Die Olympischen Spiele in Tokio, die Ski-WM in Cortina d'Ampezzo oder die Fussball-Europameisterschaft – das ablaufende Sportjahr war vollgepackt mit Schweizer Highlights. Ein Rückblick.
Déjà-vu auf Eis
Das Schweizer Nationalteam erlebte an der WM in Riga ein Déjà-vu: Zum zweiten Mal in Folge verspielte die Mannschaft von Trainer Patrick Fischer im Viertelfinal in der letzten Minute den Halbfinal-Einzug. Kassierten die Eisgenossen 2019 gegen Kanada den Ausgleich zum 2:2 0,4 Sekunden vor dem Ende, fehlten diesmal gegen Deutschland 44 Sekunden. In der Folge ging das Penaltyschiessen verloren. Das Scheitern war umso bitterer, weil die Schweizer sogar 2:0 vorne gelegen hatten. Nach dem 1:2 wurden sie jedoch viel zu passiv, «was mich am meisten ärgerte», sagte Fischer. Damit platzte der Traum vom ersten WM-Titel jäh – in der Vorrunde hatten die Schweizer über weite Strecken begeistert.
Schwimm-Sternstunden
Jérémy Desplanches und Noè Ponti sorgten im Tokioter Aquatics Center für zwei Sternstunden des Schweizer Schwimmsports, welcher zuvor in 125 Jahren Sommerspielen nur eine Medaille vorzuweisen hatte. Doch 37 Jahre nach Etienne Dagon brach Desplanches den Bann. Mit dem Gewinn der Bronzemedaille auf seiner Paradestrecke 200 m Lagen vollendete er seinen Masterplan. Der Genfer war im Frühjahr 2014 nach Nizza gezogen mit dem Ziel, in Tokio in die Top 3 vorzustossen. Nur 24 Stunden später doppelte Ponti nach. Inspiriert vom Teamleader schwamm der 20-jährige Tessiner über 100 m Delfin sensationell zu Bronze.
Der weibliche Wilhelm Tell
Nina Christen, seit Jahren eine Top-Schützin und in ihrer Paradedisziplin Dreistellungsmatch die Weltnummer 1, kannte vor den Olympischen Spielen kaum einer – das Los von Randsportarten. Bumm, bumm: Von einem Schuss auf den anderen ist der Name der 27-jährigen Nidwaldnerin schweizweit bekannt. Zuerst holt sie in ihrer Zweitdisziplin mit dem Luftgewehr in der ersten Medaillenentscheidung von Tokio 2021 Bronze. Eine Woche später mit dem Kleinkalibergewehr toppt sie dieses Resultat mit Gold im Dreistellungsmatch. Ihr Markenzeichen: Wenn es um die Entscheidung geht, trifft sie noch präziser. Beide Medaillen gewinnt Nina Christen nach einer Aufholjagd – nichts für schwache Nerven auf der Zuschauertribüne oder vor dem Fernseher.
Die WM der Lara
Es war ihre WM im Februar in Cortina d'Ampezzo. Im Nobelort in den Dolomiten schloss Lara Gut-Behrami in ihrem beeindruckenden Palmares eine der letzten Lücken. Sie gewann Gold an einem Grossanlass. Sie tat es gleich zweimal – im Super-G, in dem sie der Belastung der grossen Favoritin standhielt, und im Riesenslalom, in dem sie ihren Weg zurück an die Spitze nach drei enttäuschend verlaufenen Wintern krönte und sich damit ihren wohl grössten Herzenswunsch erfüllte. Ihre erfolgreiche Mission rundete die Tessinerin mit dem Gewinn von Bronze in der Abfahrt ab.
Sternstunde auf dem Bike
Erste Jolanda Neff, Zweite Sina Frei, Dritte Linda Indergand: Mit ihrem historischen Dreifachsieg sorgten die Mountainbikerinnen für den Schweizer Höhepunkt schlechthin an den Olympischen Spielen in Tokio. Während die favorisierten Französinnen in den Vulkanhügeln der Halbinsel Izu ungewohnte Schwächen zeigten, wuchsen die Schweizerinnen am Tag X über sich hinaus. Der Wissensvorsprung, den sich die Equipe um Trainer Edi Telser mit monatelanger Akribie verschafft hatte, zahlte sich für das Schweizer Trio voll aus. «Die Französinnen haben sich verzockt», befand Neff.
Als Federer aussah wie 39
Der 7. Juli 2021 könnte als der Tag in die Tennisgeschichte eingehen, an dem Roger Federers grandiose Karriere in Wimbledon zu Ende ging. Noch einmal versuchten 15'000 Fans auf dem legendären Centre Court alles, den Maestro aus der Schweiz zu einem weiteren denkwürdigen Glanzstück zu treiben – auch eine letzte Welle und Standing-Ovation nützten nichts mehr. Um 18.12 Uhr Lokalzeit ging im Viertelfinal gegen Hubert Hurkacz, die Nummer 18 der Welt, der letzte Satz 0:6 verloren. Nie zuvor war Federer das Alter von 39 Jahren so deutlich anzusehen. Noch hat er die Hoffnung nicht aufgegeben, noch einmal nach Wimbledon zurückzukehren. In Erinnerung bleiben wird aber so oder nicht dieses 0:6, sondern die unzähligen glanzvollen Auftritte auf dem Rasen mit der Rekordzahl von acht Titeln.
Das Jahrhundert-Spiel
Als Yann Sommer am 28. Juni um 23.44 Uhr Schweizer Zeit in Bukarest den Penalty des Franzosen Kylian Mbappé hielt, war er da – der Moment, auf den die Fussball-Schweiz mehr als ein halbes Jahrhundert lang gewartet hat. Zum ersten Mal seit 1954 stiess die SFV-Auswahl bei einer EM oder WM in den Viertelfinal vor. Dass dieser Sieg in einem denkwürdigen Spiel gegen den Weltmeister, nach einem 1:3-Rückstand und mit dem letzten Schuss im Penaltyschiessen zustande kam, gibt ihm über die lange Wartezeit hinaus eine historische Dimension. Schweiz vs. Frankreich im EM-Achtelfinal 2021 war tatsächlich das Schweizer Jahrhundert-Fussballspiel.
Der Olympia-Traum wird wahr
Belinda Bencic lebte in Tokio trotz Corona-Beschränkungen und leeren Stadien ihren olympischen Traum. Bereits vor der Abreise hatte sie ein Kribbeln im Bauch. «Es ist etwas, von dem ich später meinen Enkelkindern erzählen kann.» Noch vor dem ersten Ballwechsel war für sie, die allein mit Preisgeld mehr als neun Millionen Dollar verdient hat, das Erlebnis Olympia ein «Highlight des Jahres». «Andere sagen, dass der Rummel im olympischen Dorf ihnen Energie entzieht, beim mir ist das Gegenteil der Fall.» Diese Energie und ihre Passion trugen die Ostschweizerin bei hoher Luftfeuchtigkeit und extremer Hitze durch elf Partien in neun Tagen und so manchen heiklen Moment. Gold im Einzel, Silber im Doppel und die Wahl zur Sportlerin des Jahres waren der Lohn den Husarenritt.
YB spielt Manchester United an die Wand
Am 14. September schlug den Young Boys eine der nicht allzu häufigen Sternstunden eines Schweizer Klubs in der Champions League. Das mit zahlreichen neuen Stars aufgerüstete Manchester United gastierte im Wankdorf. Cristiano Ronaldo bestritt für die «Red Devils» seinen ersten internationalen Match nach der Rückkehr. Nach 13 Minuten erzielte er das 1:0. Aber nach einem Platzverweis gegen die United noch in der ersten Halbzeit spielten vor 31'120 begeisterten Fans nur noch die Berner. Zuletzt registrierte man 20:2 Torschüsse – und 2:1 Tore. Zum Sieg traf Jordan Siebatcheu tief in der Nachspielzeit.