Roger Federers Entscheidung, die French Open vor dem Achtelfinale abzubrechen, löst gemischte Reaktionen aus. Doch der Meister in Sachen Karriereplanung wird schon wissen, was er tut.
Wo auch immer Federer antritt, es schwingt das ungute Gefühl mit, es könnte das letzte Mal sein. Und so hätten wir natürlich nur zu gerne gesehen, wie weit es der Schweizer in Paris schafft. Doch am Sonntag vermeldet Federer, aus heiterem Himmel kommt der Entscheid nicht, dass er nicht zu seinem Achtelfinal antreten wird. «Nach zwei Knieoperationen und über einem Jahr Rehabilitation ist es wichtig, dass ich auf meinen Körper höre und sicherstelle, dass ich mich auf meinem Weg der Genesung nicht zu schnell überfordere.»
Sein grosses Saisonziel ist und bleibt Wimbledon, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Und doch sieht man es nicht gerne, wenn ein Spieler frei von Verletzungen das Handtuch wirft. Noch ehe Federer seinen definitiven Rückzug vermeldet hatte, meinte Tennis-Experte Heinz Günthardt am Sonntagmorgen bei «SRF»: «Der Entscheid wäre plausibel, wenn ihm das Knie wieder weh tun würde. Aber er kann nicht sagen, er sei müde und habe nun genügend gespielt. Das ist in der Grand-Slam-Geschichte einzigartig und will mir nicht recht gefallen.»
«Das zeigt, dass er sein Comeback als Langzeitprojekt angelegt hat.»
Mats Wilander
Anders sieht das Boris Becker, der bei «Eurosport» als Experte zu Wort kommt: «Roger hat uns auf der Pressekonferenz darauf hingewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass er nicht mehr weiterspielen kann. Das finde ich fair.» Der dreimalige Wimbledon-Champion gibt aber zu: «Bei jedem anderen Spieler hätte man gesagt: ‹Wie kannst du nur den Koepfer aus dem Turnier werfen, der dann keine Chance hat, das Achtelfinale zu spielen.› Aber Roger hat sich diesen Nimbus erkämpft, ist vielleicht der beliebteste Spieler aller Zeiten.»
Mats Wilander, dreimaliger French-Open-Sieger, spricht von einer «guten Nachricht». Warum? «Das zeigt, dass er sein Comeback als Langzeitprojekt angelegt hat», meint der Schwede. Und weiter: «Er hat die Matches bekommen, die er gebraucht hat. Es wäre hart gewesen, gegen Matteo Berrettini anzutreten und danach vielleicht gegen Novak Djokovic oder Rafael Nadal. Roger mag alle Grand-Slam-Events und die verschiedenen Beläge, aber auf Rasen hat er die grössten Aussichten auf Erfolg.»
Weitere Reaktionen zum Federer-Rückzug
Stefanos Tsitsipas meinte nach seinem Viertelfinal-Einzug darauf angesprochen: «Ich habe gerade erst erfahren, dass sich Roger Federer aus dem Turnier zurückgezogen hat. Meine Reaktion ist: ‹Wow!› Er hat gut gespielt, ich habe ein paar seiner Partien gesehen. Ich hatte das Gefühl, dass er körperlich voll da war und gut Tennis spielen kann. Den Rückzug finde ich überraschend.»
«Ich glaube, dass er auch dieses Mal genau weiss, was er tut.»
Mischa Zverev
Mischa Zverev lobt den Schweizer für sein «grossartiges Tennis», das er in Paris gespielt habe. Und er stärkt dem Schweizer den Rücken: «Nach so vielen Jahren auf dem Platz verstehst du deinen Körper genau. Jedes Mal, wenn du etwas spürst, weisst du, was das möglicherweise für deine Zukunft bedeutet. Daher will Roger vorsichtig und für die Rasensaison bereit sein. Ich denke, er hat diesbezüglich immer sehr kluge Entscheidungen getroffen. Ich glaube, dass er auch dieses Mal genau weiss, was er tut.»
Der renommierte TV-Experte Patrick McEnroe übte leise Kritik, nachdem Federer Zweifel äusserte, ob er im Achtelfinal noch antreten würde: «Ich mag es nicht, dass er das gleich nach dem Spiel sagt.» Und sein Bruder John meinte, dass Federer beim Matchball vielleicht etwas «grosszügiger» hätte sein können. «Aber das kann ich aus Malibu leicht sagen», schiebt er nach. Und ein Spiel absichtlich zu verlieren, das hätte mit Fairness nun ja auch wirklich rein gar nichts am Hut.
Am lautesten und mit deutlichen Worten wird Federer vom ehemaligen Turnierdirektor der Australian Open, Paul McNamee, kritisiert. Auf Twitter schreibt er: «Du bist nicht in einem Süsswarenladen und kannst dir aussuchen, welche Spiele du spielen willst, weil deine Handlungen haben Einfluss auf andere und das Turnier.»
Die schärfsten Kritiker findet man aber, wen überrascht's, unter den Normalbürgern in den sozialen Medien. Manch einer schäumt dort nur so vor Wut …