Citizen Science Dank Schweizer Start-up werden Gamer zu Lebensrettern

Von Martin Abgottspon

10.6.2020

Im Weltraum-Rollenspiel «EVE Online» hatte das Schweizer Start-up MMOS ihren ersten Grosserfolg feiern können.
Im Weltraum-Rollenspiel «EVE Online» hatte das Schweizer Start-up MMOS ihren ersten Grosserfolg feiern können.
Bild: CCP Games

Das Schweizer Start-up MMOS macht Gamer zu Wissenschaftlern. Ohne es überhaupt zu wissen, helfen Spieler so, Forschungsdaten zu erstellen und langfristig beispielsweise Krankheiten zu heilen. Doch wie funktioniert das? 

Täglich lösen Gamer Millionen von Rätseln in Videospielen. Ganz einfach, weil es ihnen Spass macht. Den Spieleherstellern bringt das Rekordumsätze ein. Aber eigentlich müsste dieses Phänomen ja nicht bloss Mittel zum Zweck sein, dachten sich 2014 auch der ungarische IT-Unternehmer Attila Szantner und der gebürtige Walliser und Physiker Bernard Revaz. Zusammen gründeten sie deshalb ihr eigenes Unternehmen MMOS.

Getarntes Alien-Erbgut

Ihre Vision: Eine Plattform, die Forschungsdaten und Videogames zusammenführt. Die Rätsel in Spielen sollen dadurch so gameifiziert werden, dass sie in der realen Welt für Forschungszwecke dienen.

Ihren ersten Grosserfolg feierte MMOS schon im Frühling 2016 mit dem Konzept «Project Discovery». In Zusammenarbeit mit dem schwedischen Forschungsprojekt «Human Protein Atlas» wurde so ein Minigame in das Online-Rollenspiel «EVE Online» integriert. Zehntausende von Spielern machten sich sofort an die Arbeit, die DNA-Moleküle von Alien-Rassen zu analysieren. Die realen Forscher konnten im Gegenzug innert weniger Monate auf rund zehn Millionen Klassifikationen von Proteinen zurückgreifen. Eine enorme Datenmenge, die dann beispielsweise zur Entwicklung neuer Medikamente eingesetzt wird.

Warum Menschen den Maschinen voraus sind

Die beiden Gründer waren von diesem Erfolg überwältigt. Sie rechneten mit rund 40'000 Klassifikationen am Tag. Es wurden Tageshöchstwerte mit 900'000 erreicht. Die Spielegemeinde verrichtete so in kürzester Zeit ein Arbeitsäquivalent von 163 Jahren. Ein wichtiger Anhaltspunkt, wie mächtig Citizen Science und damit auch ihre Idee war. 



Zu Recht könnte man sich nun auch die Frage stellen, warum man solche Forschungsaufgaben nicht einfach von Maschinen erledigen lässt. In Zeiten, wo künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen grosse Fortschritte machen, sollte das ja eigentlich kein Problem sein. «Maschinelles Lernen macht tatsächlich Fortschritte», sagt Attila Szantner zu dieser These. «Aber der Aufwand ist sehr gross, und wenn es um das Erkennen von Mustern geht, sind wir Menschen sehr gut.» Gerade, wenn es um die Deutung von Bildern geht, sind Menschen immer noch um einiges effizienter unterwegs, als wenn Maschinen dafür erst jahrelang mit Daten gefüttert werden müssen.

Warum gibt es nicht mehr Projekte?

Erst kürzlich hat MMOS nun ein weiteres Projekt zusammen mit den Entwicklern von «Borderlands 3» lanciert, worüber wir bereits berichteten. Die Erfolge sind noch beeindruckender als bei ihrem ersten Projekt. Mehr als zehn Jahre Forschungsarbeit leisteten die Spieler bereits. Mit diesem Erfolg sollen die Puzzles jetzt weiter verfeinert werden, um das DNA-Mapping dadurch noch genauer zu machen.  



Warum die Integration von Citizen Science in Videospielen dann trotzdem nur sehr punktuell geschieht, hat wohl weniger mit der Arbeit von MMOS zu tun, als vielmehr mit jener der Spieleentwickler. Hier muss natürlich immer auch darauf geachtet werden, dass sich die Minispiele gut ins Gesamtspiel einfügen und sich natürlich anfühlen. Nicht immer eine leichte Aufgabe, die sich rein finanziell wohl auch nicht immer lohnt.

Doch wer kann schon nur an Umsätzen interessiert sein, wenn er weiss, dass er mit seinem Spiel langfristig auch Leben retten kann. So bleibt nur zu hoffen, dass MMOS noch einige andere grosse Partner findet, mit welchen sie ihre Wissenschaftsprojekte umsetzen können. 

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