Ironman-WM in Hawaii Ryf: «Natascha Badmann ist für mich eine Legende»

sda

5.10.2022 - 10:04

Daniela Ryf strebt auf Hawaii den sechsten Ironman-WM-Titel an.
Daniela Ryf strebt auf Hawaii den sechsten Ironman-WM-Titel an.
Bild: Keystone

Nach drei Jahren kehrt die Triathlon-Elite für die Ironman-WM zurück nach Hawaii. Für Daniela Ryf hat sich die pandemiebedingte Pause «länger angefühlt», wie sie im Interview mit Keystone-SDA betont.

5.10.2022 - 10:04

In der Nacht auf Freitag kann die 35-jährige Solothurnerin Daniela Ryf zum zweiten Mal innerhalb von fünf Monaten und zum sechsten Mal insgesamt Ironman-Weltmeisterin werden.

Daniela Ryf, mit dem sechsten Titel würden Sie zu Natascha Badmann aufschliessen. Was löst dieser Gedanke in Ihnen aus?

Daniela Ryf: «Badmann ist für mich eine Legende. Es ist eine Ehre für mich, mit ihr verglichen zu werden. Doch wir haben keinen Titelkampf, überhaupt nicht. So betrachtet braucht es keinen Vergleich. Sie hatte eine wundervolle Karriere. Was sie und für den Sport geleistet hat, ist absolut einmalig. Sie wird für mich immer die Hawaii-Ikone bleiben.»

Was hat sich alles in Ihrem Leben als Athletin geändert seit der letzten Ironman-WM auf Hawaii im Jahre 2019?

«Einiges, nicht nur im Coaching-Bereich. Ich habe mich als Person auch verändert. Von meiner Einstellung her. Ich habe mir intensiver Gedanken gemacht, weshalb und warum ich etwas mache. Und was mich happy macht und was nicht. Ich fühle mich jetzt an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich weiss, was ich möchte und was nicht. Es ist mir etwas weniger wichtig, was andere Leute denken. Das fühlt sich schön an. Ich bin dadurch mental stärker geworden. Im Sport hilft es mir, mit Druck umzugehen. Ich war zwar schon immer fähig, auf Knopfdruck bei wichtigen Anlässen das Maximum herauszuholen. Doch es hat mich immer sehr viel Energie gekostet. Ich denke nicht mehr soviel daran, was alles Negatives passieren könnte. Ich kann nun losgelöster an das Ganze herangehen. Man kann nichts verlieren, wenn man das Beste gibt.»

Wo sehen Sie sich als Athletin im Vergleich zu 2019?

«Die letzten drei Jahre haben mit Corona die ganze Welt verändert. Es sind nur drei Jahre. Vom Gefühl her sind es für mich aber mehr. Ich bin stolz auf meine Entwicklung, auch als Athletin. Es war nun auch sehr gut, die letzte Vorbereitung wieder in Maui zu absolvieren, weil ich da wieder wie früher die härtesten Trainings durchziehen konnte. Es war die fitteste Phase meines Lebens, die ich bislang in Maui erlebte. Ich konnte nun trotz Hitze die Trainings mit Freude bestreiten und fühle mich erneut sehr fit und sogar stärker als vor drei Jahren.»

An der Ironman-WM in St. George vor fünf Monaten trugen Sie eine Maske zur Vorwettkampf-Medienkonferenz. Dies im Gegensatz zu vielen anderen Athleten. Weshalb?

«Durch Corona habe ich mir bewusst gemacht, dass man sich schützen muss. Im Mai in St. George war Corona noch vorhanden. Es hatte da einige Athleten, die noch krank wurden. Es mag aber nicht nur Corona, sondern auch keine Erkältung leiden auf unserem Level. Sonst erreicht man sein gewohntes Niveau einfach nicht mehr. Einmal nicht desinfizieren und ein schwacher Tag vom Immunsystem her – dann geht es schnell. 2019 hatte ich definitiv den Fehler gemacht, dass ich zu viele Kontakte hatte. Ich hatte zwei Tage vor der Ironman-WM an der Medienkonferenz rund 200 Hände geschüttelt. Das war sicher ein Fehler. Aber es ist etwas, das man optimieren und das Risiko minimieren kann. Es ist einfach extrem schade, wenn man ein Investment wie ein mehrmonatiges Training auf den Saisonhöhepunkt hin wegen eines Infekts nicht umsetzen kann.»

Die vierfache Ironman-Weltmeisterin Chrissie Wellington war einige Jahre vor Ihnen bei vergleichbarem Vorwettkampf-Ungemach auf Hawaii gar nicht erst angetreten. Der zweifache Ironman-Weltmeister Patrick Lange stieg 2019 gesundheitlich bedingt aus, und der dreifache Ironman-Weltmeister Jan Frodeno spazierte wegen Rückenproblemen einst bis ins Ziel. Sie bissen sich 2019 durch und erreichten trotz des Magen-Darm-Infekts immerhin noch als 13. das Ziel. Weshalb?

«Nie aufzugeben finde ich eine gute Einstellung. Es gibt natürlich auch Momente, wo es keinen Sinn mehr macht. Doch grundsätzlich gilt für mich: Man kämpft sich durch und zieht es durch. Wenn es hart wird, denkt man dann nicht mehr darüber nach, ob man jetzt aufgeben soll. Ich bin 2018 beim Einschwimmen von einer Qualle gebissen worden und es ging mir wirklich schlecht. Ich wollte auch aufgeben. Aber am Ende des Tages gewann ich mit Streckenrekord. Dieses Rennen von 2018 hatte einen Einfluss darauf, dass ich auch 2019 nicht aufgeben wollte. Man darf die Hoffnung nicht verlieren, muss geduldig bleiben. Wenn man ein Rennen durchzieht und sich durchkämpft, wird es beim nächsten wieder einfacher. Ich weiss natürlich jetzt auch, wie lange das Rennen in Hawaii gehen kann, wenn es nicht läuft. Auch deshalb versuche ich unter allen Umständen, gesund an den Start zu gehen. Dann fühlt man sich gut und das Rennen macht mehr Spass.»

Wer hatte Sie vor ihrem Triumph in St. George abgeschrieben, von dem Sie es nicht erwartet hätten?

«Der Sieg vor fünf Monaten in St. George war für mich schon sehr viel Wert. Es war nicht eine bestimmte Person oder persönliche Enttäuschung, dass mich eine bestimmte Person abgeschrieben hatte. Es war das Gefühl, dass ich nicht mehr so gut ankomme. Dies aber eher von Fragestellern her. Da kam unterschwellig der Ton auf, dass ich es jetzt dann schon wieder mal zeigen müsse. Man spürte eine Erwartung, die nicht erfüllt wurde von mir. Doch wenn Personen hohe Erwartungen an einen haben, ist dies ja auch ein Kompliment. Es wird immer wieder Leute geben, die einen anzweifeln – egal, was man macht. Das ist menschlich. Das darf man nicht persönlich nehmen und überbewerten. Eine langfristige Motivation zu haben, jemanden etwas zu beweisen, ist sicher nicht gesund. Mich treibt es einfach an, gute Rennen zu zeigen.»

Zwei hoch eingestufte Konkurrentinnen, Lucy Charles-Barclay und Laura Philipp, waren in St. George gesundheitlich bedingt nicht am Start. Jetzt sind sie wieder dabei. Inwiefern ändert sich dadurch die Renndynamik?

«Für die Renntaktik aus meiner Warte ist für mich vor allem ein Vorteil, dass Lucy wieder am Start ist. Sie schwimmt schnell und agiert dann aggressiv auf dem Rad. Das ist gut für mich, dann kann ich jagen und bin selbst nicht die Gejagte. Ich bin vorab aber auch gespannt, inwiefern die frühere schwedische Olympia-Zweite Lisa Norden bei ihrem Debüt auf Hawaii abschneidet. Sie schwamm in St. George gut und war auch im Radfahren top; beides in meinem Bereich. Dann natürlich die Deutsche Anne Haug, die Siegerin von 2019. Vor ihr habe ich sehr viel Respekt. Dann ist noch die Amerikanerin Heather Jackson, die immer auch für ein Top-Resultat gut ist. Ich selbst möchte einfach gesund an der Startlinie stehen und zeigen, was in mir steckt.»

Wovor haben Sie in Hawaii am meisten Respekt?

«Die Bedingungen mit der Luftfeuchtigkeit von bis zu 80 Prozent auf der Strecke. Es ist dann sehr träge zum Schwimmen und auch zum Atmen. Auf den 180 Radkilometern ist es zudem wichtig, dass die Zeitfahr-Position stimmt. Daran habe ich die letzten drei Jahre auch viel gearbeitet. Maui ist für mich als Vorbereitungsort auch deshalb ein gutes Trainingsdomizil, weil man da das Zeitfahren gut trainieren kann.»

Wie sehen Sie Ihre Zukunft und wie lange machen Sie sicher noch weiter? Oder planen Sie einfach von Jahr zu Jahr?

«Ich werde sicher nicht bis Mitte 40 weitermachen, schaue schon eher von Jahr zu Jahr, und wähle Wettkämpfe aus, die mir Spass machen. Für Hawaii brenne ich aber nach wie vor am meisten. Das ist für mich das grosse Rennen, das mich immer wieder enorm motiviert. Das merke ich auch jetzt wieder.»

sda