Politisch aufgeheiztes Duell Switolina verweigert Handshake – das Pariser Publikum tobt

sda / mar

6.6.2023 - 17:22

Nicht nur bildlich Welten dazwischen: Wie seit Beginn des Krieges in der Ukraine üblich, verweigerte Jelina Switolina der Belarussin Aryna Sabalenka den Handschlag
Nicht nur bildlich Welten dazwischen: Wie seit Beginn des Krieges in der Ukraine üblich, verweigerte Jelina Switolina der Belarussin Aryna Sabalenka den Handschlag
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Jelina Switolina gegen Aryna Sabalenka – das ist im Viertelfinal des French Open auch ein Duell der Ukraine gegen das mit dem Kriegstreiber Russland verbündete Belarus.

In der Pause, nachdem Aryna Sabalenka das erste Break gelungen ist, intoniert die in diesem Jahr in Roland Garros omnipräsente Blaskapelle «Bella ciao». Zufall oder nicht? Ob sie mit dem italienischen Partisanenlied der kriegsgeplagten Ukrainerin Jelina Switolina Mut machen will, bleibt ihr Geheimnis. Nützen tut es jedenfalls nichts.

Die Belarussin Sabalenka, der eine besondere Nähe zum diktatorischen Machthaber Alexander Lukaschenko nachgesagt wird, serviert souverän aus und holt sich den ersten Satz. Am Ende gewinnt die Favoritin dank der grösseren Wucht in ihren Schlägen in einer Partie ohne grosse Höhepunkte 6:4, 6:4. Danach geschieht, was derzeit immer passiert, wenn eine Ukrainerin gegen eine Russin oder Belarussin spielt: Switolina verweigert ihrer Gegnerin das sonst übliche Handshake am Netz.

Absicht oder nicht?

Sabalenka lässt Switolina dabei voll auflaufen. Sie stellt sich demonstrativ am Netz auf, als ob sie mit einem Handshake rechnen würde. Die Folge: Ein Teil des französischen Publikums deckt die Ukrainerin, die immerhin mit dem Publikumsliebling Gaël Monfils verheiratet ist und im Oktober die gemeinsame Tochter Skaï gebar, mit Buhrufen ein. Wie es auch anders gehen würde, zeigte die Russin Daria Kassatkina nach ihrer Niederlage gegen Switolina im Achtelfinal. Sie begab sich diskret zu ihrem Stuhl, gratulierte ihrer Gegnerin aber mit einem erhobenen Daumen.

Switolina bringt für Sabalenkas Verhalten kein Verständnis auf. «Ich weiss nicht, auf was sie am Netz gewartet hat. Mein Standpunkt zu den Handshakes war immer klar», erklärt die 28-Jährige aus Odessa danach. Die Belarussin weist allerdings jegliche Absicht von sich. «Das war einfach Instinkt, ich tat, was ich nach jedem Match tue.» Im Übrigen habe sie grössten Respekt vor Switolinas Leistungen als junge Mutter. «Sie hat die Buhrufe ganz sicher nicht verdient.»

Sabalenka distanziert sich von Lukaschenko

Sabalenka stellte sich am Dienstag erstmals seit der 2. Runde wieder den internationalen Medien. «Ich habe es immer gesagt und wiederhole es hier: Ich unterstütze keinen Krieg und ich möchte nicht, dass mein Land in einen Konflikt involviert ist.» Aber: Sie sei nur eine Tennisspielerin, keine Politikerin.

Die vielen Fotos von Lukaschenko mit ihr erklärt sie damit, dass dieser oft bei Fedcup-Partien dabei gewesen sei und es da halt Fotos gegeben habe. So klar wie nie stellt die 25-jährige aus Minsk klar: «Ich unterstütze den Krieg nicht, also unterstütze ich auch auch Lukaschenko nicht.» Ob das die Ukrainerinnen besänftigen wird, scheint zweifelhaft.

Es war auffallend, dass die Sympathien der Zuschauer in Roland Garros durchaus geteilt waren. Im Gegensatz zur kürzlichen Eishockey-WM in Lettland und Finnland waren im Stadion nur ganz vereinzelt ein paar ukrainische Flaggen zu sehen. Auch der Applaus nach gewonnen Punkten war keineswegs einseitig verteilt. Sie habe auch mit Buhrufen gerechnet, sagte Jelina Switolina. «Aber ich werde nicht mein Land verraten, damit man mich mag.»

Busse gefordert

Sie stelle sich auch unangenehmen Fragen, betonte sie, nicht wie Sabalenka nach ihren Erfolgen in der 3. und 4. Runde. Diese störte sich vor allem an den Fragen einer ukrainischen Journalistin und erklärte, sie habe sich «nicht sicher» gefühlt. Sie habe danach aber nicht gut geschlafen, denn sie habe Respekt gegenüber den Medien. Dennoch fand Switolina, dass das Fernbleiben der Konkurrentin von den eigentlich obligatorischen Pressekonferenzen Konsequenzen haben müsste. «Naomi Osaka musste letztes Jahr eine Busse bezahlen, das müsste jetzt auch der Fall sein», meinte sie. Noch lieber wäre ihr natürlich ein Ausschluss.

In keinem anderen Sport sind die Russen und Belarussen derzeit derart präsent wie im Tennis. Das gefällt nicht allen und wird weiter für Diskussionsstoff sorgen – gerade auch in Wimbledon, wo diese letztes Jahr ausgeschlossen waren. Daran dürften die erstmals relativ klaren Worte Aryna Sabalenkas wenig ändern. Bis dann könnte sie sogar die Nummer 1 der Welt werden. Dafür muss sie in Paris besser abschneiden als die Vorjahressiegerin Iga Swiatek, die ihren Viertelfinal erst am Mittwoch spielt.

sda / mar