«New IP» China will das Internet neu erfinden

dj

30.3.2020

Mit einem neuen Internet-Standard will China die Kontrolle über das Netz noch einfacher machen.
Mit einem neuen Internet-Standard will China die Kontrolle über das Netz noch einfacher machen.
iStock

China will die westliche Dominanz des Internets beenden und ein Netz erschaffen, das von oben herab kontrolliert werden kann. 

Ein in Genf bei der International Communication Union (ITU) — eine Agentur der Vereinten Nationen — vorgetragener Vorschlag für eine Neuorganisation des Internets sorgt für Aufregung. Der Vorschlag namens «New IP» wurde von Huawei gemeinsam mit den staatlich kontrollierten Telekommunikationsunternehmen China Unicom und China Telecom sowie dem chinesischen Informationsministerium entwickelt. Er strebt nichts mehr als eine komplett neue Infrastruktur des Internets an.

New IP soll laut seinen Fürstreitern neue und futuristische Technologien erlauben, etwa die Kommunikation über Hologramme. Auch für das «Internet of Things» und selbstfahrende Autos sei New IP viel besser geeignet als TCP/IP, die Ansammlung von fast fünfzig Jahre alten Protokollen, die derzeit die Grundlage der Internet-Kommunikation darstellen.

Internet von oben herab

Die ITU solle daher die Verantwortung an sich ziehen, ein neues Design für das Netzwerk der Zukunft von oben herab zu entwerfen, heisst es von chinesischer Seite, wie die «Financial Times» berichtet. Unterstützung habe der chinesische Vorschlag aus Ländern wie Russland oder Saudi-Arabien. Er gilt als Teil der von China bereits seit Langem propagierten «Cyber-Souveränität», nach der ein Staat die absolute Kontrolle über das Internet in seinen Grenzen haben müsse.



Westliche Vertreter in der ITU zeigten sich besorgt und sagen, New IP könne staatlich kontrollierten Telekommunikationsunternehmen die komplette Kontrolle über die Internetnutzung von Bürgern geben. Der Vorschlag sei eine «Lösung auf der Suche nach einem Problem». Allerdings haben sie durchaus auch wirtschaftliche und politische Interessen an der Beibehaltung des Status quo.

Profiteure des immer noch recht anarchischen Internets sind vor allem grosse westliche Unternehmen wie Google oder Facebook, die ziemlich ungestört die Daten von Nutzern weltweit absaugen und monetarisieren können und dabei Oligopole aufbauen. Die bestehenden semi-privaten Organisationen wie ICANN oder W3C, die die wichtigsten Standards des Internets festlegen, werden zudem von westlichen Staaten dominiert. Wohl deshalb will China diese ganz umgehen und versucht, seine Vision des Internets über die UN-Agentur ITU durchzusetzen.

Entwicklungsländer könnten auf chinesisches Modell setzen

Sollte New IP als Standard adaptiert werden, könnte das neue Protokoll vor allem von Entwicklungsländern angewendet werden, deren derzeitige Internet-Architektur noch sehr rudimentär ist. Bei Netzaufbau in Entwicklungsländern sind China im Allgemeinen und Huawei im Speziellen bekanntermassen sehr aktiv.

Internet-Aktivsten hoffen daher, dass es Raum für einen dritten Weg gibt: Ein Internet, das weder den Interessen grosser Konzerne im Silicon Valley noch dem Überwachungs- und Kontrollfetisch autoritärer Staaten dient. «Wir brauchen ein westliches Web, das eine Vision der Zukunft darstellt, die kompatibel mit der Demokratie ist», sagt etwa die Harvard-Professorin Shoshana Zuboff zur «Financial Times».

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