Ohne Satzverlust marschiert die 18-jährige Emma Raducanu in Flushing Meadows in den Viertelfinal. Geht ihr Höhenflug auch gegen die letzte Schweizer Hoffnung Belinda Bencic weiter?
Rückblende: Emma Raducanu spielt sich im Juli bei ihrem ersten Grand-Slam-Turnier in Wimbledon als Weltnummer 338 bis in den Achtelfinal und lässt die ganze britische Tennis-Nation träumen. Im Viertelfinal nimmt der Lauf der 18-Jährigen dann ein abruptes Ende, das im Anschluss für grosse Polemik sorgt. Nachdem der Teenager auch Ajla Tomljanovic bis Mitte des Startsatzes Paroli bieten kann, verschwindet sie nach fünf verlorenen Games in Serie aufgrund offensichtlicher Probleme in der Magengegend in die Katakomben – und kehrt nicht mehr auf den Court zurück.
Kurz darauf wird bekannt, dass die Britin die Partie wegen Atemproblemen aufgeben musste. «Ich bin geschockt, Emma muss verletzt sein, wenn sie die Entscheidung getroffen hat, aufzugeben», zeigt sich Gegnerin Tomljanovic besorgt. Weniger dramatisch sieht es TV-Kommentator John McEnroe, der den Rückzug in einer ersten Ferndiagnose als Zeichen mentaler Schwäche deutet: «Ich fühle Mitleid für Emma. Es scheint, dass es ihr ein bisschen viel wurde.»
Eindrückliche Rückkehr
Bei den US Open meldet sich Raducanu nun bloss zwei Monate später eindrücklich zurück. Mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit spielt sich der Teenager erst durch die Qualifikation und lässt dann auch ihre Gegnerinnen im Hauptfeld alt aussehen. Dank mittlerweile sieben Siegen am Stück schafft sie bei ihrem zweiten Major-Turnier der Karriere zum zweiten Mal den Sprung in die zweite Woche – und das jeweils notabene ohne Satzverlust.
Im Achtelfinal weist Raducanu Barty-Bezwingerin Shelby Rogers in die Schranken und verliert gegen die Amerikanerin nur drei Games – und damit zwei mehr als gegen die Spanierin Sorribes Toro in der Runde zuvor. Wirklich gefordert wird sie auf dem direkten Weg in den Viertelfinal eigentlich nie. Auch wenn die Tochter eines Rumänen und einer Chinesin betont: «Diese Resultate sind ziemlich irrelevant, weil die Games oft über Einstand gehen. Man kann sie alle gewinnen, aber es sind so enge Matches.»
«Etwas ganz Spezielles siehst du auf den ersten Blick»
Im Stile eines Routiniers dämpft Raducanu so die entstandene Euphorie um ihre Person. Schliesslich weiss sie nach den Erlebnissen in Wimbledon genau, wie schnell sich das Blatt wenden kann. Und wie damals in der Heimat reihen sich die Lobeshymnen auch in diesen Tagen in New York aneinander. «Etwas ganz Spezielles siehst du auf den ersten Blick; genau das ist Raducanu», schwärmt etwa die 18-fache Grand-Slam-Siegerin Martina Navratilova.
Auch Achtelfinal-Gegnerin Rogers ist voll des Lobes und bewundert insbesondere, wie Raducanu ihren allerersten Auftritt im imposanten Arthur-Ashe-Stadion meisterte. «Ich freue mich für sie. Das ist die nächste Generation unseres Sports, und er ist in guten Händen», so die 28-Jährige. Und der britische Fernsehmoderator Richard Osman ist bereits jetzt überzeugt: «Sie wird innerhalb von drei Jahren der grösste Star im britischen Sport sein.»
Viertelfinal-Gegnerin Bencic ist gewarnt
Im Viertelfinal wartet mit Olympiasiegerin Belinda Bencic die nächste Hürde auf die Weltnummer 150. «Sie hat viel Erfahrung auf der Tour. Sie ist in Topform, hat olympisches Gold gewonnen», weiss Raducanu und erwartet eine sehr schwierige Partie. «Ich weiss, wenn ich eine Chance haben will, muss ich wirklich gutes Tennis spielen.»
Gewarnt ist aber auch die Schweizerin. «Emma ist auf dem Vormarsch und ein tolles Talent», betont Bencic und fügt an: «Ich habe noch nicht viel gesehen, wie sie spielt. Aber was ich gesehen habe ist, dass sie definitiv sehr athletisch ist und sich gut bewegt. Und ich meine, sie liefert grossartige Ergebnisse.»