Rafael Nadal lange verletzt, Novak Djokovic ausser Form, Jannik Sinner und Carlos Alcaraz zuletzt angeschlagen – das 123. French Open präsentiert sich offen wie schon lange nicht mehr.
Eigentlich wäre Alexander Zverev längst fällig für einen Grand-Slam-Titel – und nach seinem überzeugenden Triumph beim Masters-1000-Turnier in Rom vor einer Woche auch der logische Favorit für das am Sonntag beginnende French Open. Wenn der Deutsche in den wichtigen Spielen über drei Gewinnsätze bis jetzt nicht immer versagt hätte.
Nun kommt der Härtetest gleich zu Beginn. Der Weltranglistenvierte zog bei der Auslosung den Schwarzen Peter und trifft in der Startrunde auf die Roland-Garros-Legende Rafael Nadal. Der 14-fache Champion belegt nur noch Platz 276 des ATP-Rankings und war deshalb nicht gesetzt. Seine Leistungsstärke ist nach der langen Verletzungspause und angesichts seines Alters – er feiert in der zweiten Turnierwoche seinen 38. Geburtstag – ungewiss, gerade auf drei Gewinnsätze.
Das Duell könnte für Zverev also auch eine Chance sein, gleich richtig im Turnier anzukommen und weitere Moral zu tanken. Dennoch: Ein Nadal auf seiner liebsten Spielwiese sollte nie unterschätzt werden.
Viele verschiedene Sieger
Mit Nadal im Spätherbst seiner Karriere und vor bei seinem aller Wahrscheinlichkeit nach letzten French Open und einer Weltnummer 1 Novak Djokovic, die in diesem Jahr noch keinen Final erreicht hat, präsentiert sich die Ausgangslage so offen wie nie mehr seit 20 Jahren und dem Aufstieg der Big 3. Denn auch die logischen Erben, Australian-Open-Sieger Jannik Sinner und Wimbledon-Champion Carlos Alcaraz, schlugen sich zuletzt mit Verletzungen herum. Die beiden würden gemäss Papierform im Halbfinal aufeinandertreffen, ebenso wie Djokovic und Zverev.
Wie breit die Palette der Sieganwärter ist, zeigt ein Blick auf die Titelträger der wichtigsten Sandturniere in diesem Jahr: Stefanos Tsitsipas (Monte Carlo), Casper Ruud (Barcelona), Andrej Rublew (Madrid) und Zverev (Rom). Jeder von ihnen könnte in den kommenden zwei Wochen reif sein für den grossen Durchbruch. Ein Major-Turnier hat bisher keiner von ihnen gewonnen.
Final Swiatek – Sabalenka fast unausweichlich
Komplett entgegengesetzt sieht die Ausgangslage bei den Frauen aus. Alles andere als ein Final zwischen Iga Swiatek und Aryna Sabalenka – und einem vierten Titel der Polin in Paris – wäre eine grosse Überraschung. Die beiden standen sich sowohl in Madrid als auch in Rom im Final gegenüber, beide Male mit dem besseren Ende für Swiatek. Eine heikle Aufgabe könnte auf die Weltnummer 1 in der 2. Runde mit der ungesetzten Naomi Osaka warten.
So überlegen Sabalenka an den letzten beiden Australian Open auf Hartplatz zum Titel stürmte, so schwer tut sie sich bisher auf der «terre battue» in Paris. Der Halbfinal vom letzten Jahr, wo sie der überraschenden Karolina Muchova unterlag, ist das bislang mit Abstand beste Resultat der Belarussin. Die Tschechin Muchova fehlt in diesem Jahr ebenso wie die Weltnummer 5 Jessica Pegula, deren Ambitionen auf Sand aber ohnehin nicht riesig gewesen wären.