Beim Startschuss zur 86. Tour de Suisse in Einsiedeln strahlt die Sonne – und mit ihr Stefan Küng. Der Thurgauer sorgt mit seinem Sieg im Zeitfahren für den perfekten Auftakt aus Schweizer Sicht.
Stefan Küng und die Tour de Suisse, das passt einfach. Schon vor zwei Jahren liess er sich beim Auftakt an seinem Wohnort Frauenfeld ins Maillot jaune einkleiden, nachdem er das begehrte Trikot bereits 2017 und 2018 durch die Heimat getragen hatte. 2021 wie heute triumphierte er im Zeitfahren.
Doch seither erlebte der WM-Zweite in seiner Paradedisziplin einige bittere Momente. Immer wieder waren die Sekunden oder Hundertstel nicht auf seiner Seite – dementsprechend gross der Frust. Siege waren für den zweifachen Europameister keine Selbstverständlichkeit mehr.
Küng: «Ich bin glücklich, dass ich wieder einmal alle schlagen konnte»
Nun hat es für Küng in einem grossen Zeitfahren endlich wieder einmal ganz nach vorne gereicht. Dementsprechend gross war seine Erleichterung: «Ich war in der letzten Zeit oft nah dran. Darum ist der Sieg für mich eine grosse Erleichterung, hier vor Heimpublikum, meinen Freunden und meiner Familie. Ich bin glücklich, dass ich wieder einmal alle schlagen konnte.»
Die starke Konkurrenz steigert den Wert von Küngs Sieg. Mit Remco Evenepoel und Wout van Aert liess der 29-jährige Ostschweizer vom Team Groupama-FDJ auf dem 12,7 km langen Kurs um den Sihlsee zwei absolute Topstars hinter sich.
Momente der Zweifel
Küng wirkt nach seinem Heimsieg gelöst und stolz. Er macht aber auch keinen Hehl daraus, dass bei ihm zuletzt Zweifel aufgekommen waren. Nicht nur ob des fehlenden Hundertstel-Glücks. «Als ich am Mittwoch von meinem zehntägigen Höhentrainingslager auf dem Säntis nach Hause zurückgekehrt bin, fühlt ich mich sehr müde. Ich wusste nicht, ob ich mich bis Sonntag genug erholen kann.»
Das gelang ihm offensichtlich. Die Differenz machte Küng auf der zweiten, topografisch schwierigeren Streckenhälfte. Und als er auf den letzten, ansteigenden Metern den Einsiedler Klosterplatz hochschoss, half ihm die jubelnde Menge, «um die Schmerzen zu vergessen.»
Mit dem Support am Strassenrand hofft Küng, «das Gelbe Trikot so lange wie möglich zu verteidigen. Ich kann nicht versprechen, dass meine Beine in den Bergen so gut sind wie im letzten Jahr.» Als Gesamtfünfter sorgte er damals für das beste Schweizer Resultat seit dem 2. Platz von Mathias Frank im Jahr 2014.
Nach einer Etappe für die Sprinter folgt am Dienstag in Villars-sur-Ollon bereits die erste Bergankunft, und damit auch der nächste Härtetest für Küng.
Bissegger «stabil»
Mit Stefan Bissegger hegte noch ein zweiter Schweizer Ambitionen auf den Tagessieg. Als Siebter büsste Küngs fünf Jahre jüngerer Namensvetter und Kantonskollege 20 Sekunden auf die Bestzeit ein, auf das Podest fehlten ihm zehn Sekunden. Weil er von einer längeren Verletzungspause zurückkommt, ordnete Bissegger seine Leistung als «stabil» ein: «Ich bin nicht ganz dort, wo ich sein wollte. Es stimmt mich aber zuversichtlich im Hinblick auf das WM-Zeitfahren im August. Ich habe noch Luft nach oben.»