Nach Unglück Surfer schlagen Alarm: «Unsere Leben sind Clickbait»

pat

14.2.2020

Der Deutsche Sebastian Steudtner reitet eine Riesenwelle in Nazaré. Das Spektakel zieht viele Zuschauer an.
Der Deutsche Sebastian Steudtner reitet eine Riesenwelle in Nazaré. Das Spektakel zieht viele Zuschauer an.
Bild: Getty

Bei einem Big-Wave-Surf-Wettkampf in Nazaré (Portugal) verunglückt am Dienstag Alex Botelho. Bewusstlos wird der Surfer an den Strand gespült und später in ein Spital überführt. Die Veranstalter stehen in der Kritik.

Die World Surf League (WLS), Veranstalter des Wettkampfs, hat die «Nazaré Tow Surfing Challenge» in einem Livestream übertragen. Kurz bevor der bewusstlose Körper von Botelho («Oh it’s a body!») an den Strand gespült wurde, hatte ein Moderator noch gelacht. Den meisten Zuschauern war nicht nach Lachen zumute, als sie sahen, wie Botelho und sein Kollege Hugo Vau samt Jetski von einer riesigen Welle erfasst und meterhoch durch die Luft geschleudert wurden.

Der Jetski-Fahrer hatte eigentlich versucht, Botelho aus der Gefahrenzone zu retten. Doch der Wassertöff geriet zwischen zwei kollidierende Wellen, dabei wirken enorme Kräfte. Botelho verlor wohl beim Aufprall das Bewusstsein, Vau brach sich ein Bein. Die Moderatoren waren sich dann zunächst nicht sicher, was angeschwemmt wurde. Als sie realisierten, dass es sich nicht um einen Jetski, sondern einen reglosen Körper handelt, hielt die Kamera voll drauf. Eine Drohne filmte, wie Botelho auf eine Trage gehievt wurde.

Alex Botelho (links) wird von Rettungskräften auf einer Trage aus dem Wasser gezogen.
Alex Botelho (links) wird von Rettungskräften auf einer Trage aus dem Wasser gezogen.
Bild: Keystone

Die «Frankfurter Allgemeine» hat mit Sebastian Steudtner, dem bekanntesten deutschen Big-Wave-Surfer, über den Vorfall gesprochen. Seit Jahren verbringt er die Winter in Nazaré, um dort die grössten Wellen der Welt zu surfen. Auf die «Nazaré Tow Challenge» habe er sich sehr gefreut. Erstmals hat die WSL einen Tow-in-Wettkampf veranstaltet. Bei dieser Spezialdisziplin lassen sich die Surfer von Jetskis in die Wellen ziehen, denn aus eigener Kraft können die Wellen unmöglich angepaddelt werden, zu gross und zu schnell sind sie. In Nazaré türmen sich Wellen von bis zu 30 Metern auf, am Dienstag waren sie laut WSL knapp 14 Meter hoch.

«Man braucht hier ein richtig gutes Sicherheitskonzept»

Die besonderen Begebenheiten in Nazaré machen das Surfen der Wellen besonders gefährlich, weil es im Gegensatz zu vielen anderen Orten keinen «Channel» gibt, in dem man sich in Sicherheit bringen kann. Steudtner sagt deshalb: «Man braucht hier ein richtig gutes Sicherheitskonzept.» Er selbst fliegt seit Jahren einen Arzt der Bundeswehr ein, wenn er an Tagen mit den Monsterwellen ins Wasser geht.

«Wir brauchen spätestens nach diesem Unfall Sicherheitsstandards, an die sich alle halten. Es kann nicht sein, dass es vier Minuten dauert, bis ein bewusstloser Surfer an Land geholt wird», sagt Steudtner. Laut Zuschauerberichten, die auch von einem «Jetski-Massaker» sprachen, soll es so lange gedauert haben, bis Botelho am Dienstag an Land war.

Fragwürdige Berichterstattung

Steudtner übt auch Kritik an der Berichterstattung rund um den Unfall. «In welcher Sportart gibt es das, dass mit der Kamera draufgehalten wird, wenn ein Sportler ohnmächtig ist – und danach werden noch Zusammenschnitte an die Presse verteilt?» Verstörend war auch, dass die WSL am Dienstag auf Instagram zunächst lediglich einen Beitrag mit schönen Surffotos veröffentlichte, dazu schrieb sie: «Die Nazaré Tow Surfing Challenge ist für diesen Tag zu Ende gegangen.» Als der Post mit Kommentaren von Menschen geflutet wurde, die wissen wollten, wie es Botelho geht, reagierte die WSL und kündigte ein Update an.

Auf diesem Bild sehen wir Sieger Kai Lenny. Alleine der Anblick der Welle lässt einem den Atem stocken.
Auf diesem Bild sehen wir Sieger Kai Lenny. Alleine der Anblick der Welle lässt einem den Atem stocken.
Bild: Keystone

Doch wer ein nüchternes Statement erwartet hatte, wurde überrascht. Die WSL postete auf Instagram ein Video, das viral ging – ein Zusammenschnitt des Unglücks. Dies teilte sie auch auf Youtube und via Agenturen gelangte das Video an die Medien aus aller Welt. Surfer Albee Layer kommentierte das Video auf Instagram mit den Worten: «Unsere Leben sind Clickbait.» In eine ähnliche Richtung zielt auch Steudtner: «Wir sind Profisportler und keine Influencer, die Clickbaiting betreiben. Das ist doch absolut respektlos ihm und der Familie gegenüber, dass die ganze Welt sich anschauen kann, wie er da leblos am Strand liegt. Wie ist das denn für seine Mutter?» 

WLS lässt kein Fettnäpfchen aus

Dass die WLS nach dem Unglück auch noch Videos von gut gelaunten Surfern bei der Preisverleihung und Highlights von gesurften Riesenwellen teilte, zeugt ebenfalls von wenig Fingerspitzengefühl. Steudtner hofft, dass es seinem Freund Botelho bald wieder gut gehen wird: «Er ist das grösste Big-Wave-Talent, das wir in Europa haben, und ein unglaublicher Athlet.» Auf die Frage, ob es jetzt eine Debatte um die Sicherheit in Nazaré geben müsse, antwortet Steudtner: «Die gibt es schon. Dieser Tag wird ein Nachspiel haben.»

Über den Zustand Botelhos ist nichts Genaueres bekannt. Die WLS teilte mit, dass er in ein Spital gebracht wurde, sein Zustand stabil sei und er bei Bewusstsein sei. Am Donnerstag berichteten dann allerdings portugiesische Medien, dass sich sein Zustand verschlechtert habe, Botelho werde künstlich beatmet.

Das imposante Naturschauspiel in Nazaré aus der Sicht der Zuschauer.
Das imposante Naturschauspiel in Nazaré aus der Sicht der Zuschauer.
Bild: Getty
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