Der Eidgenössische Schwingerverband besteht aus fünf Teilverbänden. Zwei davon, die Berner und die Nordostschweizer, stellten 85 Prozent der Schwingerkönige.
1926 in Luzern wurde Henri Wernli Schwingerkönig. Der gebürtige Berner lebte in Genf und schwang im dortigen Klub. Bis heute ist er der einzige König, den der Südwestschweizer Verband hervorgebracht hat. Die Nordwestschweizer erlebten nach dem Zweiten Weltkrieg eine wunderbare Zeit. Zwischen 1948 und 1958 stellten sie drei von vier Schwingerkönigen: den Baselbieter Peter Vogt, den Basler Eugen Holzherr und den Aargauer Max Widmer. Damit hatte es sich. Die Nordwestschweizer stellten insgesamt fünf Schwingerkönige, aber keinen in den letzten 64 Jahren.
Das Abschneiden der Innerschweizer ist das wohl grösste Phänomen im Schwingen. Sie sind der mit Abstand grösste Teilverband, aber Heinrich «Harry» Knüsel 1986 in Sitten wurde der einzige König der Urschweiz.
Bleiben die Nordostschweizer und die Berner. Man zählt bis heute 27 Könige aus dem Bernbiet, 12 Könige aus der Nordostschweiz. Die Berner dominierten vor dem Zweiten Weltkrieg alles. Seit 1945 ist es ein ausgeglichenes Duell: Elf Nordostschweizer Königstiteln stehen zehn Berner Königstitel gegenüber. Die Zusammenstellung der Könige sieht also so aus: Bern 27, Nordostschweiz 12, Nordwestschweiz 5, Innerschweiz 1, Südwestschweiz 1.
Zu viele Einzelkämpfer
Aber woher kommt dieses Missverhältnis? Der Nordwesten und der Südwesten sind deutlich kleiner als die übrigen Verbände. Ihre Pyramiden der leistungsfähigen Athleten sind ebenfalls kleiner. Die besten Schwinger dieser Verbände haben an den grossen Feste kein starkes Team im Rücken. Nur ein überragender Einzelkämpfer könnte die Kohlen aus dem Feuer holen. Die Pyramide der Innerschweizer war an vielen Eidgenössischen mächtig, und auch an hervorragenden Individualisten fehlte es selten. Genau deshalb ist die miserable Ausbeute phänomenal. Es heisst, die Innerschweizer Kantone und Kantonalverbände seien untereinander zerstritten, sie würden sich durch Rivalität und Missgunst selber schwächen.
Berner und Nordostschweizer verfügen seit Jahrzehnten im Wechsel über sämtliche Zutaten, die es für einen andauernden Erfolg braucht: böse Schwinger, ein starkes Team und einen soliden mannschaftlichen Zusammenhalt.
Lange Epochen
Die beiden starken Verbände lösen sich nicht laufend mit den Königen ab, im Gegenteil. Zuletzt erlebte man eine lange Nordostschweizer Epoche – fünf Königstitel von 1995 bis 2007 – und nachher eine lange Berner Ära mit vier verschiedenen Königen von 2010 bis heute. Die Berner hatten vor allem in den Nullerjahren eine Durststrecke. Sie beendeten diese mit dem Heranwachsen ihrer Goldenen Generation, der unter anderen die Schwingerkönige Matthias Sempach, Matthias Glarner und Christian Stucki angehörten. Die Nordostschweizer mussten nach dem Rücktritt von Jörg Abderhalden 2010 unten durch, aber heute sind sie mit Topschwingern wieder bestens versorgt.
Viele Fans mögen es nicht, wenn ein Verband so dominiert, dass er vier und fünf Mal nacheinander den Schwingerkönig stellen. Schon wieder ein Berner? Oder: bitte nicht schon wieder ein Nordostschweizer. 2010 in Frauenfeld explodierte die ganze Arena, als Kilian Wenger am Sonntagmorgen Jörg Abderhalden am Boden überdrückte und den Nordostschweizer Siegeszug stoppte. Mittlerweile ist es umgekehrt. Die neutrale Schweiz sagt sich: Vier Berner Könige am Stück sind genug.
Viele gegen einen
Ein solcher Wunsch kann am Fest sogar auf die Arbeit des Einteilungskampfgerichts abfärben. Die Mitglieder dieses Gremiums sind die Anwälte für die Schwinger ihres eigenen Verbandes. Aber sie können auch untereinander ein Päckli machen und gegen einen bestimmten Verband vorgehen. So geschah es in Zug, als kein Schwinger auch nur annähernd so hart eingeteilt wurde wie Stucki. Die Technischen Leiter der Teilverbände lobbyierten nicht gegen Stucki persönlich, aber gegen den Titel sammelnden Berner Verband, dessen letzter Königsanwärter ebendieser Stucki war.