KommentarKommentar: Wawrinka abzuschreiben wäre ein grosser Fehler
Kommentar: René Weder
28.5.2018
Stan Wawrinka scheitert in Paris in der ersten Runde. Damit wird der Romand nach dem Turnier ausserhalb der Top 250 in der Weltrangliste klassiert sein. Ein Absturz, den man vor Jahresfrist nicht für möglich gehalten hätte. Trotz des Rückschlags tun wir gut daran, den Lausanner nicht abzuschreiben.
Schon im ersten Satz zeichnete sich ab, dass es heute noch nicht reichen wird: Wawrinka musste früh ein «Medical Time-Out» nehmen und sich am Knie behandeln lassen. Man befürchtete das Schlimmste. Doch Wawrinka bewies gewohnt Nehmer-Qualitäten, holte die Sätze zwei und drei, zeigte phasenweise starkes Tennis, bevor sein Gegner wieder zulegte – und Wawrinka die fehlende Fitness nicht kaschieren konnte.
Dass die Niederlage mit einem Absturz in der Weltrangliste einhergeht, weil die 1200 Punkte des letztjährigen Endspiels wegfallen, muss Wawrinka verkraften. Und er weiss, dass sich auch andere vor ihm aus den Tiefen des Rankings zurückgekämpft haben. Bestes Beispiel: Juan Martin Del Potro. Im Februar 2016 noch die Nr. 1045 der Welt – und nun wieder in den Top 10.
Wawrinka muss jetzt geduldig bleiben. Noch lässt der Körper Höchstleistungen zu. Das hat auch das Spiel gegen Garcia-Lopez gezeigt. Der Wille und auch die Emotionen sind da, das Feuer brennt immer noch für den Sport. Der dreifache Grand-Slam-Sieger kann ein Spiel immer noch diktieren, auch wenn es über fünf Sätze geht. Er braucht nun vor allem drei Dinge:
Erstens: Geduld
Die hat Wawrinka seit den Knie-Operationen nach Wimbledon 2017 zwar schon zur Genüge bewiesen. Aber die Rückkehr in die Top 10 gestaltet sich nun noch viel schwieriger als vor einigen Wochen. Dazu sind gute Auslosungen hilfreich, denn künftig können grosse Kaliber schon in den ersten Runden warten. Und: Wawrinka darf im Training nicht überpowern. Der Hilfe von Fitness-Coach Pierre Paganini kommt dabei eine speziell wichtige Bedeutung zu.
Zweitens: Das richtige Umfeld
Zwar sass Magnus Norman beim Erstrundenmatch Wawrinkas in Paris wieder auf der Tribüne, aber die Zusammenarbeit ist vage und der Spieler selbst möchte sich nicht konkret dazu äussern. Auf der Pressekonferenz sagt Wawrinka: «Wir haben keinen Stress, aber eigentlich wollen wir beide wieder zusammenarbeiten.» Klar ist: Norman hatte grossen Anteil an Wawrinkas Erfolgen früherer Tage. Entweder diese Zusammenarbeit wird neu belebt oder der Romand muss sich neue Impulse holen. Denkbar, dass hier auch Roger Federers Netzwerk helfen könnte.
Drittens: Den Support der Nation
Medien, Fans und Experten sollten Wawrinka nicht abschreiben, sondern ihn aufbauen und ihm den mentalen Support geben, den er braucht, um sich selbst zu pushen. Der Glaube an sich selbst darf Wawrinka nicht verlieren, sonst ist Schluss. In jüngster Vergangenheit hat man Wawrinka nicht immer den Respekt entgegengebracht, den er als einer der herausragendsten Athleten des Schweizer Sports verdient. Das muss sich ändern.