Interview Betschart: «Eine Durchführung der Spiele wäre unfair gewesen»  

lbe

24.3.2020

Hoffte mittlerweile auf eine Verschiebung der Olympischen Spiele: Nina Betschart.
Hoffte mittlerweile auf eine Verschiebung der Olympischen Spiele: Nina Betschart.
Bild: Keystone

Die Olympischen Spiele in Tokio sollen um ein Jahr verschoben werden. Im Interview mit «Bluewin» erklärt Nina Betschart, wieso eine planmässige Durchführung auch im Beachvolleyball nicht vertretbar ist. 

Zusammen mit Tanja Hüberli verschafft sich Nina Betschart in der abgelaufenen Saison eine hervorragende Ausgangslage, die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio zu schaffen. Im Ranking steht das Duo derzeit als bestes Schweizer Team auf dem 7. Rang – die besten 15 qualifizieren sich direkt für Olympia.

Seit einigen Monaten ist eine Teilnahme dennoch ungewiss. Zuerst erleidet Tanja Hüberli im Dezember eine Lungenembolie, und jetzt – kaum hat sich Hüberli zurückgekämpft – macht das Coronavirus auch der Beachvolleyball-Szene einen Strich durch die Rechnung. Im Interview mit «Bluewin» spricht Betschart über die jüngsten Entwicklungen und erklärt, wieso sie mittlerweile selbst auf eine Verschiebung ihres bisherigen Karrierehighlights gehofft hat.


Nina Betschart, wie geht es Ihnen in diesen turbulenten Zeiten? Haben Sie ohne den üblichen Beachvolleyball-Alltag Langeweile?

Ich bin noch immer gesund – zum Glück. Langweilig wurde es mir bisher noch nicht! Weil wir so oft unterwegs sind, bin ich gerne auch mal zu Hause. Ich habe beispielsweise die ganze Küche aufgeräumt und einen Frühlingsputz gemacht. Dazu trainiere ich jeden Tag auf meinem Balkon.

Trainieren Sie ausschliesslich zu Hause? Gibt es für die Schweizer Beachvolleyballerinnen keine Sonderbewilligung?

Ja, bei uns ist alles geschlossen. Eine Sonderbewilligung, um unser Beachcenter in Bern in Kombination mit Magglingen zu nutzen, wurde geprüft – aber nicht bewilligt, weil es sich beim Beachcenter um eine private und nicht um eine ‹geschlossene› Anlage des Bundes handelt.

Wir hatten keine Chance, die nötigen Sicherheitsvorschriften zu gewährleisten – so wie es in Magglingen oder Tenero der Fall ist. Wenn man dorthin will, musst man zuerst fünf Tage in Quarantäne und darf diesen Ort dann nicht mehr verlassen. Falls doch, müsste man wieder für fünf Tage isoliert sein, bevor man wieder Zutritt erhält. Im Beachcenter Bern kann man zum Beispiel gar nicht übernachten.

Die Olympischen Spiele in Tokio werden nicht wie geplant über die Bühne gehen können und sollen um ein Jahr verschoben werden. Wie gross ist die Enttäuschung?

Es ist hart. Als Sportler macht man sich Gedanken, ob man die Qualifikation für die Spiele schafft oder hofft, dass man in dieser Zeit verletzungsfrei bleibt. Aber man überlegt sich nie im Leben, dass die grossen Olympischen Spiele nicht stattfinden könnten. Zudem war unsere ganze Timeline immer darauf ausgerichtet, auch wenn es glücklicherweise andere grosse Turniere gibt – Tokio war mehr oder weniger der einzige Fixpunkt in unserem Programm. Der fällt jetzt einfach weg, das ist ein komisches Gefühl.

Können Sie den Entscheid nachvollziehen?

Auf jeden Fall! Zum Glück will man die Spiele verschieben – und sagt sie nicht ab. Ich finde es die richtige Entscheidung, das Ganze nicht Ende Juli durchzuführen. Erstens habe ich das Gefühl, dass man zu diesem Zeitpunkt nicht verantworten kann, dass sich in Tokio Leute aus aller Welt versammeln, um Sport zu machen. Das macht in meinen Augen keinen Sinn – Stand jetzt. Zweitens beginnt es bereits bei der Qualifikation, die für einige Beteiligten bereits jetzt unfair verlaufen würden.

Inwiefern ist die Fairness nicht mehr gegeben?

Die Quali-Phase hätte bei uns Beachvolleyballern noch bis Mitte Juni angedauert. Bereits jetzt mussten viele Turniere gestrichen werden. Stand jetzt stehen nur noch zwei der ganz grossen Events auf dem Programm (in Rom und Moskau), die zur Qualifikation gezählt hätten. Deshalb wäre eine Durchführung für viele Teams unfair gewesen. Man hätte ihnen so die Chance genommen, die nötigen Punkte noch einzufahren. Aus diesem Grund wäre auch die Teilnahme an Olympia nicht dasselbe gewesen – wenn einige Teams fehlen, nur weil es für sie blöd gelaufen ist.

Zudem haben einige Länder bereits im Vorfeld angekündigt, im Sommer so oder so keine Athleten nach Tokio zu schicken …

Genau. Mit Kanada und Australien gaben zwei Nationen ihre Absage bekannt, die bei den Frauen im Beachvolleyball drei sehr gute Teams stellen. Hätten die Spiele trotzdem stattgefunden, wäre das einer Wettbewerbsverzerrung gleichgekommen. Als Sportlerin will man das nicht. Ausserdem fände ich es komisch, Olympia einfach durchzuprügeln, während die Welt mit solchen Problemen kämpft. Das wäre nicht wirklich im olympischen Gedanken gewesen, wie es auch Swiss Olympic geltend machte.

Kommt ihrem Team die Verschiebung in gewisser Weise sogar entgegen, nachdem Partnerin Tanja Hüberli im Dezember eine Lungenembolie erlitt?

Diese Frage hätte ich vor einiger Zeit wohl anders beantwortet. Aber jetzt sage ich: Nein. Ich war positiv überrascht, wie schnell sich Tanja erholte. Sie kann mittlerweile eigentlich wieder voll trainieren. Und im Trainingslager in Teneriffa konnten wir uns nach der Pause wieder etwas finden und an der Abstimmung feilen. Ich hätte jedenfalls null Bedenken gehabt, jetzt in die Saison zu starten. Wir befinden uns wieder im Fahrplan.

Es besteht auch Möglichkeit, dass die ganze Saison ausfällt. Was bedeutet das für ihre Planung?

Wir haben in letzter Zeit einzeln trainiert, wir sehen uns ja gar nicht mehr. Das hat mir persönlich aber geholfen, einen gewissen Abstand zu gewinnen. Mir wurde bewusst, dass die komplette Saison in Gefahr ist. Die Entscheidung soll gemäss Ankündigungen des Verbandes auch schon bald fallen. Wird alles abgeblasen, müssen wir uns neu überlegen, wie wir vorgehen. Vielleicht müssten wir gar pausieren, weil die Trainingsmöglichkeiten nicht gegeben sind. Und ein ganzes Jahr durchzutrainieren, bis man wieder ein Turnier spielen kann, scheint fragwürdig.

Beachvolleyball gehört zu den Randsportarten, in denen Sponsorengelder eine entscheidende Rolle spielen. Was passiert mit den Geldgebern, wenn nun eine ganze Saison ins Wasser fällt?

Das ist eine gute Frage. Sobald klar ist, was passiert, müssen wir das mit unseren persönlichen Sponsoren anschauen. Aber nicht nur das: Ich frage mich auch, was mit den Sponsoren der einzelnen Events passiert, wenn alles abgesagt wird. Unsere Turnierveranstalter sind sehr auf Sponsoren angewiesen, bereits in der vergangenen Saison mussten Turniere aus finanziellen Gründen abgesagt werden. Das stimmt schon nachdenklich.

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