Max Heinzer ist unbestrittener Leader der Schweizer Degen-Weltmeister-Equipe und verkörpert bereits seit einem Jahrzehnt Weltspitze.
Nicht ausgeschlossen, dass der 31-jährige Schwyzer noch ein weiteres Jahrzehnt Aushängeschild des Schweizer Fechtsports bleibt. Zumindest schliesst es Heinzer im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vor dem Heim-Weltcup-Auftakt in Bern nicht aus.
In Bern erfolgt der Auftakt in die Saison im Degen-Weltcup der Männer und damit der Beginn des Countdowns für die einjährige Olympia-Qualifikationsphase für Tokio 2020. Die Qualifikationsphase startet im kommenden April.
Max Heinzer, der geschichtsträchtige WM-Goldgewinn mit dem Schweizer Männerdegen-Team ist erst wenige Monate her.
Max Heinzer: «Die letzte Saison mit dem zehnten Weltcup-Sieg für mich persönlich und dem Team-WM-Titelgewinn war sehr erfolgreich. Ich kann gut darauf aufbauen. Die kommende Saison ist nun zweigeteilt. Es gilt im ersten Teil, Selbstvertrauen zu sammeln und sich für die Olympia-Qualifikation ab kommendem April gut zu positionieren. Und in dieser Qualifikationsphase wollen wir die Olympia-Startplätze für Tokio über das Team auch für das Einzel holen.»
Welche Resonanz löste der erstmalige Team-WM-Titelgewinn der Schweizer Fechtgeschichte aus?
«Der Kindheits-Traum, sich Weltmeister nennen zu können, ist in Erfüllung gegangen. Die Resonanz von Freunden, Bekannten und so weiter war gewaltig. Es herrschte viel Respekt und Freude rundherum. Die ganze Fecht-Schweiz schätzte den Titelgewinn. Dennoch dürfen wir uns nun nicht ausruhen. Es gilt, die nächsten Ziele anzugreifen und diesen WM-Titelgewinn zu bestätigen. Möglichst schon am Sonntag am Team-Weltcup in Bern.»
Welche Art von Honorierungen folgten hierzulande für die Team-Weltmeister und inwiefern profitierte auch der Verband beim Engagement von Sponsoren?
«Swiss Fencing konnte vom Team-WM-Titel sicher profitieren, sie sind noch auf Sponsorensuche. Wir Athleten hatten beispielsweise von Swiss Olympic oder vom WM-Veranstalter Prämien erhalten. Auch von den Kantonen gab es Unterstützung. In Basel wurden wir beispielsweise geehrt.»
In der Team-Wertung bei der Wahl der Schweizer Sportler des Jahres schafften es die Fechter trotz dem geschichtsträchtigen Erfolg nicht einmal in die Top 3.
«Ich erwartete überhaupt nichts. Ich finde es immer schwierig, Sportarten miteinander zu vergleichen. Sicher wäre eine Ehrung schön gewesen. Ich weiss, dass Fechten ein Randsport ist. Ich weiss aber auch, was wir geleistet haben. Wenn man sieht, dass der Fecht-WM-Titel erstmalig ist, spricht das schon für sich. Ich bin aber der Falsche, um dies mit den Erfolgen der anderen Sportarten zu vergleichen. Ich würde unseren Titelgewinn sicher sehr stark gewichten. Dennoch rechnete ich bereits zum vornherein damit, dass wir es nicht in die Top 3 der Wahl schaffen werden.»
Thema-Wechsel. Wie erfolgt eigentlich Ihre Trainingssteuerung für die zweigeteilte Saison?
«Ich bin mir solche langen Saisons aufgrund der Olympia-Qualifikation schon von der Vergangenheit und den Zyklen für London 2012 und Rio 2016 gewohnt. Es verhält sich nun nicht so, dass ich nur auf den April und den Start der Olympia-Qualifikation setze. Wenn man bis dahin keine Resultate macht, ist es auch nicht gut. Man muss die ganze Saison hindurch fit sein. Ich versuche jeweils im Saisonaufbau, das Maximum an Training hinzuhauen. In der Wettkampf-Woche setze ich dann aber jeweils nur noch Akzente in der Spritzigkeit.»
Welche Veränderungen im Umfeld oder in der Trainingsgestaltung erfolgten im Vergleich zum Saisonstart vor einem Jahr?
«Die grösste Veränderung war und ist meine Vaterschaft. Seit ich im Dezember letzten Jahres Vater wurde, bin ich lockerer und gelassener geworden. Einfach weniger verbissen. Das Beissen und den inneren Schweinehund überwinden kann ich aber im Training immer noch. Und schliesslich hat mich das auch an die Weltspitze geführt. Doch wenn ich mal schlechtere Trainings habe, kann ich dies viel besser wegstecken als vorher. Wenn ich heimkomme und es meiner Partnerin und dem Kind gut geht, ist auch meine Welt sofort wieder in Ordnung.»
Sie gelten als innovativ, gerade auch in Bezug auf selbst entwickelte Trainingsmethoden. Neuerdings machen Sie Familien-Wanderungen mit Ihrem Sohn Mael im Huckepack.
«Von Küssnacht am Rigi wanderten wir in den letzten Wochen oft auf die Rigi hinauf. Das sind rund 1300 Höhenmeter. Ich habe dann rund 10 Kilo auf dem Rücken. Man denkt nicht ans Fechten bei diesen Wanderungen und dennoch hilft es auch fürs Fechten. Es ist durchaus als leichtes Ausdauer-Training zu werten.»
Das WM-Gold-Team ist in Sachen gleichbleibende Besetzung nicht in Stein gemeisselt - oder doch?
«Es hat bis zu acht Fechter, die für die vier Plätze infrage kommen. Jeder muss seine Leistung zeigen, um im Team sein zu dürfen. Bis zum Start der Olympia-Qualifikationsphase wird es schon noch immer mal wieder Änderungen geben. Vielleicht ist jemand verletzt oder ein anderer hat eine Baisse. Dass wir am Sonntag in Bern aber noch in der WM-Formation starten, ist dennoch klar. Da es ja noch keinen anderen wichtigen Event gab und es auch der Weltcup-Saisonauftakt vor Heimpublikum ist.»
Gilt es immer noch, dass Sie nur bis Tokio 2020 weitermachen?
«Wenn ich das Durchschnittsalter der Top-Ten-Fechter der Weltrangliste betrachte, bin ich mit meinen 31 Jahren immer noch relativ jung und voll dabei. Von den aktuellen Topfechtern war Bogdan Nikischin beispielsweise bei seinem ersten Triumph erst 33. Mittlerweile hat der Ukrainer schon sechs Einzel-Weltcups gewonnen und viele Podestplätze erreicht. Ich habe noch viele andere Ziele vor Tokio. Es gibt noch viel anderes zu gewinnen, Weltcups und weitere EM- und WM-Medaillen. Derzeit könnte ich es mir schon vorstellen, nach Tokio weiter zu machen. Ich fühle mich aktuell noch genug gut und hungrig. Doch momentan ist das noch sehr weit weg. Die Familie muss nach Tokio natürlich mitentscheiden. Der Spass müsste auch weiter vorhanden sein und die Resultate müssten natürlich stimmen. Es könnte auch sein, dass ich mit 33 plötzlich nicht mehr mithalten kann.»
Der Ungar Geza Imre verkörperte mit 41 Jahren noch immer Weltspitze. Er verlor in diesem Alter in Rio nur knapp den Olympia-Final. Mit 40 plus noch zu fechten wäre für Sie aber kein Thema?
«Ich würde es nicht komplett ausschliessen, wenn es mir dann noch extrem viel Spass macht. Obschon es viele Beispiele von erfolgreichen Fechtern in höherem Alter gibt, die mich auch sehr motivieren, muss ich persönlich aufpassen. Über 30 braucht man beispielsweise einfach länger, um nach einer Verletzung zurückzukommen.»
Wie beurteilen Sie Ihre Chancen zum Weltcup-Auftakt im Einzel vom Samstag in Bern, wo Sie bereits drei Mal triumphieren konnten?
«Ich fühle mich aktuell sehr gut, bin schnell und kräftig. Das sind auch meine bekannten Stärken. Dennoch muss für ein Spitzenresultat alles zusammenpassen. Noch nicht richtig einschätzen kann ich meine Ausdauer. Da kann ich im Training mein Tempo hinten hinaus noch nicht ganz so hoch halten wie ich das selbst möchte. Ich fühle mich bereit für Bern, werde aber sicher nicht dominieren können, sondern muss Gefecht für Gefecht nehmen. Heikel ist immer das erste Duell in den Top 64. Da gibt es viele junge, hungrige Fechter, die mir ein Bein stellen können und möchten. Dafür muss ich einfach gewappnet sein.»