Corona-Chaos vor der Tour de France Schweizer Quartett nimmt die «Grande Boucle» in Angriff

sda

30.6.2022 - 08:01

Nach einer coronabedingt turbulenten Vorbereitung stehen am Freitag 4 Schweizer am Start der 109. Tour de France. Stefan Bissegger und Stefan Küng geben den Traum vom ersten Maillot jaune nicht auf.

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Seit mehr als zwei Jahren bestimmt das Thema Corona unseren Alltag – mal mehr und mal weniger. Nun scheint die Pandemie mit ihrer Sommerwelle wieder voll zugeschlagen zu haben – zumindest den Radsport trifft sie mit voller Wucht.

40 Fahrer mussten vor rund zwei Wochen die Tour de Suisse dem Virus geschuldet verlassen. Unter ihnen befanden sich mit Gino Mäder, Marc Hirschi und Stefan Bissegger auch drei absolute Schweizer Hoffnungsträger, die fortan um ihren Start bei der Tour de France bangen mussten.



Bei Mäder war relativ schnell klar, dass die Infektion für ihn das Aus für die Frankreich-Rundfahrt bedeutet. Der Wahlzürcher vom Team Bahrain-Victorious fehlt beim Grand Départ in Dänemark. Dabei wäre gerade seine Teilnahme aus Schweizer Sicht äusserst interessant gewesen, hat er doch im letzten Herbst mit dem 5. Platz bei der Vuelta sein enormes Potenzial angedeutet und dies als Gesamtzweiter der diesjährigen Tour de Romandie in diesem Frühling aufs Neue bestätigt.

Ein Schweizer Fahrer mit Ambitionen im Gesamtklassement, das gab es schon lange nicht mehr. Mathias Frank war der letzte, der die «Grande Boucle» in den Top 10 beendete. Der vergangene Saison zurückgetretene Luzerner wurde 2015 Achter.

Hirschi erst aus-, dann eingeladen

Auch bei Marc Hirschi sah es lange danach aus, als müsste er das bedeutendste Radrennen der Welt aus der Ferne mitverfolgen. Der 23-jährige Berner, der 2020 bei seinem Grand-Tour-Debüt in Frankreich mit einem Etappensieg überzeugt und ausserdem die Auszeichnung des kämpferischsten Fahrers der Rundfahrt erhalten hatte, wurde nach seiner Corona-Infektion von seinem Team UAE Emirates als Vorsichtsmassnahme nicht selektioniert.

Marc Hirschi fährt nun doch die kommenden Wochen durch Frankreich
Marc Hirschi fährt nun doch die kommenden Wochen durch Frankreich
Bild: KEYSTONE

Dementsprechend gross war der Frust beim früheren U23-Weltmeister, der seine Saisonplanung voll auf diese Rundfahrt ausgerichtet hat. Zwei Tage vor dem Tour-Start folgte dann die überraschende Wende: Hirschi rückte für seinen an Corona erkrankten Teamkollegen Matteo Trentin ins achtköpfige Aufgebot nach.



Im Team des zweifachen Titelverteidigers Tadej Pogacar wird er vorderhand mit Helferdiensten betraut sein. Das gilt auch für Silvan Dillier im Team Alpecin-Deceuninck. Der 31-jährige Aargauer, auch er wurde bei der Tour de Suisse positiv getestet, bestreitet seine dritte Tour de France und weiss mit Mathieu van der Poel ebenfalls einen Superstar in seinen Reihen.

Zwei Thurgauer träumen von Gelb

Im Schweizer Fokus stehen zu Beginn der dreiwöchigen Rundfahrt mit Stefan Küng und Stefan Bissegger zwei absolute Zeitfahr-Spezialisten. Weil zum ersten Mal seit fünf Jahren die Frankreich-Rundfahrt wieder mit einem Einzelzeitfahren beginnt, erhalten die beiden Thurgauer in ihrer Spezialdisziplin die Chance, sich den Traum vom begehrten gelben Leadertrikot zu verwirklichen. Der letzte Schweizer im Maillot jaune war 2015 Fabian Cancellara gewesen.

Während Bissegger erst zum zweiten Mal nach seiner Premiere im letzten Jahr an der Tour de France teilnimmt, ist es für Küng bereits die sechste Teilnahme. Schon 2017, als er als Tour-Debütant beim Prolog in Düsseldorf hinter dem späteren Tour-Gewinner Geraint Thomas Zweiter geworden war, hatte er am grossen Sieg geschnuppert.

Auch Küng positiv getestet

Eine spezielle Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt erlebten beide. Bissegger sehnte – obwohl er sich längst wieder fit fühlte und im Training auf sein grosses Ziel hinarbeitete – nach seiner während der Tour de Suisse erlittenen Corona-Infektion tagelang ein negatives Testergebnis herbei. Erst am letzten Tag vor der Abreise kam für den 23-Jährigen, der auf Stufe World Tour schon drei Zeitfahren gewonnen hat, das erlösende Ergebnis.

Auch Stefan Küng hat es erwischt.
Auch Stefan Küng hat es erwischt.
Bild: KEYSTONE

Wie am Mittwoch bekannt wurde, erwischte es auch Küng mit Corona, nachdem er die Tour de Suisse als ausgezeichneter Gesamtfünfter abgeschlossen hatte. Der Zeitfahr-Europameister wurde nach der Geburt seines Sohnes Mitte der letzten Woche positiv getestet. «Ich hatte Symptome, konnte erst am Wochenende wieder langsam mit dem Training beginnen. Es gibt definitiv bessere Vorbereitungen. Aber es ist, wie es ist», dämpfte er die eigenen Erwartungen für das Auftaktzeitfahren ein wenig.

Kein Platz für Rekordmann Schär

Einen den man auf der 176 Fahrer umfassenden Startliste vergebens sucht, ist Michael Schär. Dem 35-jährigen Luzerner wurden im französischen Team AG2R einheimische Fahrer vorgezogen. Das überrascht, ist er doch einer der Edelhelfer im Peloton. Seit 2011 und dem Gesamtsieg seines damaligen BMC-Captains Cadel Evans verpasste Schär keine Tour de France mehr. Mit seiner zwölften Teilnahme wäre er zum alleinigen Schweizer Rekordhalter aufgestiegen. So aber teilt er sich die Bestmarke weiter mit Laurent Dufaux und Fabian Cancellara.