HilfsmittelApps und Holzkisten sollen gegen Handy-Sucht helfen
dpa/dj
23.12.2019
Vielen Menschen fällt es schwer, sich überhaupt noch vom Smartphone zu lösen. Die Not macht erfinderisch: Holzkisten und Attrappen sollen helfen. Auch Apps versprechen Nutzern einen bewussteren Umgang mit dem Smartphone. Doch vor denen warnen Experten.
Das Trend-Weihnachtsgeschenk 2019 ist eine einfache Kiste – jedenfalls in Schweden und wenn es nach dem Beratungs- und Forschungsunternehmen HUI Research geht. In die «Mobile Box» können Handynutzer ihr Smartphone legen, wenn sie eine digitale Auszeit brauchen.
«Es geht auch um das Konzept und nicht nur um die Box selbst», erklärt Erik Jonsson von HUI Research. HUI forscht unter anderem im Bereich Einzelhandel und kürt seit rund 30 Jahren das Weihnachtsgeschenk des Jahres. Die Mobile Box stehe für die aktuelle Zeit. Der bewusstere Umgang mit dem Smartphone stosse in Schweden auf wachsendes Interesse, sagt Jonsson. Auch der Münchner Trendforscher Ulrich Köhler sieht nach eigener Aussage hier einen Trend. «Es ist allerdings so, dass da aktuell vielmehr der Wunsch ist, sich da einzuschränken, eine genauere Übersicht zu haben, als dass das tatsächlich in gut messbarer Zahl schon passiert.»
Kaufen oder selber basteln
Man könne die Box kaufen, selbst bauen oder eine bereits vorhandene Kiste umfunktionieren, heisst es in einer Mitteilung von HUI. Tatsächlich finden sich im Internet verschiedenste Ausführungen: vom hölzernen Design-Stück mit und ohne Loch für das Ladekabel bis hin zum transparenten Kunststoffbehälter mit Zeitschloss. Menschen mit lästigen Gewohnheiten können darin Süssigkeiten, Zigaretten oder eben ihr Handy für eine bestimmte Zeit einsperren.
Auch Gastronomen haben die Handyboxen für sich entdeckt. Im New Yorker Restaurant «Hearth» können Gäste ihre Handys in Zigarrenkisten verbannen, die Kaffeehauskette «Le Pain Quotidien» spendierte in einer Aktion schon einmal denjenigen, die ihr Handy in einer Holzkiste am Tisch lagerten, ein kostenloses Dessert. Der Fastfood-Gigant McDonald's liess der Website «Mashable» zufolge in einer Filiale in Singapur sogar Handy-Schliessfächer aufstellen, um vor allem Kinder vom Display wegzulocken.
Apps als Hilfsmittel?
«Im Grunde ist das eine sehr harte Methode», sagt Michael Link vom Computermagazin «c't» mit Blick auf die Boxen. Modernere Smartphones verfügten schon über Funktionen, mit denen man einen Überblick über die eigene Nutzungsdauer des Handys und einzelner Apps gewinnen kann. Bei Geräten von Apple ist das die Funktion
«Bildschirmzeit», bei einigen Android-Geräten die Funktion
«Digital Wellbeing». Damit können Nutzer auch die Verwendung bestimmter Apps zeitlich einschränken. Hinzu kommen schon länger verfügbare Einstellungsmöglichkeiten wie etwa die «Nicht Stören»-Funktion.
Von speziellen Apps, die dabei helfen sollen, das Handy bewusster zu benutzen, rät Link dagegen ab. Die entpuppten sich allzu oft nur als Datensammler. Solche Anwendungen versuchen etwa mit spielerischen Anreizen Nutzer dazu zu bewegen, ihr Smartphone für eine Zeit lang wegzulegen oder schränken Benachrichtigungen ein.
Aber wozu braucht es überhaupt diese Hilfsmittel? Warum legen Handy-Nutzer ihre Smartphones nicht einfach beiseite oder schalten sie aus? Laut Trendforscher Köhler sind wir emotional von der komplexen Technologie überfordert. Die immer neuen Updates, die Bestätigungen mit einem Like, mit einem Klick, führten zwar zur Ausschüttung von Glückshormonen, aber auch zu einer Abhängigkeit und langfristig zur Abstumpfung und Niedergeschlagenheit.
Für besonders harte Fälle gibt es im Internet sogar Handyattrappen. Null Megapixel, null Gigabyte, kein Update – das
«NoPhone» sei das am wenigsten entwickelte Telefon aller Zeiten, heisst es auf der zugehörigen Website. Die Idee: Wenn Handy-Süchtige reflexartig zur Attrappe greifen, führt der Griff nicht zu den Ablenkungen eines echten Smartphones.
Trotz der Gefahren übermässiger Nutzung warnt Trendforscher Ulrich Köhler vor Rufen nach einer Komplettentsorgung des Smartphones. Auch die Zukunft werde massgeblich von digitalen Technologie geprägt sein. «Die Herausforderung besteht einfach darin, sie nicht komplett das Leben diktieren zu lassen, sondern sie zu nutzen, um unser Leben zu verbessern.»
Zuviel Zeit am Smartphone ist gut für niemanden. So dämmt man die eigene Smartphone-Nutzung ein.
Bild: iStock
iOS hat die eingebaute Funktion «Bildschirmzeit», die sich in den Einstellungen findet. Sie bietet eine Überblick über die Nutzung des iPhones und lässt sich zum Einrichten von Limits nutzen.
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So kann man jeden Tag eine Auszeit festlegen, in der die Nutzung des iPhones stark eingeschränkt wird.
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Welche Apps währenddessen trotzdem verwendet werden dürfen, kann man unter «Immer Erlauben» festlegen.
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Dann lassen sich bei «App-Limits» auch maximale Tageslimits in Minuten für die Nutzung einzelner Apps oder direkt einer ganzen Kategorie von Apps festlegen.
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Durch Einführung eines Codes speziell für die Bildschirmzeit-Einstellungen kann sich zusätzlich disziplinieren, um beim ersten Erreichen eines Limits nicht gleich die Einstelllungen wieder zu ändern.
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Auch Android bietet eine vergleichbare Funktion mit «Digitales Wohlbefinden». Diese ist allerdings nur für Pixel sowie Android One-Smartphones verfügbar.
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Für alle Android-Geräte bietet sich Flipd an. Hier kann man in der kostenlosen Version bis zu 30 Minuten Zwangspause machen.
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Damit die App funktioniert, braucht sie diese Berechtigung.
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Nun zählt eine Stoppuhr herunter. Öffnet man während dieser Zeit eine andere Apps, schiebt sich Flipd automatisch wieder in den Vordergrund und macht das Smartphone wie gewollt für kurze Zeit quasi unbenutzbar.
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Auch bei Flipd kann man einige Apps auswählen, die trotz aktivierter Auszeit genutzt werden dürfen.
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Eher auf Motivation denn Zwang setzt Forest. Hierbei kann man einzelne Bäume pflanzen, die zu einem ganzen Wald werden können. Einzige Voraussetzung: Die App muss während des Wachsen aktiv sein.
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Öffnet man aber irgendeine andere App wird man dadurch zum «Baummörder», wie es Flipd ausdrückt, und der schöne Steckling verreckt elendig.
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Bleibt man hingegen standhaft und lässt das Handy in Ruhe, gedeiht der Baum prächtig.
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