Wechselbad der GefühleHüberli/Betschart: Der 🥈-Exploit an der Beachvolleyball-EM
Luca Betschart
23.7.2018
Die Schweiz stellt nach 2014 und Hüberli/Goricanec erneut die Vize-Europameisterinnen im Beachvolleyball: Für das Duo Hüberli/Betschart endet das Turnier erst im Endspiel mit einer Niederlage gegen Gastgeber Holland. Ein Blick zurück auf eine unvergessliche Woche – aus Sicht des stolzen Bruders am Spielfeldrand.
Ein wenig angespannt aber voller Vorfreude reise ich am vergangenen Dienstag nach Utrecht, der viertgrössten Stadt Hollands und einer von vier Austragungsorten der diesjährigen Beachvolleyball-EM. Wenige Minuten nach der Landung in Amsterdam erhalte ich die Nachricht vom zweiten Sieg im zweiten Spiel meiner Schwester Nina. Unter meine Vorfreude mischt sich auf der halbstündigen Zugfahrt nach Utrecht auch Nervosität, die Zeit vergeht weniger schnell, als ich mir das erhoffe. Dann das böse Erwachen: Das im Stadtzentrum aufgebaute Stadion mit rund 2000 Plätzen ist zumindest für die Abendspiele der Folgetage komplett ausverkauft. Dabei hilft auch das Kontingent von zwei Gratis-Eintritten pro Tag und Spielerin nicht wirklich, wenn neben dem Bruder auch die Eltern, die Grossmutter und eine Tante anreisen.
Glücklicherweise finden wir eine Lösung, sodass alle Angehörigen für die Spiele von Nina und Tanja nicht nur vor Ort, sondern auch im Stadion sein können. Als gesetzte Nr. 5 des Turniers gelingt es dem Schweizer Team, seiner Favoritenrolle in der Gruppenphase gerecht zu werden. Mit dem dritten Sieg im dritten Vorrundenspiel ist die vorzeitige Achtelfinal-Qualifikation geschafft – und ein zusätzlicher halber Tag Ruhepause garantiert. Einem gemeinsamen Abendessen steht nichts im Weg, doch sind alle permanent am Handy, da zeitgleich die mit Spannung erwartete Auslosung der K.o.-Phase stattfindet.
Wer verliert, fliegt
Für Nina und Tanja beginnt diese mit dem Achtelfinal gegen das deutsche Team Borger/Kozuch, der Nr. 7 des Turniers. Wer verliert, fliegt. Es folgt ein offener Schlagabtausch auf hohem Niveau. Trotz starker Vorstellung mit wenig Eigenfehlern verlieren die Schweizerinnen den ersten Satz. Dann der Befreiungsschlag: Dank viel Kampfgeist, Wille und womöglich der besten Leistung im gesamten Turnier gelingt den beiden Akteurinnen mit dem Gewinn der Sätze 2 und 3 die Wende. Die Erleichterung nach dem genutzten Matchball ist gross – nicht nur bei Spielerinnen und Trainer.
Mit dem Achtelfinalsieg und dem damit gesicherten geteilten 5. Rang ist der Hunger auf mehr endgültig geweckt. Auch den Viertelfinal gegen Bieneck/Schneider aus Deutschland dreht das Schweizer Duo – unter anderem dank neun (!) Punkten in Serie. In der «Schweizer Ecke» auf der Tribüne machen sich Euphorie und Stolz gleichermassen breit. Unterstützt von den holländischen Fans – ein Volk, das weiss, wie man feiert – wird lange nach Spielende zu entsprechender Musik ausgelassen gefeiert. Allerdings ohne Tanja und Nina.
Ausgelassene Stimmung im Stadion in Utrecht
23.07.2018
Für sie geht es direkt nach Spielende und Interviews mit einem Shuttle nach Den Haag, wo tags darauf die Halbfinal- und Finalspiele ausgetragen werden. Es ist bereits nach Mitternacht, als die Spielerinnen ihr Hotelzimmer beziehen und von einer EM-Medaille träumen dürfen.
Ein dramatischer Halbfinal
Rund 16 Stunden später und nach einer weiteren dramatischen Wende gegen Spanien mit zwei abgewehrten Matchbällen haben sie diese Medaille tatsächlich im Sack. Mehr Emotionen gehen nicht: Die Anspannung auf der Tribüne weicht der ungehaltenen Freude über den Finaleinzug. Zu diesem Zeitpunkt bin ich mit den Nerven längst am Ende.
Als wir vor dem Stadion das «Wunder von Den Haag» verarbeiten, nimmt das Märchen drinnen seinen Lauf: Gastgeber Holland behält im zweiten Halbfinal nach Rückstand gegen Tschechien die Oberhand, womit ein proppenvolles Stadion fürs Endspiel garantiert ist.
— DELA European Championship Beach Volleyball 2018 (@EuroBeach2018) July 21, 2018
Es folgt ein Traumfinal – leider ohne Happy End für die Schweizerinnen. Nina und Tanja wehren sich nach Kräften gegen entfesselt aufspielende Lokalmatadorinnen. Wieder geht der erste Satz verloren, wieder legt das Duo im zweiten Satz zu, erhöht Tempo und Schlagkraft. Doch die Leistungssteigerung kommt zu spät. Die erste Niederlage im letzten Spiel schmerzt nicht nur die Spielerinnen, sondern macht auch den Fans zu schaffen. Der Frust über verpasstes Gold weicht der Freude über gewonnenes Silber aber schon beim gemeinsamen Abendessen mit Pommes und Burger. Und wenig später gibts im Nachtklub «The Millers» gar einen Freudentanz der Silberheldinnen zu beobachten. Eine wahnsinnige Woche neigt sich dem Ende und ich reise noch stolzer in die Schweiz zurück, als ich sie verlassen habe. Die nächste EM kann kommen.