Das Märchen von Aslan Karatsev am Australian Open geht weiter. Der russische Qualifikant schafft Historisches und steht sensationell im Halbfinal.
Der 27-jährige Russe, die Nummer 114 der Welt, gewann im Viertelfinal 2:6, 6:4, 6:1, 6:2 gegen den als Nummer 18 gesetzten Grigor Dimitrov. Er profitierte dabei auch von einer Rückenverletzung, die den Bulgaren deutlich beeinträchtigte. Ein Zufall ist der Erfolg von Karatsev dennoch nicht.
Er startete seit der Coronapause richtig durch und verbesserte sich in der zweiten Hälfte des letzten Jahres von Position 253 auf 111. Nun wird er im ATP-Ranking weitere rund 70 Plätze gutmachen. Seit letztem August hat er 34 von 40 Spielen gewonnen. Den entscheidenden Schritt dazu machte der in Wladikawkas in Nord-Ossetien am Fuss des Kaukasus geborene Russe vor knapp drei Jahren mit dem Engagement des belarussischen Coaches Jahor Jazyk. «Er ist ein wahrer Glücksfall», schwärmt Karatsev.
Der Weg dahin war jedoch eine wahre Odyssee. Im Alter von drei Jahren siedelte er mit seiner Familie nach Israel um, wo er mit dem Tennis begann. Neun Jahre später kehrte er nach Rostow in Russland zurück, mit 18 dislozierte er nach Moskau. Über Halle in Deutschland und Barcelona landete er schliesslich in Minsk bei Jazyk. Zunächst verhinderten Verletzungen den Aufstieg, in den letzten paar Monate startete Karatsev nun aber so richtig durch.
Bester Debütant in der Profiära
Vor dem Sieg gegen Dimitrov setzte er sich bereits gegen die Weltnummer 9 Diego Schwartzman und die Nummer 19 Félix Auger-Aliassime durch. «Das ist einfach unglaublich», meinte er staunend. «Erstes Mal im Hauptfeld und gleich im Halbfinal.» Tatsächlich ist der Qualifikant der erste Spieler in der Profiära (seit 1968), der gleich bei seinem ersten Grand-Slam-Turnier in die Halbfinals einzog. Ausserdem hat er mit den bis jetzt rund 650'000 Dollar vom Australian Open sein Karriere-Preisgeld bereits mehr als verdoppelt.
«Eigentlich hatte ich letztes Jahr das Ziel, in die Top 100 vorzustossen», erklärte er. «Das ist mir nicht ganz gelungen, also war es nun das Ziel für dieses Jahr.» Nun wird er seine Ziele revidieren müssen – oder dürfen. Als erstes wird er nun im Halbfinal den Titelverteidiger und Weltranglistenersten Novak Djokovic herausfordern. Eigentlich hat er keine Chance. Aber wer hätte vor einem Jahr, als er Djokovics achten Australian-Open-Triumph im Final gegen Dominic Thiem im Fernsehen verfolgte, gedacht, dass er ein Jahr später auf dieser Bühne stehen würde. «Ich sicher nicht», gibt Karatsev schmunzelnd zu.