Simona Waltert erlebt am Billie Jean King Cup in Schottland ihre Premiere im Schweizer Team. Als Bündnerin war Tennis aber nicht ihre erste Wahl.
Andreas Seppi, langjähriger Tennisprofi aus der Ski-Hochburg Südtirol, sagte einmal zu seiner Berufswahl: «Ich habs halt nicht gerne kalt.» Ähnliches gilt auch für die Bündnerin Simona Waltert, die diese Woche mit 21 Jahren ihr Debüt im Team-Wettkampf erlebt. Innerhalb eines Jahres hat sie sich um rund 100 Positionen verbessert und klopft als Nummer 120 schon kräftig an die Pforte der Top 100.
Der Schweizer Captain Heinz Günthardt hatte Waltert schon länger auf dem Radar. «Sie hatte eigentlich schon lange die Schläge dafür», stellt der 63-jährige Zürcher und ehemalige Coach von Steffi Graf fest. «Nun setzt sie diese aber besser ein und glaubt auch mehr an sich selber.» Die Churerin ist keine vom Typ «Hoppla, hier bin ich», ihre sportliche Karriere war nicht schon in der Wiege vorgezeichnet. Waltert stand, als Bündnerin logischerweise, schon früh auf Ski und begann erst mit Tennis, weil die beiden älteren Geschwister spielten, und zugleich war es ein willkommener Ausgleich im Sommer. «Profigedanken gab es da keine.»
Corona für Entwicklung genützt
Das Talent war aber unverkennbar, und nach Abschluss der Sekundarschule in Chur zog sie ins nationale Leistungszentrum in Biel. «Ich dachte, wenn ich es als Tennisprofi versuche, dann richtig. Schule kann ich auch später noch nachholen.» Der Aufstieg verlief langsam, aber stetig, bis sie in diesem Sommer so richtig durchstartete. Waltert gewann ein Turnier der 60'000-Dollar-Kategorie in den Niederlanden, schlug beim WTA-Turnier in Lausanne die Weltnummer 7 Danielle Collins und erreichte erstmals auf WTA-Stufe die Viertelfinals.
Vielleicht wäre der grosse Sprung nach oben bereits früher erfolgt. Während Corona war es für aufstrebende Spielerinnen aber schwierig, im Ranking nach oben zu kommen, da die zuvor gewonnenen Punkte eingefroren wurden. Dennoch sieht Waltert die Zeit positiv. «Das war für meine Entwicklung als Sportlerin und Mensch sehr gut. Wann hat man schon so viel Zeit zum Trainieren.»
Noch viel Luft nach oben
Dennoch sieht sie noch sehr viele Verbesserungsmöglichkeiten bei sich. «Spielerisch, mental, physisch, überall. Ich habe noch viel Luft nach oben. Und das macht es ja auch interessant.» Um dieses Potenzial optimal ausschöpfen zu können, entschied sich Waltert in diesem Sommer zu einem grossen Schritt.
Sie trainiert nun in Cannes in Südfrankreich in der Akademie, in der auch der letztjährige US-Open-Champion Daniil Medwedew gross geworden ist. Noch arbeitet sie dort mit verschiedenen Trainern, um «alles kennenzulernen». Das Ziel ist aber klar: Im nächsten Jahr soll es erstmals mit einem Grand-Slam-Turnier klappen. «Erst ging es darum, in die Qualifikation zu kommen, dass ich nun dort gesetzt sein werde, ist ein wichtiger nächster Schritt.» Am Australian Open im Januar wird sie deshalb einen neuen Anlauf aus besserer Position in Angriff nehmen.
Zunächst aber ist sie diese Woche noch in Glasgow engagiert. Neben den Arrivierten Belinda Bencic, Jil Teichmann und Viktorija Golubic, die letztes Jahr erst im Final an Russland scheiterten, dürfte es mit einem Einsatz schwierig werden. Dennoch schwärmt Waltert vom Team: «Die Stimmung im Team ist mega cool. Wir lachen viel und es gibt jeden Tag wieder etwas Neues.»
Ski nur bei schönem Wetter
Danach stehen Ferien an. Vielleicht schafft es Waltert dann auch wieder mal auf die Ski. Wäre auch eine Karriere im Schnee möglich gewesen? Die Bündnerin lacht: «Schauen Sie sich meine Oberschenkel an. Die wären für eine Skikarriere viel zu dünn.» Gerne tut sie es aber noch immer, auch wenn sie nicht oft Gelegenheit zum Skifahren hat. «Im Moment schaffe ich es vielleicht zwei- bis dreimal im Jahr.»
Das Risiko versucht sie dabei so gering wie möglich zu halten. «Ich weiss, wann es keine Touristen hat, gehe nur bei schönem Wetter und nur solange, bis ich müde werde.» Waltert teilt die Einschätzung Seppis. «Ich habs definitiv auch lieber warm», meint sie lachend. Und strebt so wörtlich und im übertragenen Sinn der Sonne entgegen.