besonders im Training, da Ljubicic immer noch viele Qualitäten auf den Platz bringt.

Zunächst sieht es aber sportlich nicht wirklich gut aus: Federer scheitert 2016 im Halbfinal der Australian Open, lässt dann die French Open aus, verletzt sich im Sommer in Wimbledon und muss die Saison abbrechen. Die Rücktrittsforderungen werden lauter, derweil die Hoffnung auf weitere Erfolge auch bei den hartgesottensten Fans schwindet. Was dann folgt, sollte als eines der grössten Combacks in die Sportgeschichte eingehen. In Melbourne holt der an Nr. 17 gesetzte Federer den Titel, legt in Wimbledon nach, gewinnt auch in Indian Wells und Miami (Sunshine-Double). Er schlägt Erzrivale Rafael Nadal viermal in Serie. Vorläufige Höhepunkte unter Ljubicic: Die Titelverteidigung in Melbourne 2018 und die zwischenzeitliche Rückeroberung der Nr. 1 im letzten Sommer. Fortsetzung folgt?


Federers Grand-Slam-Siege und die jeweiligen Trainer. Kursiv: Severin Lüthi als Trainer, Co-Trainer, Begleiter und gute Seele im Team.
Federers Grand-Slam-Siege und die jeweiligen Trainer. Kursiv: Severin Lüthi als Trainer, Co-Trainer, Begleiter und gute Seele im Team.

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