Die Leistungen an der Tour de France faszinieren, und sie verlangen nach Erklärungen. Bei der Austragung 2024 rückt die Kohlenmonoxid-Methode in den Fokus.
Ernst König, Direktor von Swiss Sport Integrity, ordnet ein.
Den Stein ins Rollen brachte das Cycling-Portal «Escape Collective» in der letzten Tour-Woche. Das Webmagazin hatte festgehalten, dass unter anderem die Mannschaften UAE Emirates (Tadej Pogacar) oder Visma (Jonas Vingegaard) das Kohlenmonoxid-Rückatmungsgerät anwenden. Die Equipen haben dies auch bestätigt, der Gebrauch ist weder neu noch verboten. Mit dieser Apparatur lässt sich nach einem Höhentrainingslager der Erfolg des Camps messen.
Drei Punkte sorgen für den Hype
Drei Punkte oder Vorfälle liessen die ganze Sache mit dem Kohlenmonoxid hochkochen und in die Grauzone des Doping-Missbrauchs rücken:
Erstens sucht jedermann nach Erklärungen, wenn Pogacar und Co. bei den Berganstiegen die Rekorde der überführten Doper aus der Hochzeit des EPO-Betrugs pulverisieren – bei diesen Fabelzeiten genügen den meisten die Verweise auf die Fortschritte in Sachen Technik, Material, Trainingsmethodik oder Ernährung nicht mehr.
Zweitens verhielt sich Pogacar ungeschickt. Im Rahmen der Pressekonferenz am Dienstag wurde er von der Frage zur Kohlenmonoxid-Thematik überrascht. Er wusste nicht recht, was er sagen soll und wich aus: «Ich kann das nicht kommentieren. Ich weiss nichts darüber. Ich dachte immer, das ist das, was aus dem Auspuff der Autos kommt. Vielleicht bin ich einfach ungebildet.» Erst einen Tag später sagte er dann: «Das ist eine Testmethode, um zu sehen, wie man auf die Höhe reagiert». Er beschrieb ausführlich, wie so ein Test funktioniert.
Drittens lässt sich mit dem Kohlenmonoxid-Rückatmungsgerät die Anwendung quasi umkehren. Man kann damit auch das hochgiftige Kohlenmonoxid (das Gas wird manchmal auch mit suizidaler Absicht eingeatmet) in ganz geringer Dosis inhalieren. Dabei, so belegen offenbar neue Studien, lasse sich eine Leistungssteigerung erzielen. Ähnlich dem Höhentraining reagiere der Körper mit der Bildung von mehr roten Blutkörperchen, so lasse sich fünf Prozent mehr Hämoglobin produzieren.
Es ist nicht verboten
«Man darf Kohlenmonoxid inhalieren. Diese Anwendung steht nicht auf der Liste der verbotenen Methoden», stellt Ernst König, der Direktor von Swiss Sport Integrity (ehemals Antidoping Schweiz), im Gespräch mit Keystone-SDA klar. «Die Methode ist seit längerem bekannt und war in der Vergangenheit nie ein riesiges Thema.»
König erinnert an die Bedingungen, die für ein Verbot einer Substanz oder einer Methode erfüllt sein müssen. «Es ist leistungssteigernd, es ist gefährlich für die Gesundheit und es widerspricht dem Spirit of Sport. Wenn zwei dieser drei Kriterien erfüllt sind, dann sind diese Substanzen und Methoden nicht erlaubt. Und zwar weltweit.»
König, quasi der höchste Schweizer Dopingjäger, hält fest: «Es ist mir nicht bekannt, welche diese Kriterien bei dieser Methode erfüllt wären. Es ist Aufgabe der WADA, das zu definieren.» Aus diesem Grund sei nun erst einmal die Sportwissenschaft am Zug. Die Studie, die von einer Leistungssteigerung bei der Inhalation von Kohlenmonoxid spreche, kenne er persönlich nicht – er schliesse aber nicht aus, dass seine Fachstellen sich nun bereits damit beschäftigen würden.
WADA müsste handeln
Auch die Redaktion der ARD mit ihren Doping-Experten widmete sich ausführlich diesem Thema. In Deutschland wird festgehalten: Verboten ist die Inhalation von Kohlenmonoxid im Spitzensport bislang nicht. Das Verbot auszusprechen wäre die Aufgabe der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA.
Die Journalisten der ARD sagen, die WADA und die UCI hätten die ganze Thematik auf dem Schirm. Inhalieren von Kohlenmonoxid sei aber weder verboten noch auf der Beobachtungsliste. Sie verweisen allerdings auch auf die Studie von Sportmediziner Walter Schmidt aus dem Jahr 2020, welche die Leistungssteigerung nachgewiesen habe, sofern man das Gas über mehrere Wochen vor einer Rundfahrt inhaliere. Und die WADA sei wohl auch defensiv, weil sich das Inhalieren von Kohlenmonoxid kaum nachweisen lasse – ausser man erwische jemanden in flagranti.