Vier Spieler haben die Chance, nach dem US Open die Nummer 1 der ATP-Weltrangliste zu sein. Rafael Nadal hat dabei die komfortabelste Ausgangslage.
Das ATP-Ranking ist in den letzten Jahren kompliziert geworden. Erst in Wimbledon kehrte man nach Corona zur bewährten Zwölf-Monats-Berechnung zurück. Ältere Resultate – und damit auch Roger Federer – verschwanden aus der Weltrangliste. Nun wird sie aber einerseits durch die Tatsache verfälscht, dass es in Wimbledon wegen des Ausschlusses von Russen und Weissrussen keine Punkte gab, anderseits durch das Fehlen des ungeimpften Novak Djokovic bei vielen Turnieren.
Alleine in diesem Jahr verpasste der 21-fache Grand-Slam-Champion das Australian Open, Indian Wells, Miami, Montreal, Cincinnati und nun das US Open, weil er sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen will. Insgesamt «verschenkte» Djokovic damit auf den von ihm bevorzugten Hartplätzen 8000 mögliche ATP-Punkte. Zum Vergleich: Der aktuelle Leader Daniil Medwedew weist deren 6885 Punkte auf. Ohne Corona wäre der Serbe noch immer die Nummer 1.
Alle ausser Nadal brauchen Final
Nun balgen sich aber vier andere Spieler um den Platz an der Sonne: Medwedew, Rafael Nadal (aktuell die Nummer 3), Carlos Alcaraz (4) und Casper Ruud (7). Ursprünglich waren es sogar deren fünf, Stefanos Tsitsipas (5) scheiterte aber am Montag gleich in der 1. Runde. Seine Chance nicht wahrnehmen kann neben Djokovic (6) auch der rekonvaleszente Alexander Zverev (2). Die beste Ausgangslage hat Nadal. Selbst wenn er, der ebenfalls von einer Verletzung zurückkommt, in der 1. Runde verliert, benötigt jeder der vier anderen mindestens die Finalqualifikation, um die Rückkehr des Spaniers auf den Thron zu verhindern. Wenn Nadal die Halbfinals erreicht, brauchen die anderen den Turniersieg, um vor ihm zu bleiben.
Es bleibt also bis zum Ende spannend, solange mindestens einer aus dem Trio Medwedew, Alcaraz und Ruud im Turnier verbleibt. Der Russe und der Norweger sind in der oberen Tableauhälfte, sie brachten die 1. Runde am Montag ohne Probleme hinter sich. Nadal und Alcaraz bestreiten ihre Auftaktpartien am Dienstag.
Youngster gegen Oldie
Vor allem die Aussicht auf ein Halbfinal-Duell zwischen den beiden Spaniern ist pikant. Alcaraz bietet sich die Chance, im Alter von 19 Jahren und 4 Monaten die jüngste Nummer 1 der Geschichte zu werden. Bislang ist dies Lleyton Hewitt (20 Jahre, 8 Monate). Würde Nadal erstmals seit Februar 2020 wieder die Spitze übernehmen, wäre er mit 36 Jahren und 3 Monaten der zweitälteste Spieler nach Roger Federer (36 Jahre, 10 Monate). Da er bis zum Ende des Jahres keinerlei Punkte mehr zu verteidigen hat, dürfte Nadal noch weitere Chancen erhalten, wenn er fit bleibt.
Die Formkurve ist bei beiden Spaniern jedoch ein Unsicherheitsfaktor. Nadal spielte seit seinem Bauchmuskelriss vor dem Wimbledon-Halbfinal nur noch eine Partie, Alcaraz' kometenhafter Aufstieg geriet zuletzt etwas ins Stocken.
So darf sich vor allem auch Medwedew intakte Chancen ausrechnen, mit einer erfolgreichen Titelverteidigung an der Spitze zu bleiben. Der Russe könnte im Halbfinal auf Ruud treffen. Kein Norweger hat bisher ein Grand-Slam-Turnier gewonnen oder war die Nummer 1 der Welt. Ruud fühlt sich allerdings auf Sand deutlich wohler.