38 Jahre muss die Niederlande nach dem Triumph von Joop Zoetemelk auf den nächsten Strassen-Weltmeister warten. Mathieu van der Poel erlöst in Glasgow die Radsport-Nation – trotz eines Sturzes.
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- Mathieu van der Poel gewinnt die Strassen-Weltmeisterschaft.
- Auf der Liste, was der 28-jährige Niederländer in seiner Karriere noch erreichen wolle, «kann ich nun eines meiner letzten Ziele abhaken.»
Dürfte er sich einen WM-Parcours selber designen, Mathieu van der Poel hätte wohl durchaus einen Kurs wie denjenigen in Glasgow zusammengestellt. Der extrem verwinkelte Innenstadt-Circuit – mit fast 50 Kurven auf den gut 14 km, die zehnmal zu befahren waren -, kam den Fähigkeiten des Niederländers stark entgegen.
Dass für die letzten vier Runden der Regen einsetzte, dürfte dem fünffachen Radquer-Weltmeister noch zusätzlich Auftrieb verliehen haben. 22 km vor dem Ziel lancierte er in einem der vielen giftigen Anstiege die entscheidende Attacke. Wobei: Die nasse und dadurch an einigen Stellen besonders glitschige Fahrbahn sorgte auch bei Van der Poel für einen Schreckmoment. Kurz vor Ende der zweitletzten Runde stürzte der 28-Jährige.
Sturz ohne grössere Folgen
Er hatte insofern Glück, dass er sich auf der rechten Seite nur den Ellenbogen etwas blutig schlug, das Trikot zerriss und einen letztlich nicht gravierenden Materialdefekt am Schuh erlitt. Innert Sekunden sass Van der Poel wieder auf seinem Rennvelo, um weiterzufahren.
Zum Zeitpunkt des Sturzes hatte er sich bereits um mehr als eine halbe Minute von seinen letzten Begleitern Wout van Aert, Tadej Pogacar und Mads Pedersen abgesetzt. Am Ende des äusserst selektiven Ausscheidungsrennens über 271,1 km von Edinburgh nach Glasgow betrug sein Vorsprung auf seinen belgischen Erzrivalen Van Aert gut eineinhalb Minuten. Bronze sicherte sich der Slowene Pogacar mit 1:45 Minuten Rückstand.
Van der Poel waren die grossen Emotionen bei der Zieldurchfahrt und in den Minuten danach stark anzumerken. «Für mich wird mit diesem Weltmeistertrikot ein Kindheitstraum wahr. Dieses im kommenden Frühling während den Klassikern tragen zu dürfen, wird sehr speziell», so der Enkel der französischen Legende Raymond Poulidor.
Aktueller Strassen- und Quer-Weltmeister
Aber nicht nur sein Grossvater, dem es trotz acht Top-3-Gesamtplätzen verwehrt blieb, die Tour de France zu gewinnen, gehört zu den Grossen des Radsports. Diesem exklusiven Zirkel darf spätestens seit dem Triumph in Glasgow auch Mathieu van der Poel zugerechnet werden.
Nach mehreren Klassiker-Triumphen, darunter Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix in diesem Jahr und zweimal die Flandern-Rundfahrt, sowie einem Etappensieg an der Tour de France ist der WM-Titel sein bislang grösster Erfolg auf der Strasse. Zudem ist «MVDP» ein ausgesprochener Allrounder auf zwei Rädern. Er ist auch der aktuelle Weltmeister im Radquer, auf dem Mountainbike war er der erste, der die langjährige Dominanz von Nino Schurter durchbrach.
Van Aert: «Mathieu war der Stärkste»
Auf der Liste, was er in seiner Karriere noch erreichen wolle, «kann ich nun eines meiner letzten Ziele abhaken», befand Van der Poel im Siegerinterview. Das aufgrund der speziellen Streckenführung ungewohnte Rennen beschrieb der Niederländer als «verrückt. Es wurde wie bei den Junioren vom Anfang bis zum Ende Tempo gebolzt.»
Der zweitklassierte Wout van Aert sprach davon, «dass wir jede Runde gefahren sind, als wäre es die letzte. Das Rennen war deshalb noch härter als ich mir vorgestellt hatte.» Dass er gegen seinen langjährigen Konkurrenten den Kürzeren zog, akzeptiere er, so der Belgier. «Ich wollte natürlich gewinnen, aber ich bin mit Silber trotzdem nicht enttäuscht. Ich habe keinen Irrtum begangen, Mathieu war ganz einfach der Stärkste. Als er antrat, war ich an seinem Hinterrad, aber ich konnte es nicht halten.»