Am Freitag, 28. Februar, wird der Internationale Sportgerichtshof (CAS) sein Urteil im «Fall Sun Yang» bekanntgeben. Dem Chinesen droht eine bis zu achtjährige Sperre.
«Während der Inspektion habe ich gemerkt, dass die Kontrolleure keine Papiere dabei haben, die sie als Kontrolleure ausweisen», erläuterte Sun Yang im Herbst 2019 bei seiner Anhörung in Lausanne den Umstand, wonach er es für richtig hielt, die im September 2018 entnommene Blutprobe von einem Angestellten mit einem Hammer zerstören zu lassen. Im Nachgang weigerte er sich zudem, eine Urinprobe abzugeben. Dies die Fakten.
Der Internationale Schwimmverband, die Weltdoping-Agentur WADA und letztlich auch der Internationale Sportgerichtshof beschäftigen sich bis heute mit dem Fall, denn der heute 28-Jährige Chinese nahm in der Folge weiter – äusserst erfolgreich – an Wettkämpfen teil. Allen Protesten seiner Kontrahenten und der internationalen Aufruhr zum Trotz. Dazu muss man wissen: Yang ist im Falle einer Verurteilung Wiederholungstäter – er sass bereits 2014 eine Dopingsperre ab. Jetzt droht dem dreifachen Olympiasieger eine zwei- bis achtjährige Verbannung. Und die wäre ganz im Sinne seiner Konkurrenten.
Athleten verlangen hartes Verdikt
Yang, der sich den unrühmlichen Übernamen des «Skandalschwimmers» machte, sorgte an der WM im letzten Jahr in Gwangju für mehrere Skandale, als er die unterlegenen Gegner, die ihm aus Protest den Handschlag verweigerten, bei der Siegerehrung verhöhnte.
Kritik an die Adresse des Chinesen kam vor allem aus Australien, Grossbritannien und Deutschland. Den Briten Duncan Scott beschimpfte Yang nach der Siegerehrung, weil dieser nicht auf ein gemeinsames Foto wollte. «Du bist ein Verlierer, ich bin ein Gewinner», fauchte Yang. Während sich seine Landsleute hinter ihr Aushängeschild stellten, hagelte es von allen Seiten Kritik. Auch die tat- und machtlosen Verbänden gerieten unter Beschuss: Jacob Heidtmann, der Athletensprecher des deutschen Teams, etwa sagte: «Dass der hier schwimmt, ist eine Frechheit für alle sauberen Athleten, für jeden, der für den sauberen Sport einsteht.»
Vor dem Urteil, das am Freitagmorgen um 9 Uhr erwartet wird, äussert sich auch der Südafrikaner Chad le Clos zum Fall Yang. Der in Rio 2016 unterlegene Silbermedaillengewinner über 200 Meter Freistil erwartet eine Sperre: «Jeder, der betrügt, muss verbannt werden. Ich sollte eine Goldmedaille erhalten. Dabei geht es mir nicht um den Moment des Triumphs, den Sieg kann man nicht ersetzen. Aber es ist eine Auszeichnung. Wenn ich mir heute das Bein breche und nicht mehr schwimmen kann, möchte ich, dass in meinem olympischen Palmarès steht: 'Zweimal Einzelgold, zweimal Einzelsilber'. Denn so sollte es sein.» Le Clos hatte in London 2012 Gold und Silber gewonnen, in Rio dann zweimal Silber. Wovon er nun einmal Gold sehen will.
Ein Freispruch käme einem Skandal gleich
In seiner Heimat China geniesst Yang derweil weiter Rückendeckung. Dort sieht man ihn als Opfer westlich orientierter Verbände und Gerichte. Die CAS-Anhörung im letzten Herbst, der ersten öffentlichen seit 20 Jahren, war übrigens geprägt von «technischen Schwierigkeiten» und Interpretationsfehlern, die sprachlich bedingt und wohl gezielt provoziert wurden. Yangs Anwälte sollen bemüht gewesen sein, das Verfahren zu verzögern.
Nun wartet die Schwimmwelt gespannt auf das Urteil. Zumindest in Europa, Australien, Südafrika und den USA ist man sich einig: Alles andere als eine mehrjährige Sperre wäre ein Affront und dem ohnehin oft unter Verdacht stehenden Schwimmsport nicht zuträglich.