«Far Cry 6»Eine Revolution nach dem bekannten Schema
Von Pascal Wengi
8.10.2021
Mit «Far Cry 6» entführt uns Ubisoft in eine karibische Militärdiktatur. Mit viel Action und Bombast soll die Revolution ihren Einzug im gebeutelten Inselstaat halten. Doch wie revolutionär ist das Spiel wirklich?
Von Pascal Wengi
08.10.2021, 14:32
08.10.2021, 14:40
Pascal Wengi
Die Zeichen stehen auf Revolution im fiktiven Inselstaat Yara, welcher zu lange schon unter der Herrschaft von «El Presidente» Antón Castillo leidet. Bürger:innen werden zur Arbeit auf Tabakplantagen versklavt und der Diktator scheut nicht vor Massenmord und Folter zurück. So liegt es an den örtlichen Guerilla-Freiheitskämpfern, dem Treiben des Despoten ein Ende zu setzen und das geplagte Volk endlich zu befreien.
Wahlweise als weibliche oder männlicher Dani schliessen wir uns der Revolution an. Dani verfügt dabei, für «Far Cry»-Titel unüblich, über viel Persönlichkeit und zeigt sich mitteilungsbedürftiger als seine, beziehungsweise ihre Vorgänger. Das kommt dem Storytelling aber nur zugute und verleiht dem spielbaren Charakter mehr Tiefe. Wo in vergangenen Teilen der Serie der Fokus klar auf dem Bösewicht lag und der Hauptcharakter dabei bloss als «leeres» Gefäss diente, um diesen in Szene zu setzen, schwenkt «Far Cry 6» den Scheinwerfer auf den Spieler. Eigentlich könnte man diesen Punkt durchaus positiv beurteilen, doch leider kommt der Antagonist Castillo, in der Person von Giancarlo Esposito, dadurch fast etwas zu kurz.
Zerstörung nach Plan
Natürlich stellt sich Dani dem Presidente nicht mit blossen Händen oder auf dem demokratischen Weg, sondern bis an die Zähne bewaffnet und nach dem Lehrbuch des Guerilla-Kampfes. Wichtige Versorgungs-Einrichtungen sollen sabotiert, die obersten Ränge seiner Gefolgschaft dezimiert und die Freiheitskämpfer verstärkt werden. Die weitläufige Insel unterteilt sich grob in vier Zonen, von welchen drei zuerst befreit werden müssen, bevor man sich im vierten Gebiet dem Diktator stellen kann. Dieses Fortschrittsystem kennt man bereits aus den Vorgängern der «Far Cry»-Reihe und mittlerweile auch aus «Assassins Creed» oder anderen Ubisoft-Titeln.
Als Werkzeug der Revolution dient dabei ein breites Arsenal an Schiesseisen, Bögen und Sprengstoffen. Neu hat man zudem auch Zugriff auf mächtige Waffen der Marke Eigenbau wie Flammenwerfer oder Nagelpistolen und einer Art Kampfrucksack, der zum Beispiel zielsuchende Raketen verschiesst, den Spieler wiederbelebt oder gegnerische Technik mittels EMP-Impuls lahmlegt. Egal ob man lieber als Geist ungesehen die feindlichen Basen infiltriert oder im Dauerfeuer den offenen Kampf sucht, die grosse Guerilla-Werkzeugekiste bietet jedem das passende Utensil.
Rebellen, Raketen und Ricky Martin
Bei einer Revolution auf einer karibischen Insel nach Vorlage von Kuba darf natürlich eines nicht fehlen: latinische Musik. Wenn aus dem Radio des Kampfhelikopters «Livin la vida loca» dröhnt, während man die gegnerische Armee mit Raketen eindeckt, verkommt das Spielgeschehen zwar fast schon zum selbstironischen Unsinn, doch die Musik macht Laune. Der ganze Ton des Spiels zeigt sich weniger ernst als auch schon. In Anbetracht der doch eher ernsteren Themen wie Massenmord, Folter und systematischer Unterdrückung mag das teilweise fehl am Platz wirken. Hier verpasst es «Far Cry 6» einen Schalter zu finden, um den Ton zu ändern oder gewissen Szenen einen Kontext zu geben.
Für das chaotische Gameplay passt der lockerere Ton aber auf jeden Fall. Und hier zeigt «Far Cry 6» seine volle Stärk. Wenn man per Brandsatz ein ganzes Tabakfeld in Brand setzt, einen Aligator aus einem Käfig befreit und dann mitten im Chaos mit einem Giftwerfer mitmischt, dann entstehen diese Moment-zu-Moment Spielerfahrungen, die «Far Cry» schon immer ausgezeichnet haben.
Das Inselparadies
Zurück zu seinen Wurzeln findet «Far Cry 6» auf jedem Fall in Punkto Spielwelt. Tropische Inseln, dichter Dschungel und Sandstrände passen einfach zur Serie wie die Faust aufs Auge. Yara bietet jede Menge zu entdecken. Versteckte Schätze, Rennen, Sammelgegenstände, Nebenmissionen, Vorratskisten und noch viel mehr warten darauf vom Spieler entdeckt zu werden. Man kann kaum einen Schritt über die Insel machen, ohne dabei irgendetwas interessantes zu finden. Oft erwischt man sich dabei wie man eigentlich bloss von A nach B wollte, unterwegs aber noch einen Umweg über C macht, um dort eine Kiste mit einer neuen Waffe einzusammeln und dann D bis F abklappert, um am Ende doch wieder bei A zu landen weil man vergessen hat, wieso man eigentlich zu B wollte.
Hilfreich dabei ist auch dass Yara wunderschön aussieht. Zwar mag die Engine und Grafik auf den ersten Blick doch in die Jahre gekommen sein und rein technisch etwas hinterher hinken, aber diesen Umstand macht das Leveldesign mehr als nur wett. Die Landschaft wirkt glaubwürdig und lebendig und viele Orte sehen aus wie Postkarten-Motive. Egal wohin man sieht, lädt einem die Insel förmlich ein sie zu erkunden. Erstmals in der Serie sogar mit urbanen Gebieten und ihrem städtischen Treiben.