Bötschi fragt Anna Rossinelli: «Ich finde uns alle manchmal etwas zu engstirnig»

Von Bruno Bötschi

18.6.2021

In der neuen SRF-Serie «Tschugger» spielt die Basler Sängerin eine Polizistin, dabei hat sie gar keine Schauspiel-Erfahrung – mit der Polizei hingegen schon. Ein Gespräch über Tränen, Glück und Heimat.

Von Bruno Bötschi

Zürich. Restaurant Kunsthaus. Ein kühler Frühsommer-Morgen. Zum Glück kann man wieder drinnen sitzen. Sängerin Anna Rossinelli ist auf die Minute pünktlich. Sie wird von ihrem Manager begleitet und bestellt einen Schwarztee. 

Bevor es mit den vielen Fragen losgeht, noch dies: Anna Rossinelli und ihre Band haben eine neue Single am Start: «Forevermore» heisst sie. Und es gibt noch eine zweite Neuigkeit: Die Sängerin hat einen Auftritt als Schauspielerin. In der neuen SRF-Serie «Tschugger», die ab November 2021 im Schweizer Farbfernsehen gezeigt wird, mimt sie eine Bundespolizistin.

Rossinelli war schon immer ein vielseitiger Mensch. So steht es auch in ihrem Wikipedia-Eintrag. Sie war Kellnerin, Fachfrau für Behindertenbetreuung, Unterwäschemodel, sie hat die Musikschule in Basel abgeschlossen, ein halbes Jahr in New York gelebt, einen Badi-Kiosk betrieben, war Coach bei «The Voice of Switzerland».

Die Sache mit dem Unterwäschemodel hat die Sängerin zwar kürzlich in einem Interview etwas zurechtgestutzt: «Na ja, Unterwäschemodel … Ich habe einmal Fotos für das Label Tarzan gemacht – die Sache klingt verrückter, als es war.»

Anna Rossinelli wird erklärt, dass sie in den nächsten 30 Minuten ganz viele Fragen gestellt bekommt. Kurze Fragen, kurze Antwort, hohes Tempo. Und los geht's.

Anna Rossinelli, wir machen heute ein Frage-Antwort-Spiel: Ich stelle dir in der nächsten halben Stunde möglichst viele Fragen – und du antwortest möglichst schnell und spontan. Passt dir eine Frage nicht, sagst du einfach ‹weiter›.

Okay.

Vorab muss ich mich bei dir aber noch entschuldigen …

Warum denn das?

Du gibst normalerweise, zumindest habe ich dies so gelesen, nur zusammen mit der gesamten Band Interviews. Und deshalb ein grosses Sorry, aber das Format ‹Bötschi fragt› funktioniert nur als Eins-zu-eins-Gespräch.

Ach, das ist schon länger nicht mehr so, dass wir nur als gesamte Band Interviews geben. Mittlerweile passiert das in den unterschiedlichsten Kombinationen – ich allein, zu zweit mit Georg Dillier oder Manuel Meisel oder auch einmal alle zusammen. Es kommt immer darauf an, wer gerade Zeit hat.

Geben Georg oder Manuel auch allein Interviews?

Bisher nicht – aber das wäre eine gute Idee. Mach doch du mal eines mit ihnen allein.

Zum Autor: Bruno Bötschi
Bild: zVg

«blue News»-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten. Bötschi hat viel Erfahrung mit Interviews. Für die Zeitschrift «Schweizer Familie» betreute er jahrelang die Serie «Traumfänger». Über 200 Persönlichkeiten stellte er dafür die Frage: Als Kind hat man viele Träume – erinnern Sie sich? Das Buch zur Serie «Traumfänger» ist im Applaus Verlag, Zürich, erschienen. Es ist im Buchhandel erhältlich.

Sophie Hunger oder Stephanie Heinzmann?

Ich bin Fan von Sophie Hunger.

Lovebugs oder Patent Ochsner?

Das ist schwierig zu beantworten. Ich sage jetzt einmal Lovebugs, weil die Band wie wir aus Basel kommt und ich ihren Sänger, den Adrian Sieber, immer wieder mal in der Stadt treffe. Aber Patent Ochsner ist natürlich auch super.

Beatles oder Rolling Stones?

Beatles.

Stehst du morgens mit Musik auf?

Nie. Mich weckt der Wecker. Danach brauche ich nochmals etwas Ruhe. Und ehrlich gesagt, nach dem Aufwachen bin ich meistens gern noch etwas allein.

Zum möglichst schnell wach werden: kalte Dusche oder lieber Espresso?

Keines von beidem. Ich trinke Schwarztee und dusche lieber warm. Ausser im Sommer, wenn es richtig heiss ist, dann darf es auch einmal kaltes Wasser sein. Das soll ja gut sein für einen knackigen Arsch respektive die Durchblutung, zumindest habe ich das einmal so gelernt.

Wonach riechst du?

Etwas Zigarettenrauch und Molecule No. 2.

Hast du ein spezielles Faible für Düfte?

Überhaupt nicht. Bis Mitte 20 trug ich nie Parfum, bis ich Molecule No.1 und 2 entdeckt habe. Ehrlich gesagt, ich rieche lieber den Eigengeschmack eines Menschen als irgendein grauenhaft süsses Horror-Parfum. Schlimmer riecht nur abgelaufene Milch. Und noch hässlicher war, als in meiner Wohnung in der Wand eine Maus gestorben und verrottet ist.

Wenn euer neue Song ‹Forevermore› ein Duft wäre, wie würdest du diesen beschreiben?

Frisch, hell, luftig, dezent, jung und sommerlich.

Wem spielst du ein neues Lied zuallererst vor?

Meinem Freund.

Nimmt man allfällige schlechte Reaktionen auf einen neuen Song nach 20 Jahren im Musikbusiness gelassener?

Gefällt jemandem ein Song von uns nicht, habe ich damit überhaupt keine Probleme. Was ich jedoch nicht mag ist, wenn böse oder gar verletzend über unsere Musik geschrieben wird. Vor Jahren wurde ich von einer Zeitung einmal als ‹Persona non grata› bezeichnet und ein anderes Blatt beschrieb mich als ‹Hampelmann auf der Bühne›. Diese Kritik habe ich nicht verstanden. Wieso ein Hampelmann? Erstens bin ich eine Frau und zweitens keine Marionette von irgendjemandem, denn wir spielen ja unsere eigenen Songs. Ich bin und war immer mein eigener Herr über meine Musik …

… eigene Herrin.

Stimmt (lacht).

Das Kleid, dass du auf dem Cover von ‹Forevermore› trägst: Wer hat es designt?

Das habe ich mir bei Modissa ausgeliehen.

Das Kleid ist rot: ein Zeichen?

Ich mag die Farbe Rot und liebe es knallig.

«Wieso ein Hampelmann? Erstens bin ich eine Frau und zweitens keine Marionette von irgendjemandem, denn wir spielen ja unsere eigenen Songs»: Anna Rossinelli.
«Wieso ein Hampelmann? Erstens bin ich eine Frau und zweitens keine Marionette von irgendjemandem, denn wir spielen ja unsere eigenen Songs»: Anna Rossinelli.
Bild: Elias Bötticher

War dein Aussehen für deine Karriere hinderlich oder förderlich?

Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ich sehe so aus, wie ich aussehe (lacht).

Dein persönlicher Fashion-Gau als Musikerin?

Für einen Bühnenauftritt liess ich mir vor Jahren einmal Smoky Eyes schminken. Das ging in die Hose.

Warum?

Ich sah aus, als hätte ich eine in die Fresse bekommen. Meine Mutter hat mir nach dem Konzert gesagt, sie hätte mich kaum erkannt. Dies war das Zeichen, dass ich das mit den Smoky Eyes künftig besser lassen sollte.

Machen sich die Menschen zu viel Gedanken über Mode?

Wir machen uns eher zu wenig Gedanken über andere Themen, finde ich.

Wie entsteht ein neuer Song? Schliesst du dich mit Georg und Manuel im stillen Kämmerchen ein oder geht ihr zusammen im Wald spazieren?

Unsere Songs entstehen total unterschiedlich, manchmal fange ich mit Schreiben an, manchmal Georg, manchmal gemeinsam. Durch den Wald sind wir aber schon länger nicht mehr zusammen gelaufen.

Wie und wo entstand ‹Forevermore›?

Den Song schrieb ich mit unserer Produzentin Charlie McClean, sie lebt in Hamburg, via Skype. Eigentlich wollten wir uns real treffen. Die Corona-Pandemie hat uns jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Dein Tick beim Komponieren?

Ich bin generell ein Tick-Mensch. Während des Komponierens wackle ich oft mit dem Bein. Stillsitzen ist keine Spezialität von mir. Und ich brauche auch immer wieder eine Zigi-Pause.

Wirklich wahr, dass du nie zweimal zum selben Coiffeur gehst?

Lange Zeit hat das gestimmt. Seit einiger Zeit gehe ich nun aber immer zum selben Coiffeur, wenn auch nach wie vor nicht sehr oft. Ich bin nicht so der Coiffeur-Typ, was wohl auch damit zu tun hat, dass ich frisurenmässig nicht sehr mutig bin. Auf meinem Kopf sieht es seit Jahren gleich aus.

Fällt schön singen leichter, wenn man Liebeskummer hat?

Nein. Stecke ich noch richtig im Liebeschaos fest, besteht die Gefahr, dass ich während des Singens anfange zu weinen und das möchte ich auf der Bühne lieber vermeiden.

Ein Fehler, den du dir als Musikerin nicht verzeihst?

Dass ich als 13-Jährige aufgehört habe Klavier zu spielen, nachdem meine Lehrerin aus Basel weggezogen ist. Das nervt mich heute, weil es so viel einfacher ist, als Kind etwas Neues zu erlernen.

Was ist besser: Im Studio sitzen und Gefühle zu Musik werden zu lassen oder auf der Bühne zu stehen und die eigenen Songs vor Publikum zu spielen?

Auf der Bühne stehen.

Wegen der Corona-Pandemie waren seit März 2020 Konzerte grösstenteils verboten: Trainingspausen machen Sportlerinnen oft noch stärker, Sängerinnen auch?

Pausen machen eine Sängerin nicht besser. Konzerte sorgen dafür, dass ich in der Übung bleibe. Daheim oder im Studio zu singen ist nicht dasselbe, wie wenn ich es auf einer Bühne tue.

Warum singst du?

Singen befreit mich und es macht mich glücklich.

Warum singst du in einer Band?

Es ist wunderbar zusammen etwas zu kreieren. Ich bin froh, dass ich eine Band habe, die ich nicht nur musikalisch schätze. Wir mögen uns auch sonst, unternehmen auch privat ab und zu etwas. Wir sind keine Zweckgemeinschaft, sondern eine Liebesgemeinschaft.

Welchen Sinn hat Musik?

Liebe verstreuen, gute Gefühle verteilen.

Macht die Musik die Welt besser?

«Es ist wunderbar zusammen etwas zu kreieren. Ich bin froh, dass ich eine Band habe, die ich nicht nur musikalisch schätze»: Anna Rossinelli mit Manuel Meisel (links) und Georg Dillier.
«Es ist wunderbar zusammen etwas zu kreieren. Ich bin froh, dass ich eine Band habe, die ich nicht nur musikalisch schätze»: Anna Rossinelli mit Manuel Meisel (links) und Georg Dillier.
Bild: Elias Bötticher

Absolut. Ein Leben ohne Musik wäre mega scheisse und wohl kaum lebenswert.

Für dich ist deine Stimme das, was für Fussballstar Messi seine Füsse sind: das grosse Glück, das Geschenk, mit dem du deine Kunst ausdrückst.

Ich bin glücklich und sehr dankbar für meine Stimme, obwohl es natürlich auch Tage gibt, an denen ich gern in die Migros ginge und mir ein neues Organ kaufen würde. Ich habe zudem Mühe mit meiner Sprechstimme, mir selber höre ich überhaupt nicht gern zu. Aber das geht ja vielen Menschen so.

Wie hoch ist deine Stimme versichert?

Die ist nicht versichert. Ist das überhaupt möglich, eine Stimme zu versichern?

Gibt es Kleider und Schuhe, die du nur auf der Bühne trägst?

Ich habe einige Glitzerkleider, die ich ausschliesslich auf der Bühne trage. Im Alltag wäre ich damit overdressed.

Violinistin Anne-Sophie Mutter trägt ärmellose Kleider, um ihre Geige besser auf der Haut zu spüren. Singst du lieber im T-Shirt oder Pullover?

Shirt oder Pullover, ist mir völlig egal, aber was ich nicht so gern trage während des Singens, sind Stögis. Das fühlt sich für mich irgendwie fremd an. Hingegen spüre ich während des Singens gern den Boden unter meinen Füssen, deshalb absolviere ich Konzerte oft barfuss.

Braucht es auf der Bühne einen bestimmten Geisteszustand?

Am besten funktioniere ich während eines Konzerts, wenn ich die Alltagssorgen vergesse und mich in eine Art Trance-Zustand hieven kann.

Nach Hunderten von Shows und vielen Tourneen: Was war die verrückteste Sache, die du je auf einer Bühne angestellt hast?

Shit, keine Ahnung.

Fällst nach einem gelungenen Konzert in ein Tief?

Nach einem Konzert geht es mir meistens besser als davor. Es ist auch schon vorgekommen, dass wir in der Band vor einem Konzert miese Stimmung hatten, doch kaum standen wir auf der Bühne zusammen, war die Stimmung wieder viel besser. Zusammen Musik zu machen, versöhnt – und das oft viel schneller, als wenn wir über ein Problem diskutiert hätten.

Lieder funktionieren manchmal wie Apotheken: Welcher Song hilft dir gegen Liebeskummer?

Einen speziellen Song kann ich dir nicht nennen. Habe ich Liebeskummer, höre ich jedoch eher melancholische und traurige Musik, damit ich mich so richtig im Mitleid suhlen kann.

Gegen mangelndes Selbstbewusstsein?

Sorry, keine Ahnung. Ach, ich bin mega schlecht beim Beantworten von solchen Lieblingsfragen.

Gegen Heimweh?

‹Heicho› von Sophie Hunger.

Gegen Fernweh?

‹Chlyne Tod› von Stiller Has.

Wahr, dass man jedes Jahr etwas Neues lernen sollte?

Das finde ich eine gute Idee … Obwohl, jedes Jahr nur etwas Neues lernen ist etwas wenig. Nicht?

«Ich bin glücklich und sehr dankbar für meine Stimme, obwohl es natürlich auch Tage gibt, an denen ich gern in die Migros ginge und mir ein neues Organ kaufen würde»: Anna Rossinelli.
«Ich bin glücklich und sehr dankbar für meine Stimme, obwohl es natürlich auch Tage gibt, an denen ich gern in die Migros ginge und mir ein neues Organ kaufen würde»: Anna Rossinelli.
Bild: Elias Bötticher

Im vergangenen März bist du für die fünfteilige SRF-Polizeikomödie ‹Tschugger› vor der Kamera gestanden. Es ist dein erster Auftritt als Schauspielerin. Wie war’s?

Ich selber habe das Endprodukt auch noch nicht gesehen. Ob ich es gut gemacht habe, wie ich aussehe und so weiter, kann ich deshalb noch nicht sagen.

Von der Sängerin zur Schauspielerin: Wie kam’s?

Ich wurde angefragt, ob ich zum Casting kommen wolle. Ich habe dann den Produzenten geschrieben, ob ihnen klar sei, dass ich Sängerin bin. Aber natürlich wussten die das.

In ‹Tschugger› spielst du eine Bundespolizistin. Wann hattest du in Wirklichkeit zuletzt mit der Polizei zu tun?

Vor ein paar Jahren wurde ich von der Polizei erwischt, als ich nach einer Geburtstagsfeier noch einen Joint geraucht habe.

Wie hoch war die Busse?

100 Franken.

Hast du schon schlechte Erfahrungen gemacht mit der Schweizer Polizei?

Eigentlich nicht. Aber ich muss sagen, ich habe selten mit der Polizei zu tun. Ehrlich gesagt, ich versuche dem auch eher aus dem Weg zu gehen.

Wann hast du zum letzten Mal das Gesetz übertreten?

Wahrscheinlich, als ich mit dem Velo über ein Rotlicht gefahren bin.

Wird die Schauspielerei nun dein zweites Karriere-Standbein oder bleibt das eine einmalige Sache?

Das weiss ich heute noch nicht. Mal schauen, wie das Publikum auf meinen Auftritt reagieren will. Vielleicht geht danach ein zweites Törli auf. Das wäre cool. Aber keine Angst, ich werde nicht demnächst bei ‹GZSZ› mitspielen.

Auf alle Fälle passt dein Engagement bei ‹Tschugger› zu deinem Lebensmotto: ‹Über sich hinauswachsen, lustvoll und kopfvoran.›

Das stimmt.

Wann hattest du das letzte Mal Angst zu scheitern?

Das kommt immer wieder vor. Ich denke, das hat auch mit dem weiblichen Zyklus zu tun, zumindest bei mir ist dem so. Es gibt immer wieder Phasen, während derer ich finde, ich sei eine Niete und es sei alles scheisse, was ich mache. Das ist aber meistens recht schnell wieder vorbei und dann bin ich wieder stolz auf mein Tun. Es gibt so viele Menschen, die darüber nachdenken, was sie noch alles tun könnten und es doch nie tun. Ich hingegen habe meine Leidenschaft zu meinem Beruf gemacht. Natürlich gibt es auch solche, die das nicht goutieren. Aber wer in der Öffentlichkeit steht, muss Kritik aushalten lernen, auch wenn das manchmal wehtut.

Wann zuletzt geweint?

Vor vier Tagen, nach einem Streit mit meinem Freund.

Gibt es einen Menschen, zu dem du einen speziellen Draht hast?

Meine Mama ist mir sehr wichtig. Mein Vater ist sehr früh verstorben, deshalb war meine Mutter immer sehr wichtig für mich. Wir sehen uns nicht ständig, aber ich weiss, ich könnte sie jederzeit anrufen und sie würde mich, egal was immer auch geschieht, nicht verurteilen. Ich könnte eine Bank überfallen oder Drogen nehmen, meine Mutter würde mich trotzdem weiter bedingungslos lieben.

«Es gibt immer wieder Phasen, während derer ich finde, ich sei eine Niete und es sei alles scheisse, was ich mache. Das ist aber meistens recht schnell wieder vorbei und dann bin ich wieder stolz auf mein Tun»: Anna Rossinelli.
«Es gibt immer wieder Phasen, während derer ich finde, ich sei eine Niete und es sei alles scheisse, was ich mache. Das ist aber meistens recht schnell wieder vorbei und dann bin ich wieder stolz auf mein Tun»: Anna Rossinelli.
Bild: Elias Bötticher

Heimat, was bedeutet das für dich?

Heimat hat viel mit meiner Mutter und mit meinen Freundinnen und Freunden in Basel zu tun. Heimat hat für mich nichts Patriotisches, sondern es hat vor allem mit meinem Daheim zu tun, etwa mit gewissen Einrichtungsgegenständen in meiner Wohnung, die sich über die Jahre angesammelt haben.

Was fühlst du, wenn du die Schweizer Nationalhymne hörst?

Die löst jetzt nicht so viel aus bei mir.

Eine überraschend gute Seite an den Schweizerinnen und Schweizern?

Die Pünktlichkeit schätze ich und auch die Sauberkeit.

Eine schlechte Seite der Schweizerinnen und Schweiz?

Ich finde uns alle manchmal etwas zu engstirnig. Wir schauen alle zu sehr nur für unsere eigenen Gärtchen. Etwas mehr Offenheit täte uns allen gut. Schweizerinnen und Schweizer sind oft zu grumpy unterwegs, statt dass wir auf der Strasse auch einfach mal mit einem wildfremden Menschen ein Gespräch beginnen würden.

Ist die Schweiz so modern, wie wir gern glauben?

Ich finde nicht. Total peinlich und grotesk ist zum Beispiel, dass wir jetzt nochmals über die ‹Ehe für alle› abstimmen müssen.

Brauchen wir gesetzliche Frauenquoten?

Absolut.

Brauchte es den Muttertag?

Mutter- und Vatertag wären gut, ich bin da total gleichberechtigt eingestellt.

Den Frauenstreik?

Finde ich grossartig und war selber auch gerade wieder dabei.

Warum getrauen sich offenbar nach wie vor viele Frauen erst im Kollektiv, ihre Bedürfnisse zu äussern?

Ich weiss nicht. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass wir Frauen nach wie vor von der männlichen Spezies nicht richtig ernst genommen werden. Oder warum verdienen Frauen bis heute deutlich weniger als Männer? Wir Frauen diskutieren oft lieber über ein Problem, während die Männer einfach sagen: ‹Ich kann das›, obwohl sie es gar nicht können. Aber ich weiss, oft ist das die bessere Einstellung, um etwas erreichen zu können.

Du meinst: Hinstehen und klar fordern, was frau will.

So ist es, das sage ich auch immer wieder meinen Freundinnen, wenn Lohnverhandlungen anstehen.

Wo stehst du politisch: eher links oder rechts oder neutral in der Mitte?

Sehr links.

Macht gute Musik glücklicher als viel Geld?

Absolut.

Bist du glücklich oder irre glücklich?

Ich bin glücklich. Irre gücklich bin ich wieder, wenn die Corona-Pandemie vorbei ist und wir wieder auf Tournee gehen können.

Was würdest du als Erstes tun, wenn du nochmals einen Tag lang 16 sein könntest?

Oh, das wäre saulässig. Ich würde an diesem Tag mega früh aufstehen, um ihn so richtig geniessen zu können. Ich würde flirten, knutschen, mich betrinken und ganz viele andere wilde Sachen machen (lacht).

Deine letzte Tat, bevor du das Licht im Schlafzimmer ausknipst?

Zähne putzen, Gesichtscreme auflegen.

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