Roger Federer spricht am Rande der Auslosung zum ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres über seine Ambitionen, den 100. Titel und eine gemolkene Kuh mit Roy Emerson.
Der Countdown läuft, am Montag greift Roger Federer nach dem 100. Turniersieg und dem siebten Triumph in Melbourne. Damit wäre er alleiniger Rekordhalter. Auch Novak Djokovic peilt diese Marke an, er hält wie Federer und Roy Emerson sechs Siege inne. Auszüge aus dem Interview mit Federer vor der Auslosung:
Roger Federer, Sie sind das 20. Mal hier in Melbourne. Wird es nie langweilig?
Nein, niemals. Ich liebe die Highlights, die eben eingespielt wurden. Die Musik und die emotionalen Momente. Eigentlich sind es sogar mehr als 20 Jahre, wenn man die Junioren-Zeiten dazu nimmt.
Sie hatten nach Ihren letzten beiden Finalsiegen an den Australian Open jeweils eine gute Vorbereitung beim Hopman Cup. Wie sieht es dieses Jahr aus?
Sehr gut. Ich habe nichts verpasst und fühle mich perfekt vorbereitet. Schon bei der Anreise in Perth hatte ich ein gutes Gefühl. Dann spielte ich auch noch gut, nicht nur im Einzel – auch im Mixed mit Belinda Bencic.
Sie haben die Australian Open sechs Mal gewonnen. Mit sieben Titeln wären Sie alleiniger Rekordhalter.
Das ist nicht der Hauptgrund, weshalb ich hier bin. Im Moment der Auslosung, wenn du deinen Gegner kennst, richtest du den Fokus auf die erste Runde. Nur darauf – und nicht auf den siebten Titel. Dann nimmst du Punkt für Punkt, Satz für Satz, Spiel für Spiel. Du versuchst, die Dinge zu vereinfachen, planst dein Training und blickst nicht zu weit voraus. Aber natürlich: Ich hoffe, meinen Titel verteidigen zu können. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich die beiden letzten Male gewonnen habe. Aber ich mache mir nicht zu viel Druck.
Es gab viele verschiedene Ären im Tennissport. Bei Ihnen waren es besonders Rafael Nadal und Novak Djokovic, die mit Ihnen die letzten Jahrzehnte geprägt haben. Welchen Einfluss hatte beispielsweise das Spiel von Novak Djokovic auf Sie?
Er hat mich oft gefordert und ich habe gegen ihn gespielt, als er unschlagbar war. Da war es wichtig für mich, nicht frustriert zu werden. Aber ich habe immer gerne gegen ihn gespielt, auch als er auf die Tour kam. Wir sind zwei Spieler, die gerne attackieren. Das führte zu vielen aggressiven Punkten, wenn ich das so sagen kann. Aber auch andere, wie etwa Nadal oder Lleyton Hewitt, sorgten immer wieder dafür, dass ich mich hinterfragte.
Ihr Spiel hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt.
Ja, aber da ist nicht nur Novak dafür verantwortlich. Oder Rafael. Es waren verschiedene Dinge. Auch meine Verletzung, die mich dazu zwang, mich neu auszurichten. Vor zwei Jahren war es meine verbesserte Rückhand, die mich gegen Nadal gewinnen liess.
Es gab da eine sehr spezielle Situation mit Ihnen und Novak Djokovic beim Laver Cup letztes Jahr, als Sie von ihm getroffen wurden.
Ja, er hat sich zwar entschuldigt, aber ich habe seine Entschuldigung bis heute nicht akzeptiert (lacht).
Sie sitzen im Moment auf 99 Turniersiegen. Ist der 100. Titel ein Thema?
Schauen Sie, 99 ist eine unglaubliche Zahl. Ich wäre auch damit ein glücklicher Mensch. Ich will nicht zu weit vorausblicken, aber es ist klar, dass ich nun bei jedem Turnier danach gefragt werde. Natürlich würde ich es akzeptieren, wenn ich hier meinen Titel verteidigen und den 100. Turniersieg holen könnte.
Sind Ihre grossen Konkurrenten dafür verantwortlich, dass Sie noch hier sind und weitere Titel holen wollen?
Um ehrlich zu sein: Sie sind nicht der Grund. Mir stellen sich andere Fragen: Was sagt meine Frau? Wie geht es meinen Kindern? Wie reagiert mein Körper? Mein Ziel war immer, so lange wie möglich zu spielen. Ich liebe diesen Sport und ich spüre immer noch eine grosse Leidenschaft dafür. Ich rufe mir immer wieder in Erinnerung, dass es mein Traum war, Tennisspieler zu werden. Ich sehe das nicht primär als Beruf. Wenn ich sehe, wie lange Agassi, Rosewall oder Emerson spielten, nehme ich das als Inspiration. Ich bin überrascht, dass es immer noch so gut geht, aber wir haben es vielleicht auch ein bisschen einfacher als frühere Generationen. Wir ernähren uns besser, wir bekommen Massagen, das Reisen ist einfacher und die Entourage grösser als in früheren Tagen.
Lassen Sie uns nochmals über den möglichen siebten Titel sprechen. Sie sind mit Roy Emerson und Novak Djokovic mit jeweils sechs Titeln in bester Gesellschaft.
Ob Sie es glauben oder nicht: Roy Emerson lehrte mich, wie man eine Kuh melkt. Nach meinem ersten Wimbledon-Sieg 2003 reiste ich nach Gstaad und Roy hielt dort gerade sein Sommer-Camp ab. Ich bekam als Geschenk für meinen Sieg eine Kuh und Emerson zeigte mir, wie man sie melkt. Das war zwar etwas seltsam. Aber ernsthaft jetzt: Es ist grossartig, dass ich mit Spielern wir Emerson und Djokovic den Turnierrekord halte. Novak und ich gehen weiter, wir werden sehen, was passieren wird.